ÖBB, APG und Asfinag: Infrastruktur-Projekte beschleunigen
Die Chefs der drei wichtigsten Infrastrukturunternehmen APG, ÖBB und Asfinag sehen die Voraussetzungen für die Energie- und Verkehrswende derzeit nicht gegeben und fordern eine deutliche Beschleunigung der Genehmigungsverfahren für Projekte. Sie vermissen eine abgestimmte Gesamtsystemplanung und eine gesamtheitliche Energieraumplanung für die Stromnetz- und Verkehrsinfrastruktur.
Die Transformation der Industrie hin zur Klimaneutralität bis 2050 hänge von der Verfügbarkeit notwendiger Energieträger zu wettbewerbsfähigen Preisen ab, erklärte IV-Vizegeneralsekretär Peter Koren am Montag bei einer Infrastruktur-Fachtagung im Wiener Haus der Industrie. Straße, Schiene und Strom seien “am Limit”.
“Ohne zusätzliche Infrastrukturen wird es nicht möglich sein, die Klimaschutz-Ziele zu erreichen”, sagte Koren zur APA. “Wir brauchen noch viel raschere Genehmigungsverfahren in allen Infrastrukturbereichen.” Ein erster Schritt dafür sei durch eine UVP-Novelle schon erfolgt. “Aus unserer Sicht braucht es aber deutlich mehr. Wir rufen auch das Standortentwicklungsgesetz wieder in Erinnerung.” Dabei gehe es darum, Energiewende-Projekte mit einer “Fast Track Procedure” auszustatten.
Auf Ebene der Bundesregierung und der Landesregierungen sei im Rahmen der österreichischen Raumordnungskonferenz eine Bodenstrategie in Verhandlung. “Damit soll in Zukunft der Flächenverbrauch pro Tag auf 2,5 Hektar begrenz werden. Wir sind momentan bei rund 11 bis 12 Hektar pro Tag.” Ein verantwortungsvoller Umgang mit Fläche sei wichtig, aber ÖBB, Asfinag und APG würden für ihre Projekte auch Flächen brauchen und daher sei auf politischer Ebene zu entscheiden, “ob ein Chalet oder ein Einkaufszentrum gebaut wird oder ob Infrastruktur gebaut wird”. Die Industriellenvereinigung fordert deshalb, für übergeordnete Infrastruktur-Projekte eine Bundesraumordnungskompetenz zu postulieren.
Laut APG-Vorstand Gerhard Christiner stößt das österreichische Stromsystem bereits an seine Grenzen. “Bis Ende September 2023 mussten wir insgesamt 125 Millionen Euro für Notfalleingriffe ausgeben”, sagte Christiner. Bis Jahresende würden es 150 Mio. Euro sein. Christiner forderte eine Überarbeitung der gesetzlichen Rahmenbedingungen und betonte die Notwendigkeit einer Gesamtsystemplanung. “Wir brauchen einen massiven Umbau der Infrastruktur, wir brauchen ein wesentlich leistungsstärkeres Stromnetz, weil wir viel mehr Leistung ins System installieren, was die Erneuerbaren betrifft.” Darüber hinaus sei auch eine stärkere Digitalisierung speziell im Verteilernetz notwendig.
Durch die zu schwachen Leitungen stelle sich auch ein Price Spread zwischen Österreich und Deutschland ein. “Der war im vorigen Jahr im Durchschnitt bei 26 Euro pro Megawattstunde. Wenn man das mit den 70 Terawattstunden multipliziert, die wir in Österreich als Verbrauch haben, kommt man nahezu auf 2 Mrd. Euro, die wir mehr bezahlt haben als wir müssten, hätten wir ein ausreichend dimensioniertes Stromnetz.” Diese Investition ins Netz würde sich in kürzester Zeit rechnen, argumentierte der APG-Chef.
Einen Rückschlag habe man erst vergangene Woche durch das Urteil des BVwG zum Projekt Zentralraum Oberösterreich erlitten, sagte Christiner. Die Elektrolichtbogenöfen der voestalpine seien das größte Dekarbonisierungsprojekt Österreichs. Dafür wolle man 220-kV-Leitungen errichten. Dieses Projekt habe ein Volumen von 600 Mio. Euro. Das BVwG habe nun das Projekt gestoppt. “Wir dürfen jetzt nicht bauen, bis der Richter wirklich in der Sache entschieden hat.” Deshalb müsste solchen Energiewende-Projekten und dem Netzausbau gesetzlich Priorität eingeräumt werden, forderte Christiner.
Asfinag-Vorstand Hartwig Hufnagl kritisierte “unsachliche Widerstände und mutwillige Verzögerungen” bei der Genehmigung von Autobahn-Projekten und betonte, dass zwei Drittel der für die nächsten sechs Jahre geplanten Investitionen von mehr als 9 Mrd. Euro in Sanierungen fließen sollen. Große Teilabschnitte der österreichischen Autobahnen stammten aus den 1970er und 1980er Jahren.
“2020 haben wir etwa 500 Mio. Euro in den Neubau investiert und 490 Mio. Euro in die Sanierung unseres Bestandsnetzes.” Im kommenden Jahr werde der Sanierungsaufwand rund 850 Mio. Euro betragen. “Wir werden 2025 die Schallmauer von einer Milliarde Euro durchbrechen, die nur in die Sanierung unseres Bestandsnetzes investiert werden.” Im Neubaubereich würden Genehmigungsverfahren im Schnitt 110 Monate vom ersten Bescheid bis zur rechtskräftigen Entscheidung dauern. “Es gibt kein Verfahren mehr in der Asfinag, wo du nicht alle Höchstgerichte strapazieren musst.”
ÖBB-Vorstandschef Andreas Matthä betonte, dass die Energiewende die Voraussetzung für die Verkehrswende sei. “Wir sind bereit für die Energie- und Verkehrswende, brauchen aber optimierte Rahmenbedingungen”, sagte Matthä. Die ÖBB verbrauchen derzeit 1,8 TWh Energie. Der Energiebedarf werde auf 2 TWh steigen, “weil wir eine Renaissance des Bahnfahrens erleben”.
Ziel sei es, bis 2040 die Leistungsfähigkeit der Bahn zu verdoppeln. Gelingen soll das durch den Kauf neuer Züge mit mehr Kapazität, durch eine verstärkte Digitalisierung und durch weiteren Infrastrukturausbau, für den im Rahmenplan derzeit 19 Mrd. Euro vorgesehen seien. Auch dafür müssten die Genehmigungsverfahren beschleunigt werden. “Wir würden uns sehr wünschen, dass es zu vollkonzentrierten Verfahren kommt, d.h., dass alle Materien, die in so einem Genehmigungsverfahren notwendig sind, in einem Verfahren abgewickelt werden.”