Österreich mit Milliardendefizit im Agrar-Außenhandel

Im internationalen Austausch mit Agrarprodukten gerät Österreich zusehends ins Hintertreffen – die Importe steigen stärker als die Exporte. Der Fehlbetrag hat heuer im ersten Halbjahr die Milliardengrenze überschritten. Gegenüber der Vorjahresperiode weitete sich das Passivum in der heimischen Agrar-Außenhandelsbilanz von 885 Mio. auf 1,3 Mrd. Euro massiv aus, wie aus Daten der AMA-Marketing hervorgeht. “Deutschland bleibt unser Herzmarkt”, so die Agrarmarkt-Austria-Tochter.
Die Lebensmittelindustrie bilanzierte im Außenhandel heuer in der ersten Jahreshälfte weiterhin mit gut einer halben Milliarde Euro positiv. “Wir exportieren mehr verarbeitete Lebensmittel als wir importieren”, erklärte die Geschäftsführerin des Fachverbands der Lebensmittelindustrie in der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ), Katharina Koßdorff, am Montag in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit AMA-Marketing-Chefin Christina Mutenthaler-Sipek. Allerdings hat sich der Überschuss im Jahresabstand vorläufigen Zahlen zufolge von 729 auf 539 Mio. Euro um mehr als ein Viertel empfindlich verkleinert. “Die österreichische Industrie steckt in einer Stagnation – und das aller Voraussicht nach das zweite Jahr in Folge”, verdeutlichte Koßdorff die Lage. “Die Exportmenge stagniert, die Importmenge wächst.”
Importe steigen stärker als Exporte
Wertmäßig erhöhten sich die Exporte der Lebensmittelindustrie im ersten Halbjahr 2025 um 3,1 Prozent auf 5,4 Mrd. Euro. Doch die Importe legten mit einem Plus von 7,9 Prozent auf 4,8 Mrd. Euro weitaus dynamischer zu. Der Überschuss verkleinert sich zusehends. “Das zeigt, dass die österreichischen Lebensmittelhersteller auch preislich Wettbewerbsfähigkeit verlieren”, so Koßdorff.
Als Gründe dafür führt die WKÖ-Branchenvertretung die Einfuhr von Agrarrohstoffen wie Kakao, Kaffee, Tee, Reis, Gewürze oder Südfrüchte an, die in Österreich nicht oder nicht ausreichend verfügbar sind, sowie die hohen Standortkosten im Inland. “Da spielt Überregulierung eine Rolle”, hielt Koßdorff fest. Insbesondere die Kosten im Zusammenhang mit Energie, Personal und Bürokratie machten den Betrieben zu schaffen. “Und mit diesem schweren Kostenrucksack tun sie sich im internationalen Wettbewerb schwer.” Die Standortkosten müssen laut Fachverband runter. “Staatliche Preisregulierungen beziehungsweise Markteingriffe sind der falsche Weg”, so die Position der Industrie. Besser wäre es die Energie- und Arbeitskosten zu senken und Bürokratie abzubauen.
Auch die Agrarexporte insgesamt stiegen heuer zum Halbjahr mit einem wertmäßigen Zuwachs von 4,1 Prozent auf 8,7 Mrd. Euro wertmäßig weniger stark als die Importe. Mengenmäßig sanken die Ausfuhren sogar um 3,2 Prozent auf 5,2 Millionen Tonnen. Das Gros der Waren wird an europäische Länder verkauft. In die EU gehen Waren im Wert von knapp 7 Mrd. Euro – 3,4 Mrd. Euro davon nach Deutschland. “Wir sehen 2025 voraussichtlich ein Wertewachstum und einen teilweisen Mengenrückgang”, sagte AMA-Marketing-Chefin Mutenthaler-Sipek mit Blick auf das laufende Gesamtjahr.
Handelsüberschuss mit Deutschland
“80 Prozent gehen in die EU, 20 Prozent in Drittstaaten – Deutschland führt mit großem Abstand das Ranking”, berichtete Koßdorff. “Deutschland bleibt unser Herzmarkt – wir werden uns weiterhin auf Deutschland konzentrieren, aber auch auf Nachbarländer und Nischenmärkte”, bekräftigte Mutenthaler-Sipek. Sie verwies dabei auch auf die weltgrößte Agrarfachmesse Anuga, die gerade (4. bis 8. Oktober, Anm.) in Köln stattfindet und auf der sich die Agrarmarkt Austria Marketing GesmbH gemeinsam mit der heimischen Milchwirtschaft auf über 600 Quadratmetern präsentiert.
“Für uns ist Deutschland sehr wichtig und wir haben hier seit 2020 eine positive Agrar-Außenhandelsbilanz”, so die AMA-Marketing-Chefin. Im ersten Halbjahr 2025 betrug der Überschuss im bilateralen Handel 190 Mio. Euro. Die Exporte dorthin hätten sich gegenüber dem Vergleichszeitraum im Vorjahr wertmäßig um 5,5 Prozent auf fast 3,4 Mrd. Euro erhöht, während die Agrar-Importe aus Deutschland mit einem Plus von 5,2 Prozent auf knapp 3,2 Mrd. Euro etwas weniger stark wuchsen.
Rindfleisch ist knapp und teuer
Am Rindfleischmarkt herrscht derzeit allerdings ein deutlicher Angebotsengpass. Hier kam es laut AMA-Marketing zu außergewöhnlichen Entwicklungen: Der Export von Rindfleisch brach im ersten Halbjahr 2025 laut RollAMA-Daten – im Zuge von deutlichen Preissteigerungen – mengenmäßig um gut ein Viertel ein. Der Exportumsatz habe aber um 5 Prozent gesteigert werden können. “Das ist auf den Preis zurückzuführen”, erklärte Mutenthaler-Sipek. Es sei weniger am Markt. Viele Betriebe sperrten zu. “Der Generationenwechsel ist gerade in der Rinderhaltung ein großes Thema, nicht nur in Österreich – auch in Deutschland, Frankreich, Irland und Spanien.” Doch auch Tierseuchen hätten zur Angebotsknappheit beigetragen, ebenso die gestiegenen Futter- und Energiekosten.
Mit großem Abstand hinter Deutschland ist Italien Österreichs zweitgrößter Exportmarkt für Agrarwaren. Die Ausfuhren dorthin erhöhten sich im ersten Halbjahr um 3,2 Prozent auf rund 907 Mio. Euro. Dahinter folgten die Schweiz (rund 330 Mio. Euro), Ungarn (324 Mio. Euro) und die Niederlande (305 Mio. Euro). Aus den Top-5 hinausgefallen sind die USA.
USA nicht mehr unter Top-5-Exportmärkten
“Die Lebensmittelunternehmen haben in den USA Produktionslinien gebaut und bedienen von dort aus den Markt”, sagte Koßdorff. “Und zweitens sind es die Zölle – wir haben einen Zusatzzoll von 15 Prozent – für die Exporteure wird es noch teurer, in den USA zu punkten.” Über die vergangenen Jahre seien die Exporte dorthin noch deutlich nach unten gegangen. “Die Mengen verbleiben in Europa und üben hier Druck auf den Markt aus.” Ganzheitlich betrachtet, hätten Zölle noch nie den Handel befördert. “Sie waren immer ein Mittel der Protektion, den Markt abzuschotten.”