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Ein „zartes Pflänzchen“ für die Kindergärten

23.06.2024 • 10:00 Uhr
ABD0014_20240206 – D†SSELDORF – DEUTSCHLAND: ARCHIV – 18.04.2016, Nordrhein-Westfalen, DŸsseldorf: Spielzeug liegt in einer KindertagesstŠtte auf dem Boden. Kitas in NRW waren im vergangenen Jahr hŠufiger an regulŠren …ffnungstagen dicht – etwa wegen Krankheit oder Fortbildungen der Erzieherinnen und Erzieher (zu: ÇNRW-Kitas hŠufiger zu regulŠrer …ffnungszeit dichtÈ). (zu dpa: ÇNRW-Kitas hŠufiger zu regulŠrer …ffnungszeit dichtÈ) […]
Unterstützung für Kindergärten. DPA

Der Heilpädagogische Kindergarten als separierende Einrichtung wurde im letzten Jahr in einen Modellversuch umgewandelt und heuer evaluiert. Die Evaluation bleibt aber unter Verschluss.

Nachdem der Heilpädagogische Kindergarten der Kinder-Therapiestation Carina in Feldkirch vor acht Jahren nach einer Neukonzeptionierung der Heilpädagogik im Land geschlossen wurde, wanderte dieser unter der Trägerschaft der Stiftung Jupident zuerst in die Ausweichschule Dornbirn-Fischbach und dann in die Räumlichkeiten der Stiftung in Schlins. Im letzten Jahr wurde diese stationäre Einrichtung auch dort aufgelöst und in einen Modellversuch namens Jumi umgewandelt.

Heilpädagogik

„Jumi“ steht für „Mobile Kinderbildungs- und Betreuungseinrichtung für Inklusion und Integration“ und ist für Kindergartenkinder mit erhöhtem und besonders hohem Förderbedarf zwischen drei und sechs Jahren gedacht. Die heilpädagogischen Kräfte kommen nun also in den Kindergarten und die Kinder verbleiben im Sinne der Inklusion in ihrer gewohnten Einrichtung und werden nicht mehr extern separiert.

Das soll neben dem Inklusionsgedanken auch den Effekt mit sich bringen, dass die Kindergartenpädagoginnen vor Ort von diesem Angebot profitieren, in dem sie neue Methoden, neue Zu- und Umgänge mit den Kindern, als einzelne und im Gruppensetting, erfahren und implementieren können. Das Modell sieht auch die Einbeziehung der Eltern vor, in einem Erst-, einem Entwicklungs- und einem Schlussgespräch zusammen mit den Pädagoginnen.

Wo bleibt die Evaluation?

Schon bei der Vorstellung des Modellversuches im letzten Jahr durch das Land Vorarlberg, den Gemeindeverband und die Stiftung Jupident wurde eine Evaluierung nach dem ersten Jahr angekündigt. Auf Nachfrage wurde diese schon im Mai abgeschlossen und in Teilen der Stiftung zur Verfügung gestellt. Die vollständige Evaluation bekam aber weder die Stiftung noch wurde sie uns auf Nachfrage offengelegt. Das verwundert dann doch einigermaßen, denn die Jumi-Maßnahme wird durch das Land Vorarlberg, den Sozialfonds und die Gemeinden finanziert. Landesrätin Martina Rüscher verweist in einer schriftlichen Stellungnahme, gemeinsam mit der Landesstatthalterin Bettina Schöbi-Fink, lediglich darauf, dass das Jumi-Projekt sehr gut angenommen wurde und sich in der Praxis als äußerst hilfreich erwiesen hätte, sie auf dem richtigen Weg seien und das Angebot als Modellversuch weiterführen werden.

Heilpädagogischer Kindergarten
Manfred Ganahl, Geschäftsführer der Stiftung Jupident. ARCHIV

Stiftung Jupident äußert sich

Die Leitung der Fachaufsicht für das Kindergartenwesen, Silvia Roth, lässt gleichlautend die Landespressestelle antworten und geht auch nicht auf die konkreten Fragen ein. Lediglich die Stiftung Jupident, mit Manfred Ganahl als Geschäftsführer und Michaela Müller als Verantwortliche, war für ein Gespräch bereit, jedoch, ohne dass ihnen die Gesamtvaluierung vorlag. Das ist dann doch seltsam. Laut Stiftung Jupident sind in einem Vollausbau des Modells acht Vollzeitkräfte (eine in Leitungsfunktion) mit einer sonderpädagogischen oder vergleichbaren Ausbildung vorgesehen und würden rund 800.000 Euro an finanziellen Mitteln benötigen.

