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Drei Frauen, die ausgezeichnet bauen

HEUTE • 10:48 Uhr
Drei Frauen, die ausgezeichnet bauen
Anja Innauer und Nora Frick (NONA Archichitekten) und Julia Kick erhielten mit ihren Projekten zuletzt nationale Anerkennung. Stiplovsek

Zwei weiblich geführte Vorarlberger Büros zählen heuer zu den Kategoriesiegern des Staatspreises Architektur – ein sehr starkes Zeichen in einer nach wie vor männerdominierten Branche.


Es ist ein eher seltenes Bild auf den großen Architekturpreis-Bühnen Österreichs: Beim Staatspreis Architektur 2025 stammen gleich zwei der ausgezeichneten Projekte aus Vorarlberger Büros, die von Frauen geführt werden. Ausgezeichnet wurden die Senferei in Lustenau von Julia Kick Architekten sowie die Sanierung des Hotels Hirschen in Schwarzenberg samt neuem Badehaus, geplant von NONA Architektinnen (Anja Innauer und Nora Frick). Dass gleich zwei der prämierten Projekte von selbstständigen Architektinnen aus Vorarlberg stammen, ist bemerkenswert. Denn in der Branche führen Frauen nach wie vor selten ein eigenes Büro.

Ein Blick auf die Berufsstatistik zeigt, wie groß die Lücke nach wie vor ist: Obwohl seit Jahren mehr als 60 Prozent der Architekturstudierenden Frauen sind, bleibt ihr Anteil im Berufsstand gering. Laut Angaben der Bundeskammer der Ziviltechniker:innen finden sich in Vorarlberg unter den 173 Architektinnen und Architekten mit aufrechter Befugnis nur 26 Frauen, was einem Anteil von rund 15 Prozent entspricht – und damit im österreichweiten Schnitt liegt. Die Zahlen zeigen zudem, dass der Frauenanteil in den vergangenen 15 Jahren kontinuierlich angestiegen ist.

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Faktenbox: Frauen in der Architektur
  • Architekt:innen & Zivilingenieur:innen in Österreich: 8000 Mitglieder, Frauenanteil 15 Prozent.
  • Architekt:innen Tirol & Vorarlberg: 792 Mitglieder, davon 129 Frauen (16,30 Prozent).
  • Architekt:innen mit aufrechter Befugnis Tirol & Vorarlberg: 643 Mitglieder, davon 104 Frauen (16,20 Prozent).
  • Architekt:innen Vorarlberg: 207 Mitglieder, davon 32 Frauen (15,50 Prozent).
  • Architekt:innen mit aufrechter Befugnis Vorarlberg: 173 Mitglieder, davon 26 Frauen (15,00 Prozent).

Sabine Felder, stellvertretende Vorsitzende des Ziviltechnikerinnen-Ausschusses, sagt, es sei ein zentrales Anliegen, die Arbeit der heimischen Architektinnen und Ingenieurinnen sichtbarer zu machen. Dazu sollen auch die österreichweiten Ziviltechnikerinnentage beitragen, die nächstes Jahr übrigens in Vorarlberg stattfinden. Dabei wird unter anderem ein Projekt von NONA Architektinnen vorgestellt.

Traditionelle Rollenbilder

Bei Anja Innauer (45) und Nora Frick (40), beide Mütter von zwei Kindern, war der Schritt ins eigene Büro schon früh angelegt. Sie haben sich bereits im Architekturstudium intensiv mit dem Gedanken einer späteren Selbstständigkeit beschäftigt. Rückblickend sagen beide, dass ihr gemeinsames Büro kaum möglich gewesen wäre, hätten sie ihre Kinder gleichzeitig bekommen: Innauers Kinder sind heute 12 und 14 Jahre alt, während Fricks jüngstes erst ein halbes Jahr alt ist. Sie befindet sich daher aktuell in Karenz.

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Nora Frick und Anja Innauer im NEUE-Gespräch. Stiplovsek

Für die beiden Architektinnen zeigen sich die größten Hürden weniger auf der Baustelle als in den gesellschaftlichen Erwartungen. Innauer erzählt, dass sie jahrelang immer wieder gefragt wurde, wie sie denn das mit den Kindern schaffe. „Mein Mann ist auch selbstständiger Architekt. Wir sind also in derselben Situation, aber gefragt werde immer ich“, schmunzelt Innauer. Für die Bregenzerwälderin ist das ein Beispiel dafür, wie hartnäckig traditionelle Rollenbilder wirken: Viele Frauen hätten das Gefühl, sich entscheiden zu müssen, ob sie nun die beruflich erfolgreiche Frau oder Mutter sein wollen.

Frick beobachtet zudem, dass Mütter, die weiterarbeiten, oft subtil unter Rechtfertigungsdruck geraten. Auf Baustellen wiederum werde „reflexartig eher mit Männern gesprochen“ – ein Muster, das Innauer und Frick selbst nicht betrifft, weil ihr Büro ja rein weiblich besetzt ist. Aus ihrer Sicht bräuchte es nicht nur mehr Sichtbarkeit, sondern auch mehr Frauen in jenen Positionen, in denen über Projekte und Budgets entschieden wird.

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2016 eigenes Büro gegründet

Innauer und Frick gründeten ihr Büro im Jahr 2016. Zunächst hatten sie ihre Zelte im Dornbirner Oberdorf aufgeschlagen. Seit Juni sind sie in Bezau zu finden, wo sie sich mitten im Ort in einem Geschäftslokal niedergelassen haben.
Zu ihren bisherigen Arbeiten zählen unter anderem die Revitalisierung der Postgaragen in Dornbirn und die Büroerweiterung des Unternehmens Haberkorn in Wolfurt, letzteres Projekt wurde mit dem Bauherrenpreis ausgezeichnet.

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Hotel Hirschen mit Badehaus.aDOLF BEREUTER
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Hirschen-Badehaus. Adolf bereuter

Der Hirschen-Umbau in Schwarzenberg samt neuem Badehaus führt nicht nur die Staatspreis-Kategorie „Tourismus und Freizeit“ an, sondern ist auch für den EU-weiten Mies-van-der-Rohe-Award nominiert. Als Nächstes wird das Duo die alte Volksschule in Bezau sanieren. Zudem planen Innauer und Frick derzeit eine neue Fassade an einem zu einem Wohnhaus umfunktionierten Bauernhof am Chiemsee (D) ein Projekt, das sich im Zuge des Hirschen-Umbaus ergeben hat.

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Die von NONA Architekten geplante Büroerweiteriung bei Haberkorn in Wolfurt. Privat

Ortswechsel nach Dornbirn

Julia Kick (41) arbeitet seit zehn Jahren als selbstständige Architektin. Bekannt wurde sie durch das sogenannte „Oeconomiegebäude“ des ehemaligen Hotels Weiss in Dornbirn, ein denkmalgeschützter Stadel, den sie zu ihrem Wohn- und Atelierhaus umbaute. 2017 erhielt sie dafür den Vorarlberger Holzbaupreis.

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Julia Kick. Stiplovsek
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Kicks Wohn- und Atelierhaus, das sogenannte “Oeconomiegebäude”: Angela lamprecht

“In Führungspositionen generell unterrepräsentiert”

Dass in ihrer Branche so wenige Frauen selbstständig arbeiten, sieht Kick weniger im Beruf selbst begründet als in gesellschaftlichen Rahmenbedingungen. Frauen seien in Führungsrollen generell unterrepräsentiert, besonders in technischen Berufsfeldern. Einen Grund dafür sieht die zweifache Mutter in den tradierten Rollenbildern: Sobald Kinder da seien, würden viele Frauen aus dem Vollzeitmodus herausfallen oder nur noch Teilzeit arbeiten, mit entsprechenden Folgen für den Karriereweg. Kick selbst blieb auch während dieser Phasen beruflich präsent: „Ich war nie völlig weg, das war eine bewusste Entscheidung.“

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Julia Kick in ihrem Büro in Dornbirn. Stiplovsek

Oft gehörte Frage: “Ist ihr Mann der Architekt?”

Auf den Baustellen fühlt sich Kick ernst genommen. Sie erklärt das auch damit, dass sie über die Jahre ein Netzwerk von Handwerksbetrieben aufgebaut hat, mit denen sie regelmäßig arbeitet. Wie hartnäckig Rollenbilder dennoch halten können, zeigte sich früh in ihrer beruflichen Selbstständigkeit. „Ich wurde damals häufig gefragt, ob mein Mann der Architekt ist“, erzählt Kick. Tatsächlich ist es umgekehrt: Denn ihr Partner – ursprünglich Maschinenmechaniker und Wirtschaftsingenieur – wollte sich beruflich verändern, absolvierte nebenberuflich eine Lehre als technischer Zeichner und arbeitet heute in ihrem Büro. Die gemeinsame Selbstständigkeit ermöglicht es beiden, den Familienalltag flexibel zu organisieren. Wer die Kinder übernimmt, wird oft spontan ausgemacht.

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Betriebsgebäude Lustenauer Senf. Angela Lamprecht

Sichtbarkeit verschaffte Kick nun auch ihr jüngstes Projekt: Das neue Betriebsgebäude für Lustenauer Senf. Die Bauherren wünschten sich ein „ökologisches, ehrliches und zum Produkt passendes“ Gebäude. Entstanden ist ein klar strukturierter Holzbau mit Biodiversitätsdach, extensiv begrüntem Flachdach und Einblicken in die Produktion. Das Gebäude ist so organisiert, dass Abläufe optimiert sind und Besucher auch ohne Führung einen Rundgang machen können. Von Anfang an mit dabei war ihr Mitarbeiter Martin Hämmerle, dessen Beitrag Kick ausdrücklich hervorhebt.

Julia Kick, Anja Innauer und Nora Frick scheinen ihren Weg gefunden zu haben, sehen die Herausforderungen auf dem Weg zur Selbständigkeit jedoch sehr deutlich – von tradierten Rollenbildern über die ungleiche Verteilung familiärer Arbeit bis zu den strukturellen Hürden beim Zugang zu Aufträgen. Und alle drei wissen aus Erfahrung: Selbstständigkeit ist kein Spaziergang.