Eine alpine Oase der Vielfalt

Der alpinen Landwirtschaft sind natürliche Grenzen gesetzt. Was in diesen möglich ist, beweist der Dornerhof in Sibratsgfäll. Sie bauen auf fast 1000 Meter ganzjährig Gemüse an und praktizieren eine vorbildliche Tierhaltung.
Der Tag hat 24 Stunden“ antwortet Markus Dorner (47) mit halbernstem Lachen auf die Frage, wie das alles möglich ist. Gemeinsam mit seiner Frau Tanja (45) steht er in einem 300 Quadratmeter großem Gewächshaus, das ganzjährig in Betrieb ist. Auf fast 1000 Meter Seehöhe wachsen hier Paprika, Pak Choi, Physalis und vieles mehr. Sogar im Winter gedeiht Salate. Umsichtige Buchhaltung, eine Kooperation mit der Lebenshilfe, ein eigenes Heizwerk machen das möglich.
Laufstall ist Saustall
Der Dornerhof wird in vierter Generation geführt und war ursprünglich ein Milchviehbetrieb. „Mein Vater baute 1998 den ersten Laufstall im Ort. Man hat zu ihm gesagt, Laufstall ist Saustall. Ich werde nie vergessen, wie er kämpfen musste“, erinnert sich der Landwirt zurück. Nach der Hofübernahme 2002 begann er allmählich den väterlichen Eigensinn fortzusetzen und stellte 2010 von Milchwirtschaft auf Weiderindermast um. Aus der naturnah-konventionellen wurde eine biologische Landwirtschaft: „Dank dem Laufstall und da mein Vater 20 Jahre lang nachweislich nichts ausgebracht hat, ging der Umstieg ratzfatz.“


Die Tiere werden im Stall getötet
Während der Landwirt durch den Stall führt, sieht man außer Katzen und Schwalben keine anderen Tiere. Stattdessen grast ein Teil der 24 Rinder tagsüber auf einer Weide unterhalb des Hofs. Die anderen verbringen den Sommer auf der Alpe Samstersberg bei Balderschwang. Diese wird von Dorners Schwager geführt und ist in 20 Minuten mit dem Auto erreichbar. Mutterkühe gibt es auf dem Hof keine. Stattdessen kauft er seine Kälber beim Sulzberger Milchbauern Alexander Herburger. „Wir verbringen zwei Jahre mit den Rindern und tun unser Bestes, damit es den Tieren gut geht. Bei einer normalen Schlachtung sind die Rinder großem Stress ausgesetzt, da sie aus ihrem gewohnten Umfeld gerissen werden. Wenn das bei der Tötung passiert, hat es massive Auswirkungen auf die Fleischqualität“, erklärt der 47-Jährige. Bemüht, einen alternativen Weg zu finden, bekam er im Dezember 2022 von den Behörden die Erlaubnis, die Tiere im Stall zu schießen. Nach der Tötung werden sie in der Andelsbucher Fleischerei Fetz geschlachtet und zerlegt. „Kein Tier verlässt lebend den Hof“, scherzt Dorner und fügt hinzu: „Außer auf dem Weg zur Alpe oder Weide.


Visionen kalkulieren
Der 47-Jährige betreibt, nebenbei trifft es nicht, eine Kanzlei mit fünf Mitarbeitern in Egg. Ihr Spezialgebiet ist Finanzierung von Wohnimmobilien und Versicherungen. Frau Dorner stammt aus dem Pitztal und arbeitet als Buchhalterin. Am Hof ist sie unter anderem für die Zahlen und die Ferienwohnungen zuständig. Ihr Ehemann begann sein Berufsleben als Käsemacher in der Sennerei Sibratsgfäll. Den Weg in die Finanzbranche fand er erst, als ihn Rückenprobleme zur Umorientierung zwangen. Gemeinsam können sie ihre Vision einer Landwirtschaft nicht nur formulieren, sondern den Weg kalkulieren.

Wärme senden und Ideen gemeinsam umsetzen
Seit der Betriebsübernahme wuchs der Hof an Vielfalt. 2011 ging ein eigenes Heizwerk in Betrieb. Kindergarten, Schule, Kirche, Sennerei, das Gemeindeamt und viele andere Bauten werden dadurch mit Wärme versorgt, nicht zuletzt auch das Gewächshaus im Winter. „Die Wertschöpfung bleibt im Ort, da wir die 700 Festmeter Holz pro Jahr in einem Umkreis von fünf Kilometern zukaufen. 250.000 Liter Heizöl können wir dadurch ersetzen“, berichtet der Landwirt stolz. Mit Marc Beck (47) kam vor fünf Jahren ein Vollzeitmitarbeiter an den Hof. Der gelernter Physiotherapeut aus Deutschland managt unter der Woche das Tagesgeschäft und bringt eigene Ideen ein. So wurde ein mobiler Stall für 220 Legehennen angeschafft, der bald durch einen festen ersetzt wird. Die überschüssigen Eier werden nicht weggeworfen, sondern zu Nudeln verarbeitet. Beck betätigt sich auch als Imker. Er ist für zwölf Bienenvölker zuständig. „Am Wochenende stehe ich im Stall. Wenn die Heuarbeiten anstehen, sind wir natürlich alle da. Wichtige Entscheidungen treffen wir alle gemeinsam“, erläutert Dorner. Im Herbst sollen Schweine dazu kommen. Langfristig ist eine Streuobstwiese geplant.

Eine gelungene Partnerschaft
Die Lebenshilfe kommt seit zwei Jahren immer montags bis donnerstags zu viert mit einer Betreuerin an den Hof. „Hauptsächlich betätigen sie sich im Gewächshaus. Wenn aber der Hubert kommt, füttert er erst einmal die Rinder. Es ist eine gelungene Partnerschaft. Wenn möglich, bringen sie die Produkte selbst mit dem Bus zum Hotel Schiff nach Hittisau“, freut sich der Sibratsgfäller.

Im Dialog mit Konsumenten
Neben dem Hotel beziehen Gastronomiebetriebe wie The Falling Cow in Bezau oder das Hörnlingen in Rankweil Produkte vom Dornerhof. Die Bezauer Burgermacher alleine verarbeiten alle vier Wochen ein Rind in der Hautsaison. Privatkunden bieten sie eine eigene Bauernkiste an. „Wir bestücken sie mit dem was da ist. Zuvor weiß niemand genau, was er kriegt“, erklärt Frau Dorner mit verschmitztem Lächeln. Man kann ihre Waren auch nebenan in der Bäckerei Dorner, die der Bruder des Bauern betreibt, erwerben oder im eigenen Hofladen vorbeischauen. Für alle, die sich selbst einen Eindruck verschaffen wollen, findet von Mai bis Oktober jeden ersten Samstag im Monat ein Slow-Food-Markt am Hof statt. „Es kommen immer zehn bis 15 Produzenten aus der Region, die nach derselben Philosophie arbeiten wie wir. Uns ist wichtig, dass sie persönlich da sind, um den Dialog mit den Konsumenten zu vertiefen“, schwärmt der Bauer.