Kinderzahl überschaubar

Laut Stiftung wurden im ersten Kindergartenjahr, von September bis April, in 20 Kindergärten 22 Kinder „aufgenommen“ und 18 tatsächlich begleitet. Wobei eine Begleitung grundsätzlich 20 Besuche, beziehungsweise Halbtage, umfasst und um zehn Besuche erweitert werden kann. Dazu gesagt werden muss allerdings, dass es der Stiftung bisher nicht gelungen ist, die ausgebildeten Pädagoginnen am ausgedünnten Arbeitsmarkt zu finden. Die Leitung konnte zwar mit 1. September 2023 mit einem Vollzeitäquivalent besetzt werden, aber nur mit zwei weiteren Pädagoginnen für die Arbeit vor Ort in den Kindergärten. Im Jänner konnte eine weitere pädagogische Fachkraft gefunden werden und seit Februar sind es 3,8, statt sieben Vollzeitäquivalente in der pädagogischen Arbeit. Es fehlt also noch fast die Hälfte an Fachpersonen für die Umsetzung dieses Modells. Auf alle Fälle koste dieses Modell etwa gleich viel wie der stationäre Heilpädagogische Kindergarten bisher, sei aber deutlich effizienter, erklärt Manfred Ganahl. Statt früher elf Kinder im stationären Modell, seien jetzt mit eingeschränktem Personalstand bis April schon 22 Kinder „aufgenommen“ worden.

Heilpädagogischer Kindergarten
Der ehemalige Heilpädagogische Kindergarten. Archiv

Kritische Stimmen

Da die Evaluierung nicht vorliegt, kann weder auf Kritikpunkte darin verwiesen werden noch auf Verbesserungsvorschläge, die dort wohl enthalten sein sollten. Aus den Fragen, die von den Abteilungen für Soziales und Integration einerseits, und für Elementarpädagogik, Schule und Gesellschaft andererseits, an die Stiftung Jupident weitergeleitet wurden, wird zwar „generell“ von einem „ausschließlich positiven Feedback“ berichtet, dass die Fachkräfte der Kinderbildungs- und Kinderbetreuungseinrichtungen mit Kindergartengruppen bisher aber „wenig bis keine Kenntnisse von Jumi haben“. Es gebe eine Hemmschwelle der Pädagoginnen, mit der pädagogischen Fachaufsicht, der ehemaligen Kindergarteninspektion, in Kontakt zu treten, was aber zwingend ist, um das Jumi-Angebot in Anspruch zu nehmen. Hier sei ein regelmäßiger Austausch für eine gelingende Zusammenarbeit notwendig.

Angefordert werden muss Jumi über die Gemeinden und die müssen auch 20 Prozent der Personalkosten übernehmen, weshalb Jumi manchmal aus finanziellen Gründen nicht zum Einsatz komme. Zudem sei es nicht immer möglich, dass pädagogische Fachkräfte aus Ressourcengründen mit der Jumi-Fachkraft zusammenarbeiten könnten, was aber für längerfristige Lerneffekte notwendig wäre. In Einzelfällen gebe es Aussagen, dass die Kindergartenpädagoginnen eine Herausnahme aus der Stammgruppe hilfreicher fänden und sich so in der Umsetzung der Jumi-Methoden und deren Haltung zurückhaltend zeigten. Auch gebe es in Einzelfällen Erziehungsberechtigte, die Jumi ablehnten. Deren Einverständnis ist wiederum zwingend, um mit Jumi einzusteigen.

Und wie weiter?

Aus juristischen Gründen sei Jumi weiter nur als Modellversuch befürwortet worden. Manfred Ganahl ist von Jumi sehr überzeugt und verweist darauf, dass es „in fast allen Fällen“ gelungen sei, die Kolleginnen in den Kindergärten zu entlasten und das Modell habe unheimlich viel Potenzial. Das Konzept, die Abläufe und Kooperationen würden weiter ständig evaluiert und optimiert werden. Jumi soll durch geeignete PR-Maßnahmen bekannter werden und „die Zeit und die Erfolge“ würden für dieses Angebot „arbeiten“, so der Geschäftsführer Manfred Ganahl.
Vielleicht ist es noch zu früh, dieses Modell abschließend zu bewerten, wofür die Evaluierung dienen würde. Dass neue Modelle Adaptierungen nach deren Einführung brauchen, ist keine Seltenheit, sondern die Regel. Aber dass mit den Informationen so gehaushaltet wird und eine Evaluierung des Amtes der Vorarlberger Landesregierung nicht anonymisiert oder zusammenfassend vorgelegt wird, ist befremdlich. Viel eher wäre nach einem Jahr wieder eine Pressekonferenz mit den Evaluierungsergebnissen, den Verbesserungsmaßnahmen und der Bekanntgabe der Verlängerung des Modellversuchs zu erwarten gewesen.

Rückmeldungen fehlen

So fehlen auch Rückmeldungen von Gemeindeseite, von Kinderpädagoginnen und deren Leitungen, von Eltern und auch von Kinderseite. Aber vielleicht kommen diese noch, und aus dem „zarten Pflänzchen“ wird ein stabiler Baum zum Wohle der Kinder, Eltern und Pädagoginnen, die diesen zusätzlichen Halt brauchen. Je früher Auffälligkeiten entdeckt und aktiv angegangen werden, desto größer ist die Erfolgswahrscheinlichkeit und desto weniger verlagern sich diese Auffälligkeiten in die folgenden Jahre und Institutionen, wie die Schule. Der Kindergarten ist die erste Bildungsinstitution, wo das auch geleistet werden kann und auch geleistet werden soll. Jumi muss aber doch erst noch öffentlich zeigen, ob es hier seinen Beitrag leistet. Zu wünschen wäre es. Dann bräuchte es auch die Geheimniskrämerei von Landesseite nicht.

Kurt Bereuter