Kein Baugrund, aber was ist der Grund dafür?

Eine Dornbirner Familie versucht seit 40 Jahren, ihr Grundstück am Siedlungsrand als Bauland zu widmen. Die Stadt lehnt ab.
Markus Gutschi ist es gewohnt, Geduld zu haben. Doch nach mehr als vier Jahrzehnten ohne Erfolg ist auch bei ihm die Frustration groß. „Wir kämpfen seit den 1980er-Jahren darum, unser Grundstück in Bauland umwidmen zu lassen“, sagt der vierfache Vater im Gespräch mit der NEUE. „Es geht um ein kleines, erschlossenes Grundstück und um die Frage, warum große Bauträger genehmigt werden, wir aber immer abblitzen.“ Die Liegenschaft liegt im Stadtteil Rohrbach, rund 500 Meter von der Autobahn und etwa 150 Meter von der Abwasserreinigungsanlage (ARA) entfernt. Gewidmet ist sie seit 1993 als „Freifläche – Sondergebiet Kleingärten“. Eine Nutzungskategorie, die zwar kleinere Bauten erlaubt, aber keine Wohnnutzung. Für Gutschi ist das unverständlich: „Mein Grundstück liegt neben einem Mehrparteienhaus, für das ebenfalls umgewidmet wurde. Wieso geht das dort, aber bei mir nicht?“

Fälle in der Nachbarschaft
Tatsächlich wurde im Jahr 2018 die Widmung zweier benachbarter Grundstücke geändert, um ein Wohnbauprojekt zu ermöglichen. Die Stadt erklärt dazu, diese Flächen hätten bereits teilweise innerhalb der Siedlungsgrenze gelegen. Für Gutschi ist das nicht nachvollziehbar: „Diese Grenzen wurden intern definiert. Im Gelände ist kein Unterschied zwischen meinem Grundstück und denen daneben.“

Unmittelbar neben seinem Grundstück wurde 2007 ein sogenanntes Schrebergartenhaus genehmigt, inklusive Keller, Strom- und Wasseranschluss sowie Garage mit Werkstatt. „Wenn das der Standard für Kleingärten ist, dann weiß ich nicht mehr, was noch ein Wohnhaus ist“, meint Markus Gutschi. Die Stadt verweist darauf, dass es sich um eine rechtlich mögliche Nutzung innerhalb der Widmungskategorie gehandelt habe, die tatsächliche Nutzung wäre erneut zu prüfen. Gutschi betont allerdings, dass er kein Interesse daran hat, seinem Nachbarn etwas wegzunehmen. „Das bringt mir nichts. Ich will nur die gleiche Möglichkeit wie andere auch.“

Grundsätzlich wäre auch Gutschi berechtigt, auf seinem Grundstück ein Schrebergartenhaus zu errichten, denn eine explizite Richtlinie zur Gestaltung oder Größe solcher Bauten gibt es nicht. Doch das kommt für ihn nicht infrage: „Ich will kein Gartenhaus mit Lagerfunktion. Ich will ein richtiges Wohnhaus für meine Familie.“
Verweis auf Raumordnung
Gegenüber der NEUE am Sonntag erklärt die Stadt Dornbirn: „Die bestehende Widmung kann aus fachlicher Sicht weiterhin als korrekt beurteilt werden.“ Der Grundstücksteil sei Teil einer Pufferzone zur ARA und liege außerhalb der im Siedlungsleitbild 2016 definierten Siedlungsgrenzen. Der räumliche Entwicklungsplan (REP) habe diese Grenze zuletzt bestätigt. Auch der unabhängige Sachverständigenrat (USR) des Landes empfahl 2018, keine Umwidmung vorzunehmen.

Gutschi sieht das anders. Die ARA störe ihn nicht, sagt er: „Ich habe jahrelang 150 Meter weiter gewohnt. Von Geruch kann keine Rede sein.“ Das zweite Argument – die Nähe zur Autobahn – sei für ihn ebenso nicht nachvollziehbar. „Es sind 500 Meter zur Autobahn. Laut Gesetz gilt ein Schutzstreifen von 40 Metern. Wenn das eine Argument entkräftet ist, lässt man sich einfach etwas Neues einfallen“, so Gutschis Einschätzung.
300.000 Euro
Warum Gutschi nicht einfach ein anderes Grundstück kauft? „Ich will nicht verkaufen. Ich will auf meinem Grund ein Haus bauen.“ Rechnet man den Wert seines nicht gewidmeten Grundstücks (ca. 175 Euro/m²) mit dem Preis für ein zentrumsnahes Baugrundstück (bis zu 1.350 Euro/m²) gegen, ergibt sich eine Lücke von rund 293.750 Euro. Für Gutschi unleistbar. Derzeit lebt er mit zwei seiner vier Kinder in einer Drei-Zimmer-Wohnung. Er sagt: „Ich will nicht spekulieren. Ich will wohnen. Und zwar dort, wo meine Familie seit Jahrzehnten lebt.“ Die Stadt argumentiert mit dem Leitbild von 2016 und dem REP. Laut § 23 RPG besteht kein Rechtsanspruch auf eine Umwidmung. Private Einzeleigentümer wie Markus Gutschi und seine Familie haben es damit schwerer als Projektentwickler, auch wenn das politisch nicht gern ausgesprochen wird.
- 1100 Euro kostete 2024 der Quadratmeter Bauland in Zentrumslage in Dornbirn durchschnittlich. Im Vergleich dazu waren die Preise für Grundstücke am Stadtrand mit 750-900 Euro/m² deutlich günstiger.
- 250 Quadratmeter gelten allgemein als untere Grenze, um in verdichteter Bauweise ein Einfamilienhaus zu bauen. In Dornbirn werden Einfamilienhäuser meist auf 350-550m² errichtet.
- 15 Prozent der in den letzten fünf Jahren in Baufläche umgewidmeten Grundstücke in Dornbirn wurden auf Antrag privater Eigentümer umgewidmet. Die Übrigen auf Anträge von Bauträgern und Projektentwicklern.
- 42 Jahre lang versucht Familie Gutschi bereits, das Grundstück in Bauland umzuwidmen. Der erste Antrag liegt in den 1980er-Jahren.
- 300.