Landhaus-Protest: Keine Kollektivstrafe für Klimaaktivisten

Höchstgericht weist Revision der Bezirkshauptmannschaft Bregenz als unzulässig zurück. Erfolg für “Extinction Rebellion” und Ende eines langen Rechtsstreits.
Eine Protestaktion der Klimabewegung „Extinction Rebellion“ Ende 2022 hat zu einem langwierigen Rechtsstreit zwischen der Klimaaktivistin Marina Hagen-Canaval und der Bezirkshauptmannschaft Bregenz geführt. Dieser wurde nun durch eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH) endgültig beendet. Das Höchstgericht wies die Revision der Bezirkshauptmannschaft gegen ein Urteil des Landesverwaltungsgerichts Vorarlberg als unzulässig zurück und bestätigte damit die Entscheidung, die Strafe gegen die Aktivistin aufzuheben.
Auslöser
Auslöser des Rechtsstreits war ein Protest von Mitgliedern der Bewegung „Extinction Rebellion“ während einer Landtagssitzung am 14. Dezember 2022. Hagen-Canaval und weitere Aktivisten hatten auf der Zuschauertribüne des Landtags ein Transparent entrollt und versucht, eine Rede zu halten. Die Bezirkshauptmannschaft Bregenz warf Hagen-Canaval vor, gegen das Versammlungsgesetz verstoßen zu haben und brummte der Aktivistin eine Strafe von rund 100 Euro auf.
Keine Beweise
Das Landesverwaltungsgericht hob jedoch nach einer Beschwerde von Hagen-Canaval die Strafe der BH auf. Die Beweise reichten nicht aus, um sie eindeutig als Veranstalterin zu identifizieren. Dagegen ging die Bezirkshauptmannschaft in Revision. Sie argumentierte, dass alle Protestierenden zu bestrafen seien, wenn bei kleinen Gruppen keine Versammlungsleitung feststehe.

Der VwGH hat nun in einem Beschluss klargestellt, dass es für diese Praxis keine gesetzliche Grundlage gibt. Wörtlich führte der VwGH aus: „Die (auch in der Amtsrevision vertretene) Auffassung, dass für den Fall, dass keine Person als Veranstalter einer Versammlung festgestellt werden kann, sämtliche Teilnehmer einer Versammlung – gleichsam als Veranstalter ‚im Kollektiv‘ – nach Paragraf zwei, Absatz eins im Paragraf 19 Verssammlungsgesetz belangt werden könnten, findet weder im Gesetz noch in der erwähnten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine Grundlage.“
„Klare Absage“
Sanjay Doshi, der Hagen-Canaval in diesem Fall rechtlich vertritt, zeigt sich erfreut über die Entscheidung des Höchstgerichts: „Die BH Bregenz hat versucht, bloße Teilnehmer einer nicht angemeldeten Versammlung zu kriminalisieren. Der Verwaltungsgerichtshof hat diesem Vorhaben nun eine klare Absage erteilt. Einmal mehr erweisen sich die Höchstgerichte als wichtige Verteidiger der Grundrechte und des Rechtsstaates“, teilt der Feldkircher Rechtsanwalt auf NEUE-Anfrage mit.

„Rachefeldzug gegen mich“
Hagen-Canaval, das Gesicht des Klimaaktivismus in Vorarlberg, spricht von einem „persönlichen Rachefeldzug“ gegen ihre Person. Sie fordert die Behörden auf, endlich damit aufzuhören. „Wir kommen nicht weiter, wenn mit solcher Vehemenz versucht wird, Menschen, die auf die Klimakatastrophe aufmerksam machen, rechtswidrig zu kriminalisieren. Stattdessen sollten die Verantwortlichen an Lösungen für die Klimakatastrophe mitarbeiten. Der erste Schritt wäre, die Tunnelspinne abzusagen und auf nachhaltige Mobilität zu setzen“. Dann würden die Proteste „sofort aufhören“, versichert die 27-jährige Klimaaktivistin.
1500 ähnlich gelagerte Verfahren
Die Entscheidung des Wiener Höchstgerichts könnte weitreichende Folgen für den Umgang mit Klimaprotesten haben. Denn bisher galten für die Behörden meist alle Teilnehmer einer nicht angemeldeten Versammlung kollektiv als Veranstalter, was unter Umständen zu Strafen von bis zu 1440 Euro führen könnte. Laut Angaben von Hagen-Canaval sind derzeit österreichweit rund 1500 ähnliche Verwaltungsverfahren anhängig.