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Sparmaßnahmen sind große Herausforderung

20.09.2025 • 11:00 Uhr
Sparmaßnahmen sind große Herausforderung
Der neue Geschäftsführer Wolfgang Grabher. Dietmar Stiplovsek

Seit 1. Juli ist Wolfgang Grabher offiziell neuer Geschäftsführer der Kaplan Bonetti gemeinnützigen GmbH in Dornbirn. Der 36-Jährige über seine ersten Wochen, Vorstellungen und die geplanten finanziellen Kürzungen seitens des Landes.

Das Kaplan-Bonetti-Haus, früher bekannt als „Haus der jungen Arbeiter“, prägt Dornbirn seit Jahrzehnten. Sie sind hier aufgewachsen – haben Sie das schon als junger Mensch wahrgenommen?
Wolfgang Grabher: Ja. Ich bin im Rohrbach groß geworden und kam schon auf dem Schulweg oft am Haus vorbei. Kaplan Bonetti war damals eine prägende Persönlichkeit in Dornbirn, besonders im Rohrbach.

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Wolfgang Grabher im Gespräch mit der NEUE am Sonntag. Stiplovsek

Heute sind Sie Geschäftsführer dieser großen Einrichtung. Was bedeutet das für Sie persönlich?
Grabher: Es ist einerseits eine große Ehre, die Leitung übernehmen zu dürfen. Andererseits ist es eine Herausforderung, mit dieser langen Geschichte verantwortungsvoll umzugehen. Unsere drei Bereiche – Beratung, Wohnen und Arbeit – greifen ineinander. So decken wir Themen von Wohnungslosigkeit bis zur Integration in den Arbeitsmarkt ab. Diese Verbindung ist ein besonderes Merkmal unserer Institution.

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Sie bringen viel Erfahrung aus Psychologie, Gesundheitsmanagement und Suchtarbeit mit – stationär wie ambulant. Zuletzt leiteten Sie die Drogenberatungs- und Abgabestelle Clean in Bregenz.
Grabher: Die Arbeit in der Suchtberatung ist ein Vorteil, weil wir auch eine suchtakzeptierende Einrichtung sind. Es hilft, Verständnis für die Menschen und ihre Erkrankungen mitzubringen. Wohnungslosenhilfe ist zwar verwandt, aber nicht gleichzusetzen. Trotzdem gibt es viele Überschneidungen, gerade im psychosozialen Bereich. Meine Erfahrungen helfen mir, die neue Funktion gut auszufüllen – auch wenn es natürlich noch einiges zu lernen gibt.

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Ihre Vorgängerin Cornelia Matt, die die Einrichtung seit 2018 leitete und nun in Pension ging, hat Sie zu Beginn noch unterstützt.
Grabher: Das war ein großer Vorteil. Ich konnte viele Fragen stellen: Warum wurden Abläufe so definiert? Welche Gründe gab es dafür? Und was macht Sinn, beizubehalten oder anzupassen? Dieser Austausch hat mir den Start erleichtert.

Zur Person

Wolfgang Grabher wurde am 4. Oktober 1988 in Dornbirn geboren. Er studierte Psychologie in Innsbruck und erwarb an der WU Wien ergänzend einen MBA in Health Care Management. Beruflich verfügt Grabher über mehr als zehn Jahre Erfahrung in Psychologie, Gesundheitsmanagement und der Arbeit mit Suchterkrankungen, sowohl im stationären als auch im ambulanten Bereich. Seit 2018 war er in leitenden Funktionen tätig, zuletzt als Leiter der Drogenberatungsstelle und der Abgabestelle Clean in Bregenz. Privat ist der zweifache Familienvater verheiratet und lebt mit seiner Familie in Dornbirn.

Seit 2009 ist das Kaplan-Bonetti-Haus eine niederschwellige, suchtakzeptierende Einrichtung der Wohnungslosenhilfe. Neben den Wohnprojekten gibt es auch Beratung und Arbeitsprojekte. Können Sie das kurz skizzieren?
Grabher: Unsere drei Bereiche sind eng miteinander verbunden. In den Wohnprojekten bieten wir 96 Plätze – im Haupthaus und in Wohngemeinschaften. Für manche Menschen ist das oft die letzte Option, um nicht auf der Straße zu landen. Unser Motto lautet: „So kurz wie möglich, so lange wie nötig.“ Ziel ist immer, die Menschen zurück in den regulären Wohnungsmarkt zu begleiten, vor allem in den gemeinnützigen Wohnbau. Die Beratungsstelle hilft etwa bei drohenden Delogierungen, bei der Suche nach leistbarem und geeignetem Wohnraum oder bei diversen Anträgen. Ziel ist es, Wohnraumverlust zu verhindern. In den Arbeitsprojekten beschäftigen wir langzeitarbeitslose Menschen, die vom AMS zugewiesen werden. Wobei das Spektrum sehr weitreichend ist. Damit unterstützen wir Menschen auf dem Weg in den regulären Arbeitsmarkt.

