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„Schritt zur Gründung eines eigenen Büros bleibt für viele Frauen eine hohe Schwelle“

13.12.2025 • 22:30 Uhr
Verena Konrad, vai
Verena Jakoubek-Konrad. Todorovic

Verena Jakoubek-Konrad, Direktorin des Vorarlberger Architekturinstituts (vai) über die Sichtbarkeit von Architektinnen, Rollenbilder und den schwierigen Weg in die Selbstständigkeit.

Wie schätzen Sie die aktuelle Situation selbstständiger Architektinnen in Vorarlberg ein?
Verena Jakoubek-Konrad: Die Ausgangslage bleibt zunächst widersprüchlich: Ein hoher Frauenanteil im Architekturstudium steht einer vergleichsweise geringen Zahl selbstständiger Architektinnen gegenüber. Zwar hat sich die Situation in den letzten Jahren graduell verändert – Präsenz, Sichtbarkeit und die Vielfalt beruflicher Modelle in Form der Flexibilisierung des Arbeitsalltags haben zugenommen –, doch der Schritt zur Gründung eines eigenen Büros bleibt für viele Frauen eine hohe Schwelle.

Was hält Architektinnen davon ab, ein eigenes Büro zu gründen?
Jakoubek-Konrad: Die Gründung eines Architektur- oder Planungsbüros ist keine Frage des Geschlechts, sondern eine unternehmerische Entscheidung. Sie ist, wie jede Gründung, mit erheblicher Leistungsbereitschaft, großem zeitlichen Einsatz und einem wirtschaftlichen Risiko verbunden. Architektur arbeitet in einem kleinen, dichten und stark reputationsbasierten Markt. Der Zugang zu Aufträgen, Entscheidungsebenen und öffentlicher Wahrnehmung folgt nach wie vor oft informellen Logiken, die historisch geprägt sind und sich nur langsam öffnen. Zu diesen Rahmenbedingungen kommen gesellschaftliche Fragen der Vereinbarkeit von Beruf und Familie und der Sorgearbeit, die nach wie vor ungleich verteilt sind, sowie kulturelle Zuschreibungen von Autorität und fachlicher Deutungshoheit, nach dem Motto: „Kann die das überhaupt können?“ Diese Absprechungen von Kompetenz wirken weniger spektakulär als explizite Ausschlüsse, sind aber nachhaltig wirksam – sowohl in der Fremdwahrnehmung als auch in der Selbstverortung der Betroffenen.

Was tut das vai, um Sichtbarkeit von Architektinnen zu stärken?
Jakoubek-Konrad: Das Vorarlberger Architektur Institut versteht seine Rolle vor diesem Hintergrund vor allem als eine aufklärende und vermittelnde, in jedem Fall aber solidarische und bestärkende. Ein zentraler Ansatz ist die bewusste Sichtbarmachung der planerischen und architektonischen Arbeit von Frauen – etwa durch Publikationen, Ausstellungen und diskursive Formate, in denen Projekte, Haltungen und Positionen öffentlich verhandelt werden. Ebenso wichtig ist es, Architektinnen und Planerinnen selbstverständlich als Expertinnen einzuladen, etwa auf Podien, in Jurys oder Gesprächsformaten. Die Frage nach Qualifikation stellt sich dabei nicht mehr. Es mangelt nicht an architektonischer Expertise bei Frauen, sondern lange Zeit an der Bereitschaft, ihr Raum zu geben. Die Ausrede, dass z.B. keine qualifizierte Expertin für eine Diskussion gefunden werden könnten, ist längt entlarvt.