Wien lässt die Hosen runter

Ein Bürgermeister ist kein Gutsherr. Diese Erkenntnis sollte sich langsam auch in Wien durchsetzen.
Unverzüglich ist ein ziemlich eindeutiges Wort – möchte man meinen. Wenn mich meine Frau bäte, ich solle ihr unverzüglich Bescheid geben, wenn ein Paket kommt, riefe ich sie an oder schriebe ihr eine Nachricht. In Wien aber haben die Worte oft eine andere Bedeutung: Mit „laufen“ meint man dort „rennen“ und unverzüglich bedeutet offenbar nicht „sofort“, sondern „ehebaldigst“. Anders lässt sich nämlich nicht erklären, dass der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) den Gemeinderat nicht sofort darüber informiert hat, dass er die Wien Energie mit 1,4 Milliarden Euro unterstützen musste.
Die Wiener Stadtverfassung sieht eigentlich vor, dass der Bürgermeister im Notfall solche Entscheidungen zwar treffen kann, aber sie auch „unverzüglich“ dem zuständigen Organ zur Genehmigung vorlegen muss.
Nun kann man natürlich damit argumentieren, dass der Wiener Gemeinderat und Landtag sich bis zum 15. September in einer tagungsfreien Zeit befindet, allerdings können auch in dieser außerordentliche Sitzungen einberufen werden.
Unabhängig von der Frage, ob man unter „unverzüglich“ ein wochenlanges Zuwarten bis zum Herbst verstehen kann, ist die politische Verantwortung zu bewerten: In welchem Land kann ein Regierungschef 1,4 Milliarden Euro – fast zehn Prozent des Jahresbudgets der Bundeshauptstadt – freihändig in ein strauchelndes Staatsunternehmen verschieben, ohne das sofort öffentlich machen zu müssen? Die Tatsache, dass der Wiener Bevölkerung und ihrer verfassungsmäßigen Vertretung über Wochen hinweg ein derart substanzielles Engagement der Stadt verschwiegen wurde, ist ein demokratiepolitisches Problem – und zwar völlig unabhängig von der Frage, ob die Probleme der Wien Energie nun vom Himmel gefallen sind, wie es die Wiener SPÖ darstellt, oder ob die dortigen Verantwortlichen ihr Scherflein dazu beigetragen haben. Wenn man die Bundeshauptstadt verwalten möchte, wie ein russisches Föderationssubjekt, sollte man bei der Duma in Moskau um Aufnahme ansuchen. Hat man allerdings noch den Anspruch, das für ein demokratisches System erforderliche Mindestmaß an Transparenz zu erfüllen, wird sich hier etwas ändern müssen.