Hittisauer veranstaltet Retreat für Schwule

Bernhard Dünser möchte mit „gay motion“ homosexuellen Männern einen Safe Space bieten, wo sie sich austauschen können.
Das, was es in Spanien etwa bereits gibt, kommt nun als Prämiere nach Vorarlberg: Ein Retreat für schwule und bisexuelle Männer. Bei „gay motion“ verbringen die Teilnehmer ein langes Wochenende im Oktober im Hotel Adler in Schoppernau.
“gay motion”

Im Rahmen des Events gehen die Männer gemeinsam Wandern, tauschen sich untereinander aus, absolvieren Workshops und lauschen Vorträgen. Veranstalter und ausgebildeter systemischer Lebens- und Sozialberater Bernhard Dünser möchte homosexuellen Männern beim Retreat einen Safe Space bieten. Denn unter sich sind Männer meist offener mit bestimmten Anliegen: „Das ist ein großer Unterschied, wenn Männer nur unter sich sind, dann reden sie ganz anders über ihre Themen. Und schwule Männer haben nochmal andere Themen als Hetero-Männer.“
Im Juni veranstaltete der Wahlhittisauer bereits seine erste „gay Wanderung“ auf die Kanisfluh. Dafür sind Teilnehmer sogar aus Wien und anderen Städten angereist. Die längste Anreise war acht Stunden.
Jobabsagen aufgrund von Homosexualität
Dabei war ein präsentes Thema etwa Absagen auf Bewerbungen. Der Hintergrund ist erschreckend. Dünser erzählt davon, dass manche schwule Männer in Vorarlberg den Job nicht bekommen würden, weil die Führungskräfte Angst hätten, dadurch muslimische Mitarbeiter zu verlieren. Dann sei Austausch von Erfahrungen, Tipps für offene Unternehmen oder das gegenseitige Stärken innerhalb der Community gefragt. „Mir ist es ja auch so gegangen, ich habe bei meinem Coming-out in der Personalentwicklung gearbeitet und bin dann auf verschiedenste Projekte nicht nochmal eingeladen worden“, erzählt Dünser. Er hat dies dann angesprochen und den Zusammenhang hinterfragt. Der Vorwurf wurde dementiert. Einladungen bekam er dennoch keine mehr. „Da hat sich für mich mein Verdacht bestätigt.“

Das Coming Out und das lange Schweigen davor ist für viele Homosexuelle ein großes Thema, welches auch beim Retreat für Gesprächsstoff sorgen wird. Etwa ist es für geflüchtete Menschen, in deren Heimatländern die Todesstrafe auf Homosexualität gilt, mit Angst vor Verfolgung behaftet. Auch Ängste, die Familie oder Freunde zu verlieren oder Ängste, was andere wohl denken, sind präsent.
“Habe in zwei Welten gelebt”
„Mir geht es gut. Ich habe meinen Weg gefunden“, meint Dünser. Sein Outing vor vier Jahren war das Ergebnis eines längeren Prozesses. „Ich habe über 30 Jahre lang gewusst, dass ich schwul bin“, erinnert sich der Wahlhittisauer zurück. Trotzdem führte er eine heterosexuelle Beziehung, aus der drei Kinder hervorgehen.
„Ich habe immer in zwei Welten gelebt. Das Unterdrücken und das Führen eines anderen Lebens hemmt viel Energie“, erinnert er sich zurück. Eine persönliche Krise und dass es seine Familie belastet hat, war der Wendepunkt, dass er dann offen zu seiner Homosexualität stand. Inzwischen hat er sich von seiner Ex-Frau getrennt, hat einen Partner und wohnt in einem Anbau bei seinem vorherigen Haus. So ist er seinen Kindern nahe. Dadurch, dass er in Väterkarenz war, konnte er eine gute Bindung aufbauen und profitiert heute noch davon. Das machte auch die Scheidung leichter. Er ging offen mit seinem Outing um. „Ich wollte meine Kinder schützen und die Gerüchteküche umgehen. Ich habe ihnen den Topf zum Suppe kochen genommen“, meint der 46-Jährige. Dadurch kamen die Leute auf ihn zu und haben ihn auch direkt dazu gefragt. „Wir haben nur ein Ziel gehabt: Eltern für die Kinder zu bleiben.“ Er zeigt auf ein Fenster mit Blick von oben auf Hittisau hinunter und meint: „Ich bin ganz normal im Dorf. Ich habe das Gefühl, ich bin total integriert.“

Beste Ausbildung
Dünser will seine individuellen Erfahrungen an andere weiter geben. „Diese Ausbildung gibt es nirgends“, erklärt er, wieso die persönliche Geschichte hilfreich bei seiner Tätigkeit als Berater ist. Dadurch könne er die Ruhe bewahren und es gibt ihm Zuversicht, die er an seine Klienten weitergeben kann.

Doch er berät nicht nur homosexuelle Personen. Dies ist nur ein Teilbereich und macht nur ein Viertel seiner Tätigkeit aus. Die Männerberatung ist sein Steckenpferd. Dazu gehören Themen wie Midlifecrisis, Energie und Identität. Die Beratung findet in Räumlichkeiten bei ihm zu Hause statt: Im „Café am Waldrand“. Am Freitag hatte er seinen letzten Schultag als Lehrer und wird sich nun noch mehr dieser Berufung widmen. Doch erst mal gibt es Sommerferien.
