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Ein Leben geprägt von Leidenschaft für Musik

14.04.2024 • 12:00 Uhr
Ein Leben geprägt von Leidenschaft für Musik
Ihr Name – und natürlich der ihres Bruders – ist untrennbar mit dem Musikladen verbunden. Klaus Hartinger

Fast 30 Jahre lang hat Veronika Ess gemeinsam mit ihrem 2008 verstorbenen Bruder Josef die Musikszene in Vorarlberg geprägt.

“Es geht immer weiter, es hört nicht auf“, sagt Veronika Ess, während sie im Wohnzimmer ihres Hauses in Zwischenwasser Tickets für ein Konzert der Hard-rock-Band AC/DC im Juni in München hervorholt. Musik hat die heute 65-Jährige, deren Namen untrennbar mit dem Musikladen verbunden ist, ihr Leben lang begleitet und tut es immer noch.

Eine Institution

Der Musikladen – Plattengeschäfte und Veranstalter von Konzerten und Konzertfahrten – war eine Institution im Land. Begonnen hat die Erfolgsgeschichte in der elterlichen Garage – wo sonst – in Feldkirch-Altenstadt. Von dort aus hat Veronika Ess‘ älterer Bruder Josef („Ich war die kleine Schwester“) die ersten Konzerte veranstaltet, zunächst noch als Katholische Jugend Altenstadt. Den ersten Vertrag ihres Bruders mit The Imitation hat Veronika Ess noch. 2000 Schilling betrug damals die Gage dieser Vorarlberger Band.

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Der fünf Jahre ältere Bruder war der Gründer des Musikladens. Privat

Als der musikbegeisterte Josef Ess nach England ging, um dort zu arbeiten, verbrachte er seine gesamte Freizeit in Plattengeschäften, erzählt die Schwester. Bei seiner Rückkehr hatte er kein einziges Kleidungsstück mehr im Koffer, dafür eine Unmenge an Schallplatten. „Wir haben damals unglaublich schöne Musik gehabt“, gerät Veronika Ess heute noch ins Schwärmen.

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Josef Ess (r.) mit seiner Band Why Not. Der Mann in der Mitte ist der spätere Finanzminister Hans Jörg Schelling. Privat

Diese Platten wurden ursprünglich verschenkt. Die Nachfrage wurde allerdings größer, sodass Josef Ess 1978 sein erstes Schallplatten-Geschäft mit dem Namen Musikladen eröffnete – in Innsbruck, um bei einem eventuellen Scheitern weit genug entfernt von zu Hause zu sein. Von Scheitern war allerdings keine Rede, „es hat eingeschlagen wie eine Bombe“. Musikläden im Feldkircher Illpark, in der Bregenzer Oberstadt und in der Bahnhofstraße sowie in Salzburg folgten. Die Platten hat Ess in großen Mengen aus England importiert. Dazu kamen Merchandising-Artikel, die es damals sonst nicht gab.

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Der erste Vertrag für ein Konzert, den Josef Ess 1971 abgeschlossen hatte. Hartinger

Veronika Ess hatte mit 15 Jahren ihr erstes Konzert erlebt, die Les Humphries Singers in der Lustenauer Eishalle. „Ich bin in der ersten Reihe gestanden, und es war unglaublich. Das hat mich sehr geprägt“, erinnert sie sich. Zunächst aber schlug sie eine andere berufliche Laufbahn ein. Sie machte eine Ausbildung zur Kindergartenpädagogin und arbeitete acht Jahre lang in Feldkirch in einem Kindergarten, bis sie dann ein Jahr lang nach Indien ging.

„Dort habe ich die große weite Welt kennengelernt“ – und nach ihrer Rückkehr war ihr alles ein wenig zu eng. Als ihr Bruder ihr vorschlug, bei ihm zu arbeiten, nahm sie das Angebot an. Das war 1987, und zu der Zeit haben auch die Konzertveranstaltungen angefangen, die einen immer größeren Umfang einnahmen.

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Eine Seite eines ihre acht Autogrammbücher – ein weiteres, dem sie heute noch nachtrauert, kam ihr abhanden. Klaus hartinger

2003 hat Veronika Ess das Unternehmen dann von ihrem Bruder, der fünf Jahre später verstorben ist, übernommen. Im selben Jahr wurden auch die Plattengeschäfte von den jeweiligen Geschäftsführern übernommen. Drei gibt es heute noch, in Feldkirch, Innsbruck und Salzburg. „Damals war die Situation wirklich schwierig“, erinnert sie sich. „Platten wurden nicht mehr verkauft, auch keine CDs.” Das habe sich mittlerweile wieder deutlich verbessert.

