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Warum ihr Beruf für Marielle Giesinger Berufung ist

23.03.2024 • 18:54 Uhr
SOS_Kinderdorf-WG; Heldendankstraße 14
Marielle Giesinger arbeitet seit vier Jahren in der Jugendwohngemeinschaft von SOS Kinderdorf in Bregenz. Klaus Hartinger

Am Dienstag war Welttag der Sozialen Arbeit. Eine, die in diesem Bereich arbeitet, ist die Sozialpädagogin Marielle Giesinger.

Marielle Giesingers Berufsleben führte nicht direkt in die Soziale Arbeit. „Das hat sich erst entwickelt“, erzählt die 30-Jährige, die in Dornbirn lebt. Seit rund vier Jahren arbeitet sie nun als Sozialpädagogin in einer Wohngemeinschaft für Jugendliche von SOS Kinderdorf in Bregenz und hat dort ihren Beruf, der „Berufung ist“, wie sie sagt, gefunden. Nach der Schulzeit hatte Giesinger zunächst bei einem Zahnarzt gearbeitet. Die Soziale Arbeit hatte sie aber schon damals interessiert.

Praktika in dem Bereich – mit Menschen aller Altersgruppen, von Kindern bis Älteren – folgten. Dazu kam, dass ihr Gesprächspartner beim Bifo, wo sie sich in Hinblick auf Berufsmöglichkeiten beraten ließ, ein Sozialarbeiter war. „Das hat wohl auch mitgespielt“, sagt sie mit einem Grinsen. Noch ausschlaggebender sei aber vermutlich ein Aufenthalt in Südafrika gewesen. Dort hat sie zwei Monate lang auf Freiwilligenbasis mit Kindern gearbeitet.

Corona-Lockdown

Mit 22 Jahren hat Giesinger dann mit dem Studium Soziale Arbeit an der FH Vorarlberg begonnen. Im Anschluss ging es als Au Pair in die USA nach South Carolina. Rund acht Monate später war Corona da und es ging wieder retour nach Vorarlberg. Dort hat Giesinger dann einen Job gesucht und das war zu der Zeit – im ersten Corona-Lockdown – gar nicht so einfach. „Es gab damals wenig offene Stellen“, erinnert sie sich. Aber es hat geklappt und rund eineinhalb Monate später konnte sie an ihrem heutigen Arbeitsplatz beginnen.

In der Wohngemeinschaft leben bis zu zehn Jugendliche zwischen zumeist 14 und 18 Jahren, die aus verschiedenen Gründen nicht mehr bei ihren Eltern wohnen können. Rund ein Dutzend Mitarbeitende inklusive Zivildiener sind dort beschäftigt. „Das Studium bietet eine solide Grundausbildung“, sagt Giesinger zu ihren beruflichen Anfängen. In den verschiedenen Bereichen müsse man sich dann weiterentwickeln und weiterbilden. „Die Arbeit lernt man mit der Zeit, wobei man hier gut durch das Team unterstützt wird“, so die 30-Jährige.

SOS_Kinderdorf-WG; Heldendankstraße 14
Sozialpädagogin Marielle Giesinger. Klaus Hartinger

In der Wohngemeinschaft sind 24 Stunden lang Betreuerinnen und Betreuer in unterschiedlichen Diensten im Einsatz. Giesinger hat gerade einen Nachtdienst hinter sich. Prinzipiell gehe es bei ihrer Arbeit darum, sicherzustellen, dass „die Jugendlichen, die hier wohnen, einen stabilen Alltag haben“, erklärt sie. „Wir bieten klare Strukturen, die Sicherheit geben.“ Das fängt bei so Dingen wie regelmäßigen Mahlzeiten an, geht über Hilfe bei schulischen Belangen oder Lehrstellensuche bis zu einem gemeinsamen Urlaub im Sommer. „Wir haben einen familienähnlichen Kontext“, beschreibt die Sozialpädagogin das Konzept.

Neben dem „Alltagsgeschäft“ gehe es aber auch darum, die Individualität jedes und jeder einzelnen Jugendlichen zu berücksichtigen. Das passiert unter anderem, indem jeder und jede einen Ansprechpartner oder eine Ansprechpartnerin im pädagogischen Team etwa für Einzelgespräche habe.

„Unsere bis zu zehn Jugendlichen sind unterschiedliche Menschen mit ganz unterschiedlichen Geschichten“

Marielle Giesinger, Sozialpädagogin

„Unsere bis zu zehn Jugendlichen sind unterschiedliche Menschen mit ganz unterschiedlichen Geschichten“, sagt Giesinger. Teilweise seien es psychische Belastungen oder auch andere Probleme, die neben der Pubertät auftreten würden. Darin liegt auch die Herausforderung des Jobs. „Auch wenn man schon länger hier arbeitet, gibt es immer wieder neue Dinge, weil es immer wieder neue Menschen sind“, stellt die Sozialpädagogin fest.

Die Glücksmomente gibt es natürlich auch. Etwa wenn man mit den Jugendlichen in den Urlaub fährt und die Freude derjenigen sieht, die zum ersten Mal im Urlaub und in einem anderen Land sind, erzählt Giesinger. „Das ist wirklich schön.“ Oder wenn die Jugendlichen die angestrebte Lehrstelle bekommen oder auch Jahre nach ihrem Auszug noch auf einen Kaffee vorbeikommen.

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Der Pädagogische Leiter der Wohngemeinschaften Peter Pöll und die Sozialpädagogin Marielle Giesinger. Klaus Hartinger

Marielle Giesinger ist beruflich angekommen und hat ihren Platz gefunden. „Der soziale Bereich, die Sozialpädagogik, ist nicht einfach nur ein Beruf, sondern Berufung“ ist sie überzeugt. Da könne man nicht halbherzig tätig sein, weil man viel Verantwortung habe und es um die Zukunft von Jugendlichen gehe, betont sie.

Wünschen würde sie sich, dass Jugendliche – ganz egal wo sie aufwachsen – generell mehr von der Gesellschaft akzeptiert würden. „Gerade unsere Jugendlichen bekommen das in den Schulen, bei der Arbeit, in der Freizeit zu spüren. Denn leider gibt es da häufig noch Vorurteile, wenn Kinder oder Jugendliche nicht bei der Familie, sondern in einer Institution wohnen“, so ihre Erfahrungen. In ihrer Arbeit würde sie aber immer wieder merken, wie motiviert junge Menschen sind, und wie sie sich trotz des schwierigen Starts ins Leben positiv entwickeln und eine selbstbestimmte Zukunft aufbauen, erzählt sie.

Welttag der Sozialen Arbeit

Am Dienstag war der Internationale Tag der Sozialen Arbeit, der seit 2007 jährlich weltweit begangen wird. Sein Ziel ist es, diese Arbeit sichtbar zu machen. In Wien fand dazu eine Kundgebung statt. Heuer stand der Tag unter dem Motto „Buen Vivir – gemeinsam für nachhaltigen Wandel“. In der Branche gibt es wie in anderen auch einen Fachkräftemangel. „Wir sind aber wenig davon betroffen“, sagt Peter Pöll, Pädagogischer Leiter der Jugendwohngemeinschaften von SOS Kinderdorf in Vorarlberg. Mitarbeitende wären teilweise schon viele Jahre dabei. In den Einrichtungen gebe es zudem die Möglichkeit für ein Freiwilliges Soziales Jahr und für Praktika für diverse Ausbildungen, informiert Pöll.