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Im Haupthaus am Bahnhof stehen 64 Wohnplätze zur Verfügung. Stiplovsek

Wie stark sind die Wohnplätze ausgelastet?
Grabher: Sehr stark – die Auslastung liegt speziell in den letzten Jahren bei über 90 Prozent. Im Haupthaus beim Bahnhof haben wir 64 Plätze, darunter einen eigenen Stock für Frauen. Weitere 32 Plätze bieten wir in Wohngemeinschaften.

Altersgruppen?
Grabher: Wir nehmen Menschen ab 18 Jahren auf – das kann jemand mit 20 sein, aber auch mit 70 oder 85. Wichtig ist, dass sie weitgehend selbstständig bleiben können. Bei höherem Pflegebedarf arbeiten wir mit dem Case Management der Stadt zusammen.

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Gibt es zeitliche Begrenzungen?
Grabher: Grundsätzlich nicht. Früher waren Aufenthalte oft sehr lang, heute versuchen wir, die Menschen so gut wie möglich zu unterstützen, damit sie wieder in eine eigene Wohnung ziehen können – idealerweise im gemeinnützigen Wohnbau.

Leistbarer Wohnraum wird in Vorarlberg immer mehr zum zentralen Thema. Wie wirkt sich das auf Sie aus?
Grabher: Stark. Die Arbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe, in der wir vertreten sind, fordert mehr gemeinnützigen Wohnbau. Viele unserer Klienten können die hohen Mieten am privaten Markt nicht bezahlen. Deshalb braucht es angepasste Unterstützungsleistungen und indexierte Wohnbedarfsrichtsätze.

Die Kaplan Bonetti gemeinnützige Gmbh

Das Kaplan Bonetti Haus wurde im Jahr 1957 als Haus der jungen Arbeiter eröffnet. Emil Bonetti leitete das Haus als Geschäftsführer. 134 junge Kärntner und Steirer fanden Unterkunft und Verpflegung. Aus der Unterkunft für junge Menschen entwickelte sich über Jahrzehnte eine zentrale Einrichtung für Wohnungslose und Armutsgefährdete. Ab den 1990er-Jahren kamen Arbeits- und Beschäftigungsprojekte hinzu, 2009 die Beratungsstelle und vielfältige soziale Angebote. Heute ist die Kaplan Bonetti gGmbH ein Ort der Begegnung mit Fokus auf Menschen, die – aus welchen Gründen auch immer – in Wohnungsnot und/oder Arbeits- bzw. Beschäftigungslosigkeit geraten sind und mit Existenzfragen konfrontiert sind.

Sie führen ein Team von rund 50 Mitarbeitenden. Wie wollen sie dieses stärken?
Grabher: Unsere Arbeit ist anspruchsvoll. Daher ist es wichtig, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gute Rahmenbedingungen haben. Fortbildungen, Sicherheit, Deeskalationstrainings, aber auch psychosoziale Unterstützung spielen eine Rolle. Gleichzeitig achten wir darauf, attraktiv für neue Fachkräfte zu bleiben.

Schwerpunkte für die Zukunft?
Grabher: Eine große Herausforderung ist derzeit die vom Land geplanten Sparmaßnahmen – wie diese für uns genau aussehen, werden wir im Herbst erfahren. Gleichzeitig wollen wir unsere bisherigen Schwerpunkte weiterentwickeln: frühzeitig Bedarfe erkennen, Trends sehen und proaktiv handeln. Auch in den Arbeitsprojekten braucht es neue Konzepte, da die Zahl der Langzeitarbeitslosen steigt. Wir brauchen längerfristige Beschäftigungsmöglichkeiten – zwei bis drei Jahre –, um Menschen wieder fit für den ersten Arbeitsmarkt zu machen.

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Der neue Geschäftsführer an seinem Arbeitsplatz. Stiplovsek

Der Bahnhof, euer direkter „Nachbar“, ist immer wieder ein Thema. So wurde das Waffenverbot erneut verlängert. Wie sind Sie eingebunden?
Grabher: Wir sind in regelmäßigem Austausch mit Stadt und Polizei. Auch andere soziale Einrichtungen sind eingebunden. Der Bahnhof ist objektiv ein sicherer Ort, auch wenn das subjektive Sicherheitsgefühl manchmal ein anderes ist. Es ist einer der größten Bahnhöfe Vorarlbergs – und bei dieser Frequenz passiert eigentlich erstaunlich wenig. Natürlich ist jeder einzelne Zwischenfall einer zu viel. Gleichzeitig beteiligen wir uns an Initiativen wie „Kultur am Bahnhof“, die zeigen: Der Bahnhof ist ein Ort, an dem man sich sicher fühlen kann.

Gab es in Ihren ersten Wochen als Geschäftsführer schon Begegnungen, die Sie besonders berührt haben?
Grabher: Viele. Mein Büro ist direkt im Wohnhaus, da ergeben sich täglich Begegnungen mit Bewohnern – beim gemeinsamen Essen oder einfach beim Grüßen. Besonders bewegend ist es, wenn man bei Neuaufnahmen sieht, dass Menschen kurz vor der Obdachlosigkeit hier eine Unterkunft finden. Aber auch in den Arbeitsprojekten, wenn langzeitarbeitslose Menschen wieder in Beschäftigung kommen. Es sind nicht die großen, sondern die vielen kleinen Momente, die täglich zeigen, warum unsere Arbeit so wichtig ist.