Österreich

Streit um den Wolf erreicht höchste politische Ebenen

03.02.2023 • 18:02 Uhr
Leonore Gewessler (Grüne) und Norbert Totschnig (ÖVP) verfolgen beim Wolf gänzlich unterschiedliche Interessen
Leonore Gewessler (Grüne) und Norbert Totschnig (ÖVP) verfolgen beim Wolf gänzlich unterschiedliche Interessen APA 2, Steierische Landesjägerschaft

Dass sich Umweltministerin Leonore Gewessler nun in einem offenen Brief an die EU-Kommission für den Wolf ausspricht, erzürnt Bauern.

Seit Jahren tobt auf regionaler Ebene und in vielen alpinen Dörfern – vor allem dort, wo wieder einmal Schafe oder Kälber gerissen wurden – ein erbitterter Streit um den Wolf, und wie mit der Rückkehr des Raubtiers politisch umzugehen sei.

Doch zuletzt erreichte der Streit auch höchste politische Ebenen – im Bund wie auf EU-Ebene. Österreichs Agrarminister Norbert Totschnig hat bei Agrarministertreffen mehrmals für die Aufweichung des strengen Schutzstatus für den Wolf plädiert. Tatsächlich verabschiedete das EU-Parlament im November eine Resolution mit diesem Ziel an die EU-Kommission.

EU-Umweltminister wollen nicht an Schutz rütteln

Diese Woche wiederum sprangen Österreichs Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) und elf EU-Amtskollegen für den Wolf in die Bresche. Sie kritisieren in einem Schreiben an die EU-Kommission die jüngste Resolution scharf: Die Themen seien “wichtig”, aber in Zeiten einer Biodiversitätskrise sei der Weg, “den rechtlichen Schutz des Wolfes zu schwächen, eindeutig” abzulehnen. “Bei der Koexistenz mit Großraubtieren sind Schäden an Nutztieren unvermeidlich”, die Umweltminister zeigen sich aber “überzeugt, dass ein strenger Schutz zusammen mit einem Präventivmaßnahmen und gerechten Entschädigungen […] die beste Lösung darstellt.”

Seit 30 Jahren streng geschützt

Der Umgang mit dem Wolf in der EU ist seit 30 Jahren in der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH) geregelt. Der Wolf ist darin als “streng zu schützende Tierart von gemeinschaftlichem Interesse” gelistet und darf damit nur in wenigen Ausnahmen abgeschossen (“entnommen”) werden. Für eine Änderung der FFH-Richtlinie bedarf es der Zustimmung aller 27 EU-Staaten, zuständig dafür sind die Umweltminister, also Ressortchefin Gewessler.

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Scharfe Kritik an Gewessler – auch von Tiroler SPÖ

Wie beim Wolf üblich, ließ scharfe Kritik am Vorstoß der Umweltminister nicht lange auf sich warten. Vor allem die Bauernseite – aber auch die Tiroler SPÖ – schießt regelrecht auf Gewessler ein. Tirols SPÖ-Landeshauptmannstellvertreter Georg Dornauer spricht von einem “Schlag ins Gesicht” der Tiroler Landwirte: “Ministerin Gewessler in diesem Schlüsselressort weiterhin zu dulden, zeugt von politischer Verantwortungslosigkeit.”

Nutztierrisse von 22 auf 784 gestiegen

Am Freitag legten die neun Landwirtschaftskammer-Präsidenten unter ihrem Vorsitzenden Josef Moosbrugger nach: “Die Umweltministerin vertritt auf EU-Ebene einmal mehr vollkommen abgehobene und realitätsferne Interessen”, bringt Moosbrugger auch Zahlen ins Spiel: So sei die Zahl der Nutztier-Risse von 22 im Jahr 2017 auf 784 im Jahr 2022 (Zahlen bis November) gestiegen. Moosbrugger attestiert Gewessler “auf politischer Ebene eine praxisferne Raubtierromantik” zu verfolgen, und dass die frühere Global2000-Chefin “wieder in frühere Tätigkeitsbereiche zurück driftet”.

Zuletzt zwei Abschüsse in Kärnten

Der Vollzug der EU-Richtlinie liegt in Österreich bei den Ländern. Zuletzt kündigte die schwarz-rote Tiroler Landesregierung an, durch eine Änderung des Jagdgesetzes Problem- und Risikowölfen den Garaus ausmachen zu wollen. In Tirol wurde noch kein einziger Wolf legal geschossen. In Kärnten hingegen wurden nach mehreren Dutzend Abschussgenehmigungen bisher zwei Wölfe abgeschossen.