Rechtsstreit um Maisäß: “Droht 30 Jahre nach einer ‘Selbstanzeige’ jetzt der Abbruch?”

15.12.2024 • 07:00 Uhr
Rechtsstreit um Maisäß: "Droht 30 Jahre nach einer 'Selbstanzeige' jetzt der Abbruch?"
Bernd Widerin steht Hermann Bickel als Rechtsbeistand im Kampf um seinen Maisäß zurseite.

Rechtsanwalt Bernd Widerin vertritt Hermann Bickel im Kampf um sein liebgewonnenes Maisäß. Der 85-Jährige soll sein Kleinod nach rund 50-jähriger Nutzung und aufwendiger Instandhaltung in den Urzustand zurückversetzen. Ein Rechtsstreit, der richtungsweisend sein könnte.

NEUE am Sonntag: Wie war die Resonanz für Sie und Ihren Mandanten Hermann Bickel, als die Geschichte die lokalen Schlagzeilen der vergangenen Woche dominierte?

Bernd Widerin: Ganz überwiegend positiv und – erwartungsgemäß – mit wenig Verständnis für die Vorgangsweise der Gemeinde. Dass jemand 50 Jahre nach einem mündlich genehmigten und wirklich bescheidenen Innenausbau zur Selbstnutzung und 30 Jahre nach einer formalen „Selbstanzeige“ dieses Umbaus nun mit dem Abbruch konfrontiert wird, kann man ja kaum jemand nachvollziehbar erklären.

Rechtsstreit um Maisäß: "Droht 30 Jahre nach einer 'Selbstanzeige' jetzt der Abbruch?"
Der Bludenzer Rechtsanwalt Bernd Widerin vertritt Hermann Bickel.

NEUE am Sonntag: Welchen Eindruck haben Sie aus der Verhandlung mitgenommen?

Widerin: Die Gemeinde orientiert sich am Wortlaut des Gesetzes und ist der Ansicht, die Bestimmungen richtig und korrekt umzusetzen. Tatsächlich ist die Rechtslage im Hinblick auf die baurechtlichen Bestimmungen jedenfalls „interpretationsfähig“, sonst wären wir nicht, wo wir sind. Die zuständigen Richterinnen am Landesverwaltungsgericht werden sich der Sache mit Sicherheit akribisch annehmen und eine Entscheidung treffen.

NEUE am Sonntag: Wieso sind in so einem Fall gleich zwei Richterinnen im Einsatz, welche Auswirkungen hat das auf den Rechtsspruch?

Widerin: Weil es zwei Verfahren in zwei verschiedenen Abteilungen sind.  Zum Einen geht es um die nach Ansicht der Gemeinde fehlende Baubewilligung und zum Anderen um die Untersagung der Nutzung des Stalls als Ferienwohnung, im Falle meines Mandanten für den eigenen Gebrauch.

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NEUE am Sonntag: Das Urteil ergeht schriftlich. Bis wann ist damit zu rechnen?

Widerin: Das kann ich nicht beantworten, weil es insbesondere vom Arbeitsanfall der zuständigen Richterinnen abhängt. Aber Geschwindigkeit ist keine juristische Kategorie und bei so weitreichenden Entscheidungen sollte man sich Zeit lassen. Es gibt allein im Montafon an die 1500 Maisäße. Es würde mich nicht wundern, wenn eine nicht unerhebliche Zahl von Maisäßbesitzern plötzlich ein ungutes Gefühl bekommt.

NEUE am Sonntag: Wie planen Sie dann im Fall eines negativen Urteils weiter vorzugehen?

Rechtsstreit um Maisäß: "Droht 30 Jahre nach einer 'Selbstanzeige' jetzt der Abbruch?"
Hermann Bickel lässt sich nicht unterkriegen und kämpft um sein Recht. Hartinger

Widerin: Das hängt natürlich zunächst von der Begründung ab, wobei ich mir diese bei einer negativen Entscheidung jetzt schon ausmalen kann. Ich gehe aber davon aus, dass wir es höchstgerichtlich bekämpfen würden.

NEUE am Sonntag: Was erwarten Sie sich von der Politik, die hier offensichtlich gefordert ist?

Widerin: Ich persönlich glaube, dass der Landesgesetzgeber schon mit der Änderung des Raumplanungsgesetzes 1993 exakt diese Gegebenheiten sanieren wollte. Vielleicht war die Formulierung damals ein wenig unglücklich gewählt, aber das ließe sich relativ leicht sanieren. Die Politik wird im Interesse der Maisäßbesitzer und der betroffenen Gemeinden dringend eine eindeutige Regelung treffen müssen, wie mit solchen jahrzehntealten Bauten, für die es de facto keine schriftlichen Baubewilligungen gibt  – weil es damals einfach nicht Usus war – , umzugehen ist. Die im Jahre 1993 gesetzte Frist, wonach die Gemeinde über angezeigte Änderungen sowohl baurechtlich als auch nutzungsrechtlich binnen sechs Monaten abzusprechen gehabt hätte, ist möglicherweise rechtlich ohne Wirkung. Das wird sich zeigen.

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Mario Leiter und die SPÖ Vorarlberg bringen einen Antrag im Landtag ein. Hartinger

SPÖ bringt Antrag auf Änderung des Raumplanungsgesetz im Landtag ein

Die SPÖ-Landtagsfraktion in Vorarlberg setzt sich für die rechtliche Absicherung und Klarstellung zur Neuerrichtung von Maisäßgebäuden ein. 

Aktuelle Gesetzesvorgaben, wie § 16a des Raumplanungsgesetzes, erschweren jedoch deren Neubau, selbst wenn die Gebäude durch Verfall oder Abriss verloren gehen. Auch als Reaktion auf die NEUE-Berichterstattung bringt die SPÖ eine konkrete Gesetzesänderung an den Landtag ein.

„Aktuell ist das Raumplanungsgesetz in dieser Hinsicht unzureichend. Hier muss dringend nachgebessert werden“, so Mario Leiter. Bestehende Maisäßgebäude sollen auch in Fällen eines Neubaus rechtlich geschützt und gleichbehandelt werden, um kulturelles Erbe und Identität zu sichern.

(NEUE Vorarlberger Tageszeitung)