Wann ist eine Frau eine Frau?

Die Boxerin Imane Khelif ist in aller Munde. Sie soll überdurchschnittlich viel Testosteron haben. Reinhold Bilgeri erinnert der Fall an eine alte Geschichte. Der LGBTQIA+ Community in Vorarlberg bereitet die Diskussion große Sorgen.
Ihren berühmtesten Boxkampf gewann sie nach 46 Sekunden. Die Rede ist von Imane Khelif. Der Sieg der algerischen Boxerin ging um die Welt und brach eine hitzige Debatte vom Zaun. Für die einen geht es um faire Regeln im Wettkampf, andere sehen einen sexistischen Angriff. Eine klare Lösung ist gefragt. Doch nicht nur die Wertungen gehen auseinander. Sogar die Sachlage ist strittig. So auch in Vorarlberg.
Umstrittener Ausschluss
Im März 2023 wurde Khelif von der Internationalen Boxing Association (IBA) ausgeschlossen. Sie soll einen überdurchschnittlich hohen Testosteronwert aufweisen und damit einen unfairen Vorteil gegenüber anderen Sportlerinnen haben. Daher steht die Vermutung im Raum, dass es sich bei der Algerierin um eine intersexuelle Person handelt. Das Olympische Komitee zweifelt das an und ließ die Boxerin kämpfen.

Schmerzhafte Diskussion
Fynn Kirchner, Obmensch von GoWest, findet das gut: „Khelif wurde bei ihrer Geburt ein weibliches Geschlecht festgelegt und mit diesem identifiziert sie sich auch. Daher ist sie keine Trans- oder Intersexperson. Die Kriterien der Weiblichkeit sind konstruiert und werden nicht von allen Frauen erfüllt.“ Für viel Transmenschen im Land sei die Diskussion sehr schmerzhaft. Sie würden zweifeln, ob die Fortschritte in ihrem Kampf um Anerkennung wirklich nachhaltig waren, gesteht der 26-Jährige.
Erik wurde Skiweltmeisterin
Ganz anders sieht das Reinhold Bilgeri. Vor sechs Jahren kam sein Film „Erik & Erika“ in die Kinos. Dieser erzählt die Geschichte von Erik Schinegger, der 1966 Skiweltmeisterin im Abfahrtslauf wurde. Damals hieß der Kärntner noch Erika und begriff sich als Frau. 1968 hat eine Untersuchung festgestellt, dass sie nach einen nach innen gewachsenen Penis und Hoden hat. Diese wurden bei der Geburt übersehen, weshalb man dachte, er sei ein Mädchen. „Als ich den Boxkampf sah, musste ich an Erik denken. Der Unterschied ist nur, dass er von Anfang an ein Mann war. Daher war es nicht fair, dass er gegen Frauen antrat“, erinnert sich der 74-Jährige zurück. Schinegger unterzog sich in Folge der Entdeckung einer Operation und nahm den Namen Erik an. Seine Sportkarriere ging damit zu Ende. Bilger glaubt, dass es sich bei Khelif um eine Intersex-Person handelt. Dabei stützt er sich auf die Untersuchung der Boxvereinigung und Aussagen des Hormonexperten Prof. DDr. Johannes Huber. „Bei ihr wurde festgestellt, dass sie die Chromosomen eines Mannes hat. Ihr hoher Testosteronspiegel ist auch entscheidend. Der Stoff ist wichtig für den Muskelaufbau und die Durchblutung. Sie hätte also nicht antreten dürfen“, klagt der Regiseur. Auf Dauer müsse sich das Olympische Komitee überlegen, wie es Chancengleichheit garantiert. Es sei, wie wenn ein Schwergewicht gegen ein Fliegengewicht antrete.


Von groß und klein
Diese Frage beschäftigt auch Fabienne Moosbrugger. Die 28-Jährige ist homosexuell und spielt seit 2007 Handball. Für sie wäre ein Ausschluss der falsche Weg. „In mir schlagen zwei Herzen. Es soll sportlich, aber auch menschlich zugehen. Olympia hat eine Vorbildwirkung für die ganze Welt“ zeigt sich Moosbrugger besorgt. Im Sport spielen körperliche Unterschiede eine große Rolle. Diese reduzieren sich aber nicht auf das Geschlecht: „Ich bin 1,65 Meter groß. Spielerinnen mit einer höheren Statur sind mir gegenüber klar im Vorteil. Egal wie viel ich trainiere.“ Eine eigene Liga für trans- oder intersexuelle Personen wäre für sie der falsche Weg. Die Handballerin hat aber einen anderen Vorschlag, wie Fairness im Sport ohne Ausschluss gewährt bleiben kann: „Vielleicht könnte die Kategorie Geschlecht generell hinterfragt werden und viel stärker nach körperlichen Fähigkeiten wie z.B. nach Schlagkraft, Gewicht, Größe, Knochendichte usw. eingeteilt werden?“