40 Jahre Rock und Pop in ­Vorarlberg

Der Innerbrazer Bürgermeister Hans Peter Pfanner, Illwerke-vkw-Pressesprecher Andreas Neuhauser und der Musiker und Grünen-Landtagsabgeordneten Bernie Weber sind nur drei von damals unzähligen jungen Vorarlbergern, die im Musikladen gearbeitet haben. Gemeinsam mit Veronika Ess erzählen sie in der Reihe „freitags um 5“ spannende Backstage-Geschichten: Freitag, 19. April, 17 Uhr, Vorarlberg Museum Bregenz. Infos und Anmeldung: www.vorarlbergmuseum.at

2016 musste Veronika Ess krankheitsbedingt aufhören. Bis dahin war das Büro des Musikladens, der zusätzlich noch zum Ticketverkäufer für Fremdveranstaltungen geworden war, von der elterlichen Garage nach Rankweil und dann nach Götzis gewandert. Der Tickethändler und Konzertveranstalter wurde in der Folge von Loacker Tours übernommen. Corona hat der Musikladen dann nicht mehr überlebt: Im Juli 2020 musste Konkurs angemeldet werden.

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Veronika Ess mit Falco 1993 im ehemaligen Kiew in Röthis.Privat

Von Anne Clark zu Zoë. Bis 2016 hatte Veronika Ess aber fast 30 Jahre lang gemeinsam mit ihrem Bruder die Vorarlberger Musikszene geprägt. Die britische Sängerin und Musikerin Anne Clark war das erste Konzert von Ess als Veranstalterin, die österreichische Song-Contest-Teilnehmerin von 2016, Zoë, das letzte. Dazwischen lagen Tausende Konzerte – teilweise bis zu 200 im Jahr – mit zahlreichen Größen der Musikgeschichte, von Joe Cocker, The Cure, Falco über Bonnie Tyler, Die Fantastischen Vier zu Suzanne Vega oder Nazareth und viele andere mehr. Das größte war Bryan Adams im Jahr 2000 in Rankweil.

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Auch zahlreiche Backstage-Pässe gibt es noch. Hartinger

Der Ansturm des Publikums war teils riesig, erinnert sie sich, etwa bei den Ärzten in der Remise in Bregenz. „Da haben wir die großen Tore geöffnet, weil so viele Leute kamen.“ Viele hätten dann auch ohne Bezahlung das Konzert gehört, aber das Wichtigste sei immer gewesen, dass nichts passiert, betont Ess. Zu Beginn ihrer Veranstaltertätigkeit hätte es kaum Vorschriften gegeben, aber „wir hatten immer Leute mit Feuerlöschern und Rettungsleute dabei, obwohl es nicht vorgeschrieben war“.

Ein Leben geprägt von Leidenschaft für Musik
Sie hat Tausende Konzerte veranstaltet. Hartinger

Äußerst brenzlig sei ein Konzert von Rainhard Fendrich auf der Seebühne gewesen, erzählt sie. Nachdem dunkle Wolken aufgezogen seien und es immer stürmischer wurde, musste das Konzert nach dem Soundcheck abgesagt und die Leute, die schon warteten, wieder nach Hause geschickt werden.

Oft stand Ess um sechs Uhr morgens, als die ersten Lkw kamen, in der Halle und fuhr dann um vier Uhr morgens, als der letzte Lkw wieder beladen war, nach Hause. Aber sie hat diesen Job geliebt und ihn 30 Jahre lang mit einer Begeisterung und Leidenschaft ausgeübt, die auch heute noch spürbar ist. Beim Sound@V wurde sie im Vorjahr mit einem Preis für ihr Lebenswerk ausgezeichnet.

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Objekte ihrer Sammlung und die aktuelleb AC/DC-Konzertkarten. Hartinger

Neben den Konzerten wurden auch zahlreiche Fahrten zu Konzerten in Zürich, Basel, München, Wien oder anderen Orten veranstaltet. Manchmal fuhren bis zu 20 Busse, und Veronika Ess war immer dabei. „Ich habe unzählige Erinnerungen und bin unendlich dankbar, dass ich das alles erleben durfte“, sagt sie.
Erinnerungen an Stars wie Die Toten Hosen, die immer jemanden zum Fußball spielen brauchten, oder an andere, die zunächst nur Evian-Mineralwasser wollten, um dann festzustellen, dass Vorarlberger Wasser aus der Leitung doch ganz brauchbar schmeckt. „Wasser war immer ein großes Thema.“ Befragt nach einem Wunschkonzert, meint sie: „Ich hätte natürlich irrsinnig gern die Beatles gemacht.“ Auch Dire Straits wären auf der Wunschliste gestanden.

Veronika Ess, Sound@V“-Award 2023
Beim Sound@V 2023 wurde Veronika Ess für ihr Lebenswerk ausgezeichnet. ORF

Ihren persönlichen Musikgeschmack bezeichnet Veronika Ess als „sehr breit“. Besonders möge sie auch die jungen Sachen. Felix Kramer und Anna Marboe nennt sie da. „Von den Les Humphries Singers bin ich mittlerweile eher weit entfernt“, sagt sie mit einem Grinsen. Musik ist nach wie vor ein wichtiger Teil ihres Lebens. Manchmal schafft sie vier Konzerte pro Woche, das Szene Openair oder die Poolbar sind Pflichttermine. Und im Juni eben AC/DC in München.