Hans-Peter Lorenz ist seit 2000 Geschäftsführer der Vogewosi. Im Juli 2026 verabschiedet er sich in den Ruhestand.Stiplovsek
Vogewosi-Geschäftsführer Hans-Peter Lorenz über die Herausforderungen des gemeinnützigen Wohnbaus, die offene Zukunft der Südtirolersiedlung in Hard und warum er die Vorstellungen mancher Architekten mehr als kritisch sieht.
Sie sind selbst in einer Vogewosi-Siedlung aufgewachsen und seit 1987 im Unternehmen. Wie hat sich Ihre Sicht auf das gemeinnützige Wohnen in dieser Zeit verändert? Hans-Peter Lorenz: Als Bub habe ich das Gemeinnützige eher negativ erlebt. Wir haben in einer Siedlung in Nüziders gewohnt. Für mich war das damals eine stigmatisierte Umgebung. Ich war zwar ein guter Schüler, hatte aber immer das Gefühl: Ich komme vom Block. Heute sehe ich die Gemeinnützigkeit natürlich als wichtiges Korrektiv am Wohnungsmarkt. Was mich stört, ist die Außensicht. Dieses Bild, dass gemeinnütziger Wohnbau etwas Minderwertiges sein soll. Wir bauen mittlerweile in sehr guter Qualität. Klar, unsere Hauptaufgabe ist es, für sozial Schwächere da zu sein. Aber auch der Mittelstand soll im gemeinnützigen Wohnbau Platz finden – und tut das auch.
Wie gelingt Ihnen diese Durchmischung? Lorenz: Die Wohnbauförderung erlaubt seit einigen Jahren, dass bis zu 25 Prozent der Wohnungen an Haushalte mit mittlerem Einkommen vergeben werden. Das habe ich jahrelang gepredigt. In der Praxis klappt das aber nicht immer. Denn wir haben insgesamt weniger Mittelstand. Es gibt quasi ein Loch zwischen den schwächeren und den stärkeren Haushalten.
Hans-Peter Lorenz wuchs selbst in einer Vogewosi-Wohnanlage auf. Stiplovsek
Inwiefern haben sich die Ansprüche der Menschen an eine gemeinnützige Wohnung geändert? Lorenz: Die Ansprüche sind gestiegen, manchmal bis ins Befremdliche. Unsere Neubauten haben eine sehr gute Qualität, trotzdem wird sofort reklamiert, wenn eine Wand nicht ganz gerade ist oder eine Sockelleiste schief sitzt. Auch über Dinge wie die Lage eines Spielplatzes wird diskutiert. Dieses hohe Anspruchsdenken ist mitunter ärgerlich, weil wir alles daransetzen, gute und leistbare Wohnungen zu schaffen.
Gibt es eigentlich viel Stunk in den Anlagen? Lorenz: Probleme gibt es immer wieder. Die klassischen Themen sind zwischenmenschlich: Lärm, besonders Kinderlärm, und kulturelle Spannungen. In kleineren Anlagen ist das oft leichter zu handhaben, wobei es auch Ausnahmen gibt. In einer kleinen Wohnanlage mitten in einem Dorf im Oberland hat etwa eine Bewohnerin innerhalb weniger Monate ihre Wohnung völlig demoliert. Früher gab es Fälle, in denen Bewohner sogar das Parkett herausgerissen haben, um damit zu heizen.
Südtirolersiedlung in Hard. Vol.at
Die Bewohner der Südtirolersiedlung in Hard scheinen aktuell sehr verunsichert zu sein, wie es mit der Anlage weitergeht. Es sollen 16 Wohnungen leer stehen. Man befürchtet einen Abriss. Können Sie das ausschließen? Lorenz: Einen Abriss kann ich nicht ausschließen. Wir wissen noch nicht, ob es auf eine Totalsanierung, eine Teilsanierung mit Teilabbruch oder einen kompletten Abriss hinausläuft. Fest steht nur: Irgendetwas muss passieren. Wir haben die Bewohner deshalb auch vor ein paar Jahren dahingehend informiert.
Aber die Vogewosi plant doch Jahre im Voraus. Müssten Sie nicht längst wissen, wohin die Reise geht? Lorenz: Nein, das ist in diesem Fall noch offen. Derzeit liegt das Projekt auf Eis. Deshalb werden leer gewordene Wohnungen nicht mehr nachbesetzt und auch nicht mehr saniert. Denn jede einfache Wohnungssanierung würde rund 15.000 Euro kosten, das Geld brauchen wir für eine spätere Gesamtlösung. Mietverträge verlängern wir nur noch auf drei Jahre, um flexibel zu bleiben. Aber eines ist klar: Niemand wird hinausgeworfen. Wenn etwas geschieht, bieten wir den Bewohnern Ersatzwohnungen an.
Hans.Peter Lorenz. Stiplovsek
Aber Sie haben das sicher durchgerechnet. Worauf läuft es eher hinaus: Auf Sanierungen oder doch auf Neubauten? Lorenz: Da spielen mehrere Faktoren mit. Aber wenn man alte Siedlungen wirklich zeitgemäß revitalisieren will, führt wahrscheinlich am Abbruch kein Weg vorbei. Die Sanierung kostet mehr als ein Neubau. Und die Qualität, die am Ende herauskommt, ist nicht annähernd so gut wie bei einem Neubau: Der Schallschutz bleibt schlecht, Barrierefreiheit fehlt, die Grundrisse sind kaum veränderbar. Und ganz ehrlich: Wie kann man es den Bürgern zumuten, mit unglaublich hohen öffentlichen Mitteln schlechtere Qualität zu fördern und diese Mittel nicht in andere Bereiche zu investieren? Was mich ärgert, ist die romantische Sichtweise mancher Architekten. Sie sprechen von der Jugend, die viele dort verbracht haben, und vom Charme der Siedlungen. Ja sicher, von außen, vielleicht noch mit der Drohne von oben, sieht das alles idyllisch aus. Aber innen kracht es an allen Ecken, die Substanz ist schlecht und es riecht modrig. Am Ende ziehen dort meist nur noch Menschen ein, die keine andere Wahl haben. Das wollen wir nicht. Wir haben den Auftrag, ordentlich durchmischte Siedlungen zu errichten.
Seit April gibt es mit dem Vorarlberger Siedlungswerk einen vierten gemeinnützigen Bauträger. Was bedeutet das für die Vogewosi? Lorenz: Es belebt das Geschäft. Die spannende Frage ist nicht, was gebaut wird, sondern wie die Verwaltung funktioniert, denn dafür haben die ja nicht das Personal. Das wäre eventuell ein Thema für die anderen gemeinnützigen Bauträger. Ob wir das machen können, hängt von unseren Kapazitäten ab. Grundsätzlich gilt: Wenn die Nachfrage da ist, ist ein vierter Anbieter zu begrüßen. Wenn nicht, muss man die Sinnhaftigkeit hinterfragen. Das lässt sich derzeit noch nicht beurteilen.
Eine Wohnungsnot sehe ich überhaupt nicht. Oftmals nicht einmal einen Wohnungsbedarf. Aber wenn man nur aus einer alten in eine schönere Anlage ziehen will, ist das weder Not noch Bedarf, sondern ein Wohnungsverbesserungswunsch.
Hans-Peter Lorenz
Die Nachfrage müsste ja mehr als da sein, zumindest wenn man die Opposition so hört. Lorenz: In manchen Gemeinden gibt es Bedarf, in anderen weniger. Die Nachfrage ist jedenfalls nicht so groß, wie es manche behaupten.
Aber in der Öffentlichkeit ist immer wieder von Wohnungsnot die Rede? Lorenz: Eine Wohnungsnot sehe ich überhaupt nicht. Oftmals nicht einmal einen Wohnungsbedarf. Ein echter Bedarf ist, wenn beispielsweise beengte Wohnverhältnisse vorliegen, die bestehende Wohnung sehr teuer ist oder jemand eine barrierefreie Wohnung braucht. Aber wenn man nur aus einer alten in eine schönere Anlage ziehen will, ist das weder Not noch Bedarf, sondern ein Wohnungsverbesserungswunsch.
Was heißt das für die Gesamtzahl an gemeinnützigen Wohnungen? Lorenz: Wenn wir 11.000 Wohnungen in fünf Jahren bauen würden, so wie es die SPÖ gefordert hat, würde das die Baukosten nur weiter in die Höhe treiben. In Vorarlberg ist der Markt abgeschottet. Mehr Nachfrage nach Bauleistungen bedeutet automatisch höhere Preise. Darum halte ich 500 bis 600 Wohnungen im Land für ausreichend.