Kommentar

Wo Korruption beginnt

04.08.2023 • 18:56 Uhr
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stiplovsek

In einem Land, in dem man oft nur dann etwas erreicht, wenn man es sich richten lässt, führen gegenseitige Abhängigkeiten zu blinden Flecken.

Ein ehemaliger Politiker erzählte mir einmal vom Start seiner Karriere. Als er damals in seine Partei eingetreten sei, habe man ihn gefragt, ob er eine Wohnung oder eine Arbeitsstelle brauche. Auf seine Antwort, er wolle aus Überzeugung Mitglied werden, habe man ungläubig reagiert.
In Österreich war Korruption so lange so selbstverständlich, dass man gar nicht mehr wusste, dass es welche war. Ihre Allgegenwärtigkeit hat sie normalisiert. Noch heute muss man darüber streiten, ob ein Bürgermeister, der massenweise von Grundstücksumwidmungen in der eigenen Gemeinde profitiert, korrupt ist. „Was soll schon dabei sein?“ Das denken sich viele und machen weiter oder fangen an. „Warum soll ich der Dumme sein? Die anderen machen es ja auch.“
Die Mitarbeiter in der Bauabteilung einer Gemeinde, die Antragsteller zu befreundeten Architekten schicken, damit die Anträge „genehmigungsfähig“ werden und dann hinten herum Zuwendungen annehmen, sind korrupt – auch wenn es jeder hinnimmt. Das gilt auch für die Unternehmer, die an Sportvereine spenden und dann die Hälfte der Summe in bar zurückbekommen, aber steuerlich die ganze geltend machen. Sie alle sind Verbrecher und früher oder später wird es sie erwischen.

Dann beginnt der große Katzenjammer der Schuldigen, der Opfer und derjenigen, die nichts mitbekommen haben wollen. Bei der KHBG suchen nun alle nach der tieferen Schuld. Jeder dort, wo er jemanden nicht mag – bei Geschäftsführungen, Parteien oder Unternehmen. Irgendeiner wird schon noch mit drinnen hängen. Die eine oder andere Animosität wird dabei wohl enttäuscht werden. Je größer der Kreis der Geschädigten wird, desto plausibler erscheint der Standpunkt von KHBG und Politik, dass man einem professionellen, kriminellen Netzwerk zum Opfer gefallen ist. Ohne diese These vorab stützen zu wollen, muss man doch anerkennen, dass man sich nicht gegen jede Form von Verbrechen schützen kann. Wachsamkeit ist wichtig, eine personell ausreichend besetzte interne Revision auch, aber alles verhüten kann man damit auch nicht. Die Verantwortung für eine Straftat trägt der mögliche Straftäter und nicht das Opfer. Wahre Aufklärung braucht Zeit und sie wird eher nicht in Online-Foren oder Medien geleistet werden, sondern beim Landeskriminalamt, der Staatsanwaltschaft und beim Landes-Rechnungshof.

Man wird sich in Politik und Unternehmen jedoch die Frage gefallen lassen müssen, in welchem Umfeld diese Taten verübt wurden. Ob eine Gesellschaft, in der jede Führungsperson Mitglied von mindestens fünf Vereinen sein muss, noch katharsische Kapazitäten hat oder zur kollektiven Selbstbestätigung neigt. In einem Land, in dem man oft nur dann etwas erreicht, wenn man es sich richten lässt, führen gegenseitige Abhängigkeiten zu blinden Flecken. Hier, im persönlichen Umfeld, beginnt die Korruption und hier sollte sie auch enden.