Österreich

Wieso in Österreich zuletzt hunderte Bahnhöfe geschlossen wurden

10.11.2024 • 14:15 Uhr
Bahnhof Hönigsberg
Am Bahnhof Hönigsberg hält seit drei Jahren kein Zug mehr (C) STEFAN KROISLLEITNER

Immer mehr Österreicher steigen auf die Bahn um, doch die ÖBB haben seit 2010 schon 145 Bahnhöfe geschlossen. Sie wurden Opfer der Effizienz, wie das Beispiel Hönigsberg im Mürztal zeigt.

Züge führen zu weniger Bahnhöfen. Ein Schicksal, das wenige Orte in Österreich so gut nachvollziehen können, wie Hönigsberg. Die ehemalige Gemeinde im steirischen Mürztal mit rund 1640 Einwohnerinnen und Einwohnern, mittlerweile Ortsteil von Langenwang, hat seit Dezember 2021 keinen Bahnhof mehr. Der Grund: Die Strategie der ÖBB.

In Österreich verschwinden hunderte Bahnhöfe

Schon in der Vergangenheit hat die Kleine Zeitung mehrfach über den wegbrechenden Bahnhof und die Folgen für die Gemeinde berichtet. Teile der Bevölkerung spürten die Folgen der Bahnhofsschließung unmittelbar. Vorübergehend führte der Wegfall des Bahnhofs dazu, dass Kinder zu früh vor der Schule waren, sodass sie in der Kälte warten mussten, bis diese aufgesperrt wurde. Für die Hönigsbergerinnen und Hönigsberger kein hinnehmbarer Zustand. Mehrere Petitionen mit mehr als 2000 Unterschriften und ein Termin im Klimaschutzministerium unter der Führung von Leonore Gewessler (Grüne) änderte jedoch nichts. Zahlen zeigen: Hönigsberg ist kein Einzelfall. Hönigsberg ist kein Einzelfall.

Wieso in Österreich zuletzt hunderte Bahnhöfe geschlossen wurden
Franz Hammerschmid von den ÖBB spricht von einem „Gesundschrumpfungsprozess“ (C) Michael Fritscher

Laut Zahlen von Greenpeace haben die ÖBB in den letzten 30 Jahren 230 Bahnhöfe geschlossen, 145 davon allein seit dem Jahr 2010 – rund 650 Bahnkilometer werden seither nicht mehr befahren. Vor allem ländliche Regionen in Niederösterreich, der Steiermark und Kärnten fielen dem „Gesundschrumpfungsprozess“, wie es Franz Hammerschmid, oberster Strategieplaner bei den ÖBB nennt, zum Opfer. Unter Oberndorf und Hofstatt in Niederösterreich wurden mit Dezember 2023 aufgelassen, Hart-Wörth in St. Pölten hat es im April 2022 erwischt und auch Wiener Haltestellen, wie beispielsweise die Hausfeldstraße, sind seit 2018 außer Betrieb.

300 Bahnhöfe sind stark genutzt

Wie passt das ins Bild des Bahn-Booms der letzte Jahre? Das Reisen auf Schienen ist zwar tatsächlich so beliebt wie noch nie – die ÖBB erreichten in den letzten Jahren stets Rekordpassagierzahlen – jedoch nicht auf allen Bahnhöfen. 90 Prozent des Passagieraufkommens verteilt sich laut ÖBB-Planer Hammerschmid auf 300 Bahnhöfe in Österreich, die restlichen zehn Prozent auf 700.

Kleinere Bahnhöfe wie in Hönigsberg oder jene in Gummern (aufgelassen 2014) und Zwettl im Waldviertel (aufgelassen 2010) sind laut Transportexperte Sebastian Kummer von der Wirtschaftsuniversität Wien ohnehin das „Schlimmste für die ÖBB“. Regionalzüge, die von Haus aus langsamer unterwegs sind, müssen hier komplett abbremsen und brauchen, bis sie wieder angefahren sind, mindestens drei Minuten.“ Diese Zeit haben die Bundesbahnen nicht, wenn sie versuchen, attraktiver zu werden.

Der Takt gibt die Halte vor

Mit dem Taktfahrplan 2025 planen die ÖBB nämlich mehr Züge. Auf der Strecke zwischen Wien und Graz sollen dann zwei Fernzüge pro Stunde fahren. Jene drei Minuten, die man durch das Auflösen des Haltes in Hönigsberg bekommt, machen laut den Bundesbahnen den Plan möglich.

80 Prozent der Bahnhöfe in der Obersteiermark sind älter als 110 Jahre. Auch jener in Hönigsberg wurde errichtet, als noch der Kaiser in Österreich regierte. „Die Überlegung kam damals vom Militär: Man wollte eine Bahnstrecke von der Hauptstadt Wien zum Marinestützpunkt Triest errichten. Das Mürztal kam deshalb zum Zug, weil es im Gegensatz zu einer Strecke über das flache Burgenland schwerer angreifbar gewesen ist“, erklärt Hammerschmid.

Militärischer Schutz spielt mittlerweile keine Rolle mehr in Infrastrukturplanungen, heute geht es primär um Effizienz. Bei den ÖBB verweist man auch auf die wirtschaftliche Nachhaltigkeit. Auch die Erhaltung kleinerer Bahnhöfe falle in Summe finanziell ins Gewicht. Laut Hammerschmid verschlingt die Reinigung, die Beleuchtung und andere Wartungsarbeiten für diese Objekte schnell einmal mehrere Hunderttausend Euro im Jahr.