Causa Wirtschaftsbund: Verfahren dreht weitere “Ehrenrunde”

Auch im Ermittlungsverfahren rund um die Inseratenaffäre des Vorarlberger Wirtschaftsbunds gilt jene Berichtspflicht, die jüngst von der Pilnacek-Kommission kritisiert wurde. Der Akt lag mehrere Monate im Justizministerium. Eine Entscheidung ist aber nach wie vor nicht in Sicht.
Der Antikorruptionsexperte Martin Kreutner hat der österreichischen Justiz am Montag ein vernichtendes Zeugnis im Umgang mit sogenannten clamorosen Fällen ausgestellt. „Nach dem Schulnotensystem liegen wir bei 4 bis 5. Das ist auch der Grund, warum wir heute nicht mehr EU-fähig wären“, sagte der Jurist in der „ZIB 2“. Kreutner leitete bekanntlich die vom Justizministerium eingesetzte Kommission, die die politischen Interventionen in der Amtszeit des verstorbenen Ex-Sektionschefs Christian Pilnacek untersuchte.

Berichtspflicht
Clamor ist lateinisch und bedeutet Lärm. Wenn also brisante Ermittlungen mit medialem Wirbel einhergehen, will das Justizministerium wissen, was die jeweilige Staatsanwaltschaft vorhat. Geregelt sind die Berichtspflichten in aufsehenerregenden Fällen zum einen im Staatsanwaltschaftsgesetz, zum anderen in einem gesonderten Erlass des Justizministeriums. Danach haben die Staatsanwaltschaften über Strafsachen, „an denen wegen der Bedeutung der aufzuklärenden Straftat oder der Funktion des Verdächtigen im öffentlichen Leben ein besonderes öffentliches Interesse besteht, von sich aus der jeweils übergeordneten Oberstaatsanwaltschaft zu berichten“. Diese wiederum hat die Berichte der Staatsanwaltschaften samt eigener Stellungnahme dem Justizministerium vorzulegen.
Die Pilnacek-Kommission berichtete in diesem Zusammenhang unter anderem von mutmaßlich bewusst verschleppten Verfahren. So seien im Zusammenhang mit einer politisch prominenten Causa Schlagworte wie „eine Ehrenrunde drehen“ oder „Spiel auf Zeit“ aufgetaucht, aus Angst um die Koalitionsräson.

Vier Beschuldigte
Eine weitere Ehrenrunde dreht, wenn man so will, auch das Ermittlungsverfahren in der Vorarlberger Wirtschaftsbund-Inseratenaffäre. Wie berichtet, beschäftigt sich die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) seit mehr als zwei Jahren mit dem brisanten Fall, der im Zuge einer Steuerprüfung beim Wirtschaftsbund Vorarlberg seinen Anfang nahm.

Während die Ermittlungen wegen des Verdachts der Vorteilsnahme gegen Landeshauptmann Markus Wallner und Wirtschaftslandesrat Marco Tittler im vergangenen Jahr eingestellt wurden, warten vier Beschuldigte nach wie vor auf eine Entscheidung der WKStA. Dabei handelt es sich um Tittlers Vorgänger Karlheinz Rüdisser, den ehemaligen Wirtschaftsbundobmann Hans Peter Metzler, der auch Präsident der Wirtschaftskammer Vorarlberg war, sowie um Ex-Wirtschaftsbunddirektor Jürgen Kessler und dessen Vorgänger Walter Natter.

Akt auf langer Reise
Im März dieses Jahres hatte die WKStA ihre Entscheidung, ob Anklage gegen einen oder mehrere Beschuldigte erhoben oder einzelne Verfahren eingestellt werden, an die Oberstaatsanwaltschaft Wien übermittelt. Kurz darauf wanderte der Akt – wie gesetzlich vorgeschrieben – ins Justizministerium, wo er bis vor Kurzem, also rund vier Monate, lag.
Ergänzender Bericht gefordert
Inzwischen liegt der Ball wieder bei der WKStA, doch ein Verfahrensergebnis lässt weiter auf sich warten. Behördensprecher und Oberstaatsanwalt René Ruprecht kennt den Grund. Auf NEUE-Anfrage teilt er mit: „Wir haben in dieser Causa vor Kurzem einen Auftrag zur ergänzenden Berichterstattung erhalten.“ Das kann zum Beispiel bedeuten, dass die WKStA eine rechtliche Beurteilung näher erläutern muss. Details nannte Ruprecht mit Verweis auf das laufende Verfahren nicht. Auch zur Frage, ob die Anordnung von der zuständigen Oberstaatsanwaltschaft oder vom Justizministerium kommt, wollte sich der Sprecher nicht äußern. Klar dürfte hingegen sein, dass es wieder mehrere Monate dauern wird, bis die ergänzenden Informationen vorliegen und die Oberstaatsanwaltschaft bzw. in weiterer Folge das Justizministerium grünes Licht für den Erledigungsvorschlag der WKStA geben.

Auch Finanzstrafverfahren ist noch anhängig
Andere Staatsanwaltschaft, gleiche Baustelle: Auch die Staatsanwaltschaft Feldkirch beschäftigt sich seit 2022 mit der Wirtschaftsbundaffäre, allerdings ausschließlich mit finanzstrafrechtlichen Vorwürfen. Auch dieses Verfahren läuft noch, wie Pressesprecher Heinz Rusch auf Anfrage mitteilt.
Ermittelt wird unter anderem wegen des Verdachts der vorsätzlichen Abgabenhinterziehung. Die Ermittlungen richten sich wiederum gegen die ehemaligen Wirtschaftsbunddirektoren Jürgen Kessler und Walter Natter sowie gegen Hans Peter Metzler, einst Wirtschaftsbundobmann und früherer Präsident der Wirtschaftskammer Vorarlberg.

Die Vorgeschichte
Auslöser der langwierigen Ermittlungen war, wie bereits erwähnt, eine Steuerprüfung des Vorarlberger Wirtschaftsbundes. Im Zuge der Prüfung traten sowohl Metzler als auch Kessler zurück. Der Wirtschaftsbund Vorarlberg hatte im Zusammenhang mit der Steuerprüfung eine Selbstanzeige erstattet und sich damit gerechtfertigt, eine neue Rechtslage „übersehen“ zu haben, während die Prüfer von einer vorsätzlichen Hinterziehung ausgingen.

Als Ergebnis der mehr als achtmonatigen Betriebsprüfung, die sich vor allem mit den Abgaben für Inserate in der Publikation „Vorarlberger Wirtschaft“ befasste, musste die ÖVP-Teilorganisation rund 484.000 Euro an Umsatzsteuer, 388.000 Euro an Körperschaftssteuer sowie rund 106.000 Euro an Zuwendungsabgabe für die Jahre von 2016 bis 2021 nachbezahlen. Im Zuge der Erhebungen waren auch jene Korruptionsvorwürfe laut geworden, die nun schon so lange untersucht werden