„Wir haben es sehr schön jetzt“

Am Donnerstag wurde Irene Diwiaks neues Stück „Die Erwachsenen“ in der Regie von Sabine Lorenz in Bregenz uraufgeführt.
Einmal durch den „rechten Eingang“ zum Bühnenraum des Theater Kosmos werden die Besucher schon auf Irene Diwiaks Stück eingestimmt. In ihrem „trauten Heim“ sitzt Theresa idyllisch häuslich mit Stricknadeln und ihrer ängstlichen Naivität. „Wir haben es sehr schön jetzt“, wird ihr Mann Thore später sagen, genauso „schön“, wie auch seine Schwester Swintha „es sich eingerichtet“ hat – weit weg und entfremdet von der Familie, hat sie sich längst abgewendet von den nationalsozialistischen Idealen ihrer Eltern.

Erinnerungen
Schon die erste Begegnung der zwei Frauen lässt auf den weiteren Verlauf der Handlung schließen. Leichte Verunsicherung auf beiden Seiten, auf die herzliche Begrüßung Theresas folgt Swinthas vorsichtige Distanziertheit. Ihre ablehnende Haltung dem Bruder Thore gegenüber zieht sich durch, und trotzdem taucht die Schwester nach zehn Jahren unerwartet auf und bringt die verdrängte Familiengeschichte zur Sprache. So wirkt es anfangs leicht aufgesetzt, wenn die Figuren ohne näheren Kontext von einzelnen Details ihrer Kindheit erzählen und Theresa betrunken und emotional von ihrer Vergangenheit eingeholt wird. Von einer schlechten Kindheit in die andere haben sich die Figuren von Gewalt, Missbrauch und rassistischen Ideologien auch im Erwachsenenleben nicht immer befreien können. Für die dafür verantwortlichen Eltern interessiert sich die reflektierte Swintha nicht, Thore erzählt ihr „trotzdem“, wie es um die Familie in der Gegenwart steht. So setzt sich die tragische Geschichte nach und nach zusammen. Erinnerung für Erinnerung werden die Verhältnisse drei unterschiedlicher Kindheiten für das Publikum konstruiert, bis Thore schuldbewusst und doch rechtfertigend zum Punkt kommt und das eigene Verschulden am Tod des kleinen lange Zeit verschwiegenen Bruders erklärt.
Ambivalenz
Mit durchdachten und bedeutungsvollen Wendungen schafft es Diwiak, Denkweisen und ambivalente Züge der Charaktere durchschaubar zu machen, und es entfaltet sich in der Regie von Sabine Lorenz eine interessante Dynamik, in der Gewalt und Sentimentalität nah beieinanderliegen. So erzählt Thore nur kurze Zeit, nachdem er seine Frau zu Boden geschlagen hat, davon, wie er Theresa „gerettet“ hat.
Die spannungsvolle Atmosphäre dieses ernsten und schweren Stücks wird durch die überzeugenden Darstellungen von Katharina Dalichau (Swintha), Caroline Hochfelner (Theresa) und Boris Schumm (Thore) getragen und vom Bühnenbild noch intensiviert, etwa mit Windgeräuschen und projizierten Bäumen, wenn über den im Wald erfrorenen Bruder gesprochen wird.

Recherche
„Die Erwachsenen“ macht authentisch darauf aufmerksam, wie sich nationalsozialistische Gesinnungen auf Familien immer noch auswirken. Denn obwohl man das Erzählte als Zuschauer eher der Vergangenheit zuordnen würde, sind Diwiaks Figuren in der jüngsten Gegenwart angesiedelt, wie sie im Gespräch nach der Kosmodrom-Premiere erklärt. Für ihren Text habe die Autorin viel über den Nationalsozialismus im Sinne der historischen Aufarbeitung recherchiert und das Stück an das Leben von Heidi Benneckenstein angelehnt, die als Kind in einer Neonazi-Familie aufgewachsen ist und in ihrer Biografie beschreibt, wie diese Ideologien in ihrer Jugend gelebt wurden. Das Stück gewann den zweiten Platz des Ingo & Ingeborg Springenschmid Preis, mit dem das Theater Kosmos seit 2022 einen neuen Impuls für junge Autorinnen und Autoren setzt.
Weitere Termine bis 26. Jänner, Theater Kosmos, Bregenz.