Amtshaftungsklage-Prozess nach Terrorattentat fraglich

04.05.2022 • 15:52 Uhr
Amtshaftungsklage-Prozess nach Terrorattentat fraglich

Im Zusammenhang mit dem Terror-Anschlag in der Wiener Innenstadt vom 2. November 2020 stand am Mittwoch am Wiener Landesgericht für Zivilrechtssachen (ZRS) eine weitere Amtshaftungsklage gegen die Republik Österreich am Programm. Geklagt haben die Angehörigen – die Eltern und der Bruder – eines vom Attentäter getöteten 21-Jährigen. Ob der Prozess aufgenommen wird, ist aber offen, das Gericht will erst prüfen, ob der Zivilrechtsweg auch der richtige ist.

Die Kläger stehen auf dem Standpunkt, dass der Anschlag verhindert hätte werden können, hätte es im Vorfeld nicht behördliche Versäumnisse gegeben. Für den Rechtsvertreter der betroffenen Korneuburger Familie, den Wiener Rechtsanwalt Mathias Burger, besteht kein Zweifel, dass für diese Versäumnisse der Bund haftet. Dessen Organe hätten in Vollziehung der Gesetze rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten gesetzt.

Denn der spätere Attentäter war nach einer Verurteilung wegen terroristischer Vereinigung vorzeitig bedingt entlassen worden und in weiterer Folge nicht in den Fokus der Verfassungsschützer geraten, obwohl Warnsignale gegeben waren. So nahm der 20-jährige Anhänger der radikalislamistischen Terror-Miliz “Islamischer Staat” (IS) etwas mehr als drei Monate vor dem Attentat an einem Treffen radikaler Islamisten in Wien teil und versuchte in der Slowakei Munition für ein automatisches Sturmgewehr zu kaufen. In ihrem Abschlussbericht zeigte die Zerbes-Kommission darüber hinaus weitere behördeninterne Pannen auf, etwa beim Risikobewertungsprogramm für Gefährder, bei der Datenverarbeitung sowie dem Informationsfluss zwischen dem damaligen Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) und dem Wiener LVT.

Die Bereitschaft des Bundes, den Angehörigen des 21-Jährigen das erlittene Leid zumindest in finanzieller Hinsicht zu lindern, blieb bis zum Einbringen der Klage überschaubar. Laut deren Anwalt bekamen die Eltern und der Bruder zunächst je 2.000 Euro aus dem Verbrechensopfergesetz und 4.500 Euro für die Begräbniskosten zugestanden, die damit aber nicht abgedeckt waren. An Trauerschmerzensgeld wurden erst nach Einbringung der Klage 10.000 Euro pro Person angeboten – “allerdings vorbehaltlich des Ergebnisses einer Prüfung, ob die Ansprüche zu Recht bestehen”, so Burger.

Burger hält ein Trauerschmerzengeld von 30.000 Euro pro Person für angemessen. Darüber hinaus verlangt er von der Republik die Abgeltung der gesamten Begräbniskosten. Die Klage beinhaltetet auch das Feststellungsbegehren, dass die Republik für zukünftige Folgeschäden haftet. Speziell die Eltern hat es psychisch massiv beeinträchtigt, dass ihr 21-jähriger Sohn mit einem Schlag mitten aus dem Leben gerissen wurde.

Für den Vertreter der Republik, Martin Tatschner, war hingegen ungewiss, ob ein Zivilprozess überhaupt der rechtlich korrekte Weg für eine derartige Schmerzensgeldforderung ist. Er riet den Betroffenen zudem, zuerst die Entscheidung über Zahlungen aus dem Terroropferfonds abzuwarten – dieser behördlich Weg sei zwar “leider langsam”, aber jedenfalls schneller als der angestrengte Prozess.

Das Gericht sah es ebenfalls als fraglich an, ob die Ansprüche der Kläger auf zivilrechtlichem Weg behandelt werden können. Vor einer etwaigen Prozess-Aufnahme soll dies nun noch einmal genauer erörtert werden.

Nach der Verhandlung machten Angehörige des Opfers ihrem Ärger über das Vorgehen – vor allem der Politik – Luft. Der Onkel der getöteten 21-Jährigen kritisierte, dass seitens des damaligen Innenministers und heutigen Bundeskanzlers Karl Nehammer (ÖVP) niemals der Kontakt zu ihnen aufgenommen wurde. “Es gab keine Entschuldigung, es gab nichts Menschliches”, sagte der Mann. Inzwischen erwarte er dies aber auch nicht mehr.