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Interview: Anonyme Anzeigen als Methode?

18.05.2024 • 12:00 Uhr
Interview Markus Wallner
Der Landeshauptmann zeigt sich kämpferisch und verspricht einen kurzen und kompakten Wahlkampf. Rhomberg

Markus Wallner spricht im Gespräch mit der NEUE am Sonntag über Sicherheitsthemen, den Kodex Vorarlberg, Populismus, politischen Erfolg und Misserfolg, fragwürdige Wahlkampfmittel, Arbeitszeitmodelle, den Standort Vorarlberg und den Spagat zwischen seinem Privatleben und der politischen Funktion.

Der Kodex Vorarlberg: Wie unterscheidet sich das neue Modell von der bisher praktizierten Integrationsvereinbarung?
Markus Wallner:
Der Kodex geht einen Schritt weiter und richtet sich auch an jene Personen, die sich noch im Asylverfahren befinden. Vorarlberg war eines der ersten Länder, die solche Regelungen eingeführt haben, um den Integrationsprozess für Asylberechtigte durch klare Regeln und Sanktionen zu standardisieren. Diese Praxis ist mittlerweile in ganz Österreich zur Norm geworden. Der Kodex sieht vor, Integrationsmaßnahmen sofort bei Ankunft im Land zu beginnen. Ziel ist eine von Anfang an klare Kommunikation und Regelsetzung für eine effektive Integration.

Die Unterschrift ist freiwillig, wie steht es um die rechtliche Grundlage für Sanktionen, auch um einer Stigmatisierung vorzubeugen?
Wallner
: Wer asylberechtigt ist und Sozialhilfe bezieht, aber keine Arbeitsstelle annimmt oder sich der deutschen Sprache verweigern würde, der wird am Ende auch in der Sozialhilfe mit stufenweisen Kürzungen rechnen müssen. Der Kodex tritt am 1. Juni in Kraft und wir werden sehen, wie das Angebot angenommen wird. Im Hintergrund haben wir die Gesetzesänderung vorbereitet, die jederzeit im Landtag eingebracht werden kann. Der Widerstand der Grünen war für mich nicht nachvollziehbar. Mittel- und langfristig wird die Kopplung von Integrationserfordernissen und Sozialleistungen komme, davon bin ich überzeugt.

Nachbarschaftshilfe oder mehr – wie stehen Sie generell zu einer weiteren Öffnung des Arbeitsmarktes für Asylwerber?
Wallner:
Hier gilt es, vorsichtig zu agieren. Eine Gesamtöffnung des Arbeitsmarktes kann einen großen Anziehungseffekt haben, wenn man nach Deutschland oder Skandinavien blickt. Ein gemeinnütziger Beitrag kann als erster Schritt erfolgen, um eine echte Integration dann später zu gewährleisten.

Interview Markus Wallner
Markus Wallner im Gespräch mit der NEUE am Sonntag. Rhomberg

Kodex oder „Vokus“ auf Sicherheit – Populismus oder ernst zu nehmende Auseinandersetzung mit den Ängsten der Bevölkerung?
Wallner:
Es ist auf jeden Fall ein Signal an die Bevölkerung, die ein Anrecht darauf hat, dass die Politik ihre Sorgen und Ängste wahrnimmt und sich mit diesen auseinandersetzt. Seit Beginn der Flüchtlingskrise wissen wir, dass wir mit großen Herausforderungen konfrontiert werden. Und als Landeshauptmann ist man verpflichtet, die Sicherheit der Menschen im Land zu gewährleisten. Mit oder ohne Wahlen. Und in Zusammenarbeit mit der Polizei sind wir zum Schluss gekommen, öffentliche Plätze und Verkehrsmittel und neuralgische Plätze verstärkt in den Fokus zu rücken.

Als Politiker rückt man ebenfalls verstärkt in den Mittelpunkt, man wird sogar zur Zielscheibe. Wie schwierig fällt die Trennung von Privatem und Beruflichem für den Landeshauptmann?
Wallner:
Die Funktion des Landeshauptmanns übt man 24 Stunden pro Woche und 365 Tage im Jahr aus. Und trotzdem muss Raum für ein Privatleben bleiben. Ich versuche, das politische Geschäft, auch zum Schutz meiner Familie, so strikt wie möglich von Zuhause fernzuhalten. Blickt man aktuell in die Slowakei oder auch nach Deutschland, oder auch zurück in die Zeit der Pandemie, werden Entwicklungen erkennbar, die zutiefst verängstigen. Aggression und Gewalt haben in der Politik nichts verloren. Das gilt es aufzuzeigen und mit aller Vehemenz zu verurteilen.

Causa Thoma, Causa Schilling – das Privatleben von Politikern taucht vermehrt in den Schlagzeilen auf. Wie stark darf die Balance zwischen persönlicher Integrität und politischer Agenda von Polit-Akteuren hinterfragt werden?
Wallner
: Bei der Causa Schilling halte ich mich persönlich zurück, da ich weder Person noch Inhalt kenne. Es bleibt eine Frage der Auseinandersetzung zwischen Politik und Journalismus. Wobei mich hier das Verhalten der Grünen irritiert.

Gegen Sie und ihren Parteikollegen Christoph Thoma wurde wegen anonymer Anzeigen ermittelt, in beiden Fällen wurde der Anfangsverdacht nicht bestätigt. Liegen solche Methoden im Trend, um Gegner in Misskredit zu bringen?
Wallner:
Diese Mittel haben offenbar zugenommen, auch wenn das nicht meiner Auffassung von politischem Stil entspricht. Eine Schlagzeile jagt die nächste, es folgen Entrüstung und eine Rücktrittsaufforderung nach der anderen. Anonyme Vorgangsweisen sind aus meiner Sicht nicht brauchbar. Und es handelte sich in meinem Fall um eine glatte Lüge, was ich auch von Anfang an klar zum Ausdruck gebracht habe.

Interview Markus Wallner
Landeshauptmann Markus Wallner. Rhomberg

Am Freitag wurde der Rhesi-Staatsvertrag unterschrieben. Eine ihrer größten Leistungen als Landeshauptmann?
Wallner:
Auf jeden Fall ein Meilenstein, obgleich mir ein Spatenstich lieber wäre. Aber die finanzielle Absicherung und das Bekenntnis der beiden Länder zu dieser Milliardeninvestition zeigen, wie wichtig die Rheinregulierung für uns alle ist. Es ist ein Gebot der Stunde, das generationenübergreifende Projekt eines 300-jährigen Hochwasserschutzes schnellstmöglich zu realisieren. Laut unseren Berechnungen würde ein Dammbruch und die damit verbundenen Fluten Schäden im Bereich von zehn Milliarden Euro verursachen. Das würde unseren Standort um Jahrzehnte zurückwerfen.

„Eine Schlagzeile jagt die nächste, gefolgt von Rücktrittsaufforderungen …“

Markus Wallner

Ihr größer politischer Erfolg und woran haben Sie sich bis dato die Zähne ausgebissen?
Wallner:
Ich glaube, worauf wir stolz sein können, ist in der Nachbetrachtung der Umgang mit der Pandemie. Ich denke, wir konnten hier viel vorangehen und haben die Krise bestmöglich gemeistert. Das härteste Brett, das ich zu bohren hatte – und übrigen schon einige meiner Vorgänger zuvor – ist und bleibt die S18. Wir waren auf einem guten Weg. Bis uns eine Ministerin einen Strich durch die Rechnung gemacht und uns wieder in eine Warteposition versetzt hat.

Bleiben wir beim Standort. Wie schafft es Vorarlberg, im internationalen Wettbewerb weiter konkurrenzfähig zu bleiben? Sowohl aus wirtschaftlicher Sicht, als auch im Leben des „Kleinen Mannes“?
Wallner:
Ich glaube, dass Vorarlberg nach wie vor ein exzellenter Standort ist. Damit das so bleibt, müssen wir agieren. Zunächst gilt es, möglichst viele Mittel in die Ausbildung von Fachkräften zu investieren. Schulen, Lehre, auf allen Ebenen – wir wollen hier zum europäischen Maßstab werden. Ein Faktor, der uns in die Karten spielen wird, sind Energiekosten. Mit der illwerke vkw haben wir einen Trumpf in Landeshand, der Energiekosten sowohl für Private als auch für die Industrie und das Gewerbe gering halten kann und somit zu einem entscheidenden Faktor für den Standort werden wird. Hier haben wir in Hinblick auf Ingenieurskunst, Kraftwerksbau und den natürlichen Ressourcen einen globalen Wettbewerbsvorteil im Land, der die nächsten Jahre immer entscheidender werden wird. Und als dritten Punkt müssen wir versuchen, eine Entbürokratisierung voranzutreiben. Wir brauchen Reformen, die Genehmigungsverfahren verkürzen und es unseren Wirtschaftstreibenden ermöglichen, zu investieren und Unternehmen zu gründen.

Stichwort Bürokratieabbau: Braucht es 96 Gemeinden und vier Bezirkshauptmannschaften?
Wallner:
Wenn sie effizient arbeiten, dann schon. Trotzdem müssen gewisse Dinge entstaubt werden. Und ich glaube, es braucht im Land eine Stabsstelle, eine Kompetenz für Entbürokratisierung, mit Regierungsverantwortung.

Vollzeitbonus, steuerfreie Überstunden, eine 41-Stunden-Woche im Sinne der IV oder Arbeitszeitverkürzung – wie stehen Sie zu ihrem Vorstoß, der in ganz Österreich für Diskussionen sorgte
Wallner:
Eine Anhebung auf eine 41-Stunden-Woche kann ich mir genauso wenig vorstellen wie die 32-Stunden-Arbeitszeitvariante der SPÖ. Außerdem sind Lohndebatten Fragen, welche die Sozialpartner verhandeln sollen. Viel mehr fragt man sich eher, wieso Menschen, die in Korridorpension sind, aber einen Beitrag leisten wollen, mit derartigen Steuern konfrontiert werden, dass sich dies einfach nicht rechnet. Oder auch bei Überstunden, die erst ab der elften geleisteten rentabel werden. Hier bedarf es unbedingt Anreize, wie etwa einen Vollzeitbonus.

Und Teilzeitkräfte, vor allem Frauen, bleiben auf der Strecke?
Wallner:
Ich möchte Vollzeit attraktiver machen. Der Ausbau der Kindesbetreuung wird ein wichtiger Schlüssel sein. Und es geht hier nicht gegen Care-, Pflege- oder Betreuungskräfte, sondern es gilt, dem Trend zur Teilzeitarbeit entgegenzuwirken.

Abschließend: Sind die Akkus für den Wahlkampf aufgeladen und könnten Sie sich einen Landesstatthalter Christoph Bitschi vorstellen?
Wallner:
Ich freue mich auf einen kurzen und kompakten Wahlkampf. Und im Falle eines Vertrauensvotums durch die Bevölkerung werden wir nach den Wahlen mit allen infrage kommenden Partnern verhandeln.