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2,5 Hektar: „Wer darf dann bauen und wer nicht?“

18.06.2024 • 16:24 Uhr
Andreas Kreuzer – Günther Ammann und Marco tittler
Günther Ammann, Andreas Kreutzer und Marco Tittler (v.l.) auf der Terrasse des Panoramahaus-Restaurants in Dornbirn. Klaus hartinger

In Hinblick auf die diskutierte Reduktion des Bodenverbrauchs auf 2,5 Hektar pro Tag hat die Bundes-Bauinnung eine Studie in Auftrag gegeben. Nun wurden deren Vorarlberg-Ergebnisse präsentiert.

Die Bundesregierung hat in ihrem Regierungsprogramm vereinbart, den Bodenverbrauch auf 2,5 Hektar pro Tag zu beschränken. Diese Forderung nahm die Bundesinnung Bau der Wirtschaftskammer Österreich zum Anlass, eine Studie beim Wiener Beraternetzwerk Kreutzer, Fischer und Partner in Auftrag zu geben.

Die Vorarlberg-Zahlen der Studie mit dem Titel „Auswirkungen der diskutierten Flächenobergrenzen auf den Wohnbau und den Ausbau der Infrastruktur“ wurden gestern von Studienautor Andreas Kreutzer, Wirtschaftslandesrat Marco Tittler und dem Fachgruppenobmann der Immobilien- und Vermögenstreuhänder Vorarlberg, Günther Ammann, in Dornbirn präsentiert.

“Maßlose Übertreibung”

Laut Kreutzer werden in Vorarl­berg 6,8 Prozent der Gesamtfläche „beansprucht“ – da sind neben Bauten etwa auch Hausgärten, Straßen, Parks usw. inkludiert. 3,7 Prozent sind versiegelt, also verbaut. Geht man von der bebaubaren („produktiven“) Fläche des Landes aus, sind es 8,1 bzw. 4,4 Prozent, so der Studienautor. Seine Schlussfolgerung: „Dass das Land zubetoniert ist, ist eine maßlose Übertreibung.“

Zudem ist laut Kreutzer die Flächeninanspruchnahme in Vorarlberg zuletzt stark gesunken. Im vergangenen Jahr seien es 46 Hektar gewesen, eine Reduktion um 76 Prozent im Vergleich zum Schnitt vorangegangener Jahre. Die jährliche Neuinanspruchnahme liege bei 0,07 Prozent der Fläche, sagte der Studienautor.

Interessensausgleich

Der Experte lieferte aber auch noch andere Zahlen. So sei im Zeitraum 2015 bis 2022 die beanspruchte Fläche um sechs Prozent gestiegen, die Bevölkerung ebenfalls um 6,1 Prozent, das Wirtschaftswachstum allerdings um 12,3 Prozent. „Man geht in Vorarlberg sehr sorgsam mit Grund und Boden um“, betonte Kreutzer. Das sieht naturgemäß auch Wirtschaftslandesrat Marco Tittler so, der feststellte, dass Raumplanung immer auch Interessensausgleich bedeute.
Was den Bau von Ein- und Zweifamilienhäusern betrifft, so sind laut Studie zwischen 2011 und 2021 sechzig Prozent davon auf Abrissflächen entstanden. Bei acht Prozent der Mehrfamilienhäuser gab es eine Nachverdichtung oder -nutzung gegeben. Damit sei auch kein „neuer“ Boden verbraucht worden.

2,5 Hektar: „Wer darf dann bauen und wer nicht?“
Der Bodenverbrauch im Land ist seit Jahren ein heftig diskutiertes Thema.
Klaus Hartinger

Mit einer 2,5-Hektar-Grenze stünden Vorarlberg laut Kreutzer jährlich nur mehr 52 Hektar zum Verbauen zur Verfügung – das wäre ein Minus von 70 Prozent im Vergleich zu den 175 Hektar zwischen 2018 und 2022. Von den derzeit durchschnittlich 720 Einfamilienhäusern im Jahr könnten noch 40 gebaut werden. Heruntergebrochen auf Gemeindeebene dürfte dann laut Studie Hittisau 2100 Quadratmeter im Jahr verbauen, Klösterle 680 Quadratmeter oder Gaschurn 1600 Quadratmeter.

Mit einer Deckelung würden der Industrie im Land die Flächen ausgehen und wenn man das zulasse, dann würden auch Arbeitsplätze verloren gehen, betonte der Studienautor. Ungeklärt sei zudem die Frage der Umsetzung.

„Ich spreche mich gegen zentralistische Vorgaben aus. Das 2,5-Hektar-Ziel ist weder evidenzbasiert noch fachlich erklärbar.“

Marco Tittler, Wirtschaftslandesrat

Darauf wies auch Fachgruppenobmann Günther Ammann hin. „Wer darf dann und wer nicht und wer entscheidet, was nach welchen Kriterien gebaut werden darf und was nicht?“ Für ihn ist die Forderung nach einer Deckelung des Flächenverbrauchs nicht durchdacht. Es gebe derzeit gute Kompensationsmöglichkeiten, so Ammann. Konkret nannte er etwa Nachverdichtung oder effiziente Nutzung von Abrissflächen.

Auch Tittler betonte, dass man in der Vorarlberger Raumplanungspolitik sorgsam mit Grund und Boden umgehe. Zudem sei Vorarlberg nicht mit anderen Bundesländern zu vergleichen. Der Landesrat wehrte sich auch gegen die „zentralistische Vorgabe“ des 2,5-Hektar-Ziels. Dieses sei zudem weder evidenzbasiert noch fachlich erklärbar. Tittler sieht Vorarlberg in der Balance zwischen ­wettbewerbsfähiger Wirtschaft und Naturschutz „gut unterwegs“.

Und auf noch etwas wies Kreutzer abschließend hin: „Auf der einen Seite wird leistbares Wohnen gefordert, auf der ­andere Seite eine Reduktion der Flächen. Da wird man sich entscheiden müssen, weil es da ­keine Kompromisslösung gibt.“