Österreich

Soll Österreich den Viehbestand für das Klima reduzieren?

25.06.2023 • 18:37 Uhr
Wie sehr belasten die Kühe das Klima?
Wie sehr belasten die Kühe das Klima? (c) k.u.r.t. – stock.adobe.com (Kurt Schindler)

Irland erwägt, 200.000 Kühe zu keulen. Das soll dann im Kampf um das Klima helfen.

Die Lösung scheint so simpel wie genial: Das Rind scheidet im Zuge seines Verdauungsprozesses klimaschädliches Methan aus, also schaffen wir es einfach ab. Wo keine Kuh und kein Ochse, da kein Methan. Klima gerettet – fertig!

Umfrage: Würden Sie für Lebensmittel heimischer Bauern mehr zahlen?

Genau diesen verlockenden Gedanken hatten anscheinend Teile der irischen Regierung. Kürzlich machte die Meldung die Runde, dass man in Irland darüber nachdenke, 200.000 Kühe zu keulen und dadurch vom Markt zu nehmen – oder besser gesagt, aus der Atmosphäre zu entfernen. Pro Kuh soll den landwirtschaftlichen Betrieben eine Entschädigung von 3000 Euro ausbezahlt werden. Das macht dann insgesamt 600 Millionen Euro für den Klimaschutz. Wirklich?

Wie Irland ist auch Österreich geprägt von seiner Rinderwirtschaft. Rund die Hälfte der landwirtschaftlichen Fläche besteht aus Grünland, also aus Wiesen und Weiden, die einen Großteil des Futters für unsere rund 550.000 Milchkühe beziehungsweise insgesamt 1,9 Millionen Rinder bereitstellen. Doch nicht nur das. Unser Grünland ist auch für den Tourismus ein entscheidender Faktor. Stellen Sie sich Österreich einmal ohne Almen, Wiesen und Weiden vor. All diese Flächen würden nämlich über die Jahre verwalden, wenn sie nicht im Zuge der Rinder-, Schaf- und Ziegenhaltung bewirtschaftet würden. Dann würden sich die Millionen Touristinnen und Touristen aus dem In- und Ausland, die jedes Jahr hauptsächlich aufgrund der schönen Landschaft (!) nach Österreich kommen, wohl zweimal überlegen, ob sie das auch weiterhin tun werden.

Aber zurück zu den Tieren. Zu den Rindern kommen in Österreich rund 400.000 Schafe und 100.000 Ziegen. Auch sie gehören zu den Wiederkäuern. Sie fressen Gras und rülpsen im Gegenzug Methan in die Atmosphäre. Sollten wir nicht auch ein paar Hunderttausend davon schnellstmöglich zum Schlachthof führen, um das Klima zu schützen? Schließlich produzieren wir ja sowieso mehr Milch und Rindfleisch, als wir in Österreich essen. Also weg damit? Vielleicht gleich mit allen?

Die Debatte um das schnelle Loswerden von Nutztieren steht sinnbildlich für unsere hyperventilierende Gesellschaft, die bei allem die schnellste und vor allem die einfachste Lösung sucht. Doch damit verschlimmert sie so manches Problem, anstatt es zu lösen. Auch bei dem irischen Vorschlag wurde die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Und das gleich in mehrfacher Hinsicht.

Erstens ist zwar richtig: Wenn Irland 200.000 Kühe loswird, dann geht der Methanausstoß des Landes zurück und seine Politikerinnen und Politiker können das stolz an den Weltklimarat melden. Aber: Wir sprechen nicht ohne Grund von der Erderwärmung und nicht von der „irischen Erwärmung“ und vom Weltklima statt vom „Österreich-Klima“. Was ich damit sagen will: Dem Weltklima ist es völlig egal, ob es durch Methan aus Irland, Österreich oder Papua-Neuguinea aufgeheizt wird. Entscheidend ist nur die Gesamtmenge an Methan, und noch vielmehr an CO2, die sich künftig um die Erde legt.

Wenn nun die Menschen, die bislang die Milch der 200.000 irischen Kühe konsumiert haben – und damit übrigens ein wertvolles, eiweiß- und vitaminreiches Lebensmittel – einfach auf Milch von woanders umsatteln, dann ist für das Weltklima gar nichts gewonnen. Ganz im Gegenteil.

Es ist ein großer Nachteil der internationalen Klimapolitik, dass jeder Staat nur für jene Emissionen geradestehen muss, die innerhalb seiner eigenen Landesgrenzen entstehen. Österreich zum Beispiel könnte, quasi über Nacht, seinen offiziellen Ausstoß an Klimagasen um mindestens elf Prozent reduzieren, indem es seine Landwirtschaft einfach komplett abschafft und sämtliche Lebensmittel aus dem Ausland importiert. Die Emissionen, die bei der Produktion der importierten Lebensmittel entstehen, würden dann der Klimabilanz der Herkunftsländer angerechnet und unsere Regierung hätte nichts mehr damit zu tun. Nur: Dem Weltklima würde das sogar schaden. Denn insgesamt würden freilich mehr und nicht weniger umweltschädigende Emissionen entstehen.

Und damit wären wir beim zweiten Argument, das den Vorschlag, Tierbestände einfach so zu reduzieren, bedenklich macht: Eine große Vergleichsstudie der EU-Kommission hat schon vor Jahren gezeigt, dass Milch sogar innerhalb Europas mit sehr unterschiedlich großen CO2-Fußabdrücken produziert wird – von einem weltweiten Vergleich will ich erst gar nicht reden. Und jetzt raten Sie mal, welche zwei EU-Länder die Milch mit der geringsten Klimawirkung herstellen. Richtig! Irland und Österreich. Die Milch hinterlässt in beiden Ländern rund ein Kilogramm CO2-Äquivalente, während im EU-Schnitt 1,4 und beim Spitzenreiter Zypern 2,8 Kilogramm anfallen. Mit anderen Worten: In Zeiten, in denen die Weltbevölkerung und damit der Konsum tierischer Lebensmittel wächst, ausgerechnet die klimaeffizienteste Produktion einzustampfen, ist ein Schuss ins eigene Knie. Die Menschen werden nicht aufhören, Milch zu trinken, nur weil diese nicht mehr aus Irland oder Österreich kommt. Sie werden auf Milch aus anderen Ländern ausweichen, die mehr statt weniger Treibhausgase hinterlässt. Für Rindfleisch gilt genau dasselbe.

Und schließlich kommt noch ein dritter Punkt dazu: Österreich hat seine Tierbestände bereits reduziert, und zwar erheblich. Laut einer BOKU-Studie vom vergangenen Herbst hat sich die Zahl der Milchkühe hierzulande allein zwischen den Jahren 1990 und 2019 um 42 Prozent reduziert. Dadurch wurde der Treibhausgasausstoß der Milchkuhhaltung um 32 Prozent kleiner, und das bei gesteigerter Milchmenge. Die österreichische Durchschnittskuh gibt heute mehr Milch als früher, deshalb halten wir ohnehin bereits weniger Kühe.

Das alles zeigt am Ende: Klimaschutz funktioniert nur mit Verstand und nicht mit Aktionismus. Ein maßvoller, bedachter Konsum und eine effizient und standortgerecht arbeitende, sich weiterentwickelnde heimische Landwirtschaft helfen dem Klima. Blindwütiges Kühe-Keulen, wie in Irland angedacht, ganz sicher nicht.

Zum Autor

Hannes Royer ist Bio-Bergbauer und Gründer des Vereins Land schafft Leben. Der Podcaster und Keynote-Speaker klärt über Lebensmittel und deren Produktion auf und setzt sich dafür ein, dass unser Essen in der Gesellschaft wieder einen höheren Stellenwert erlangt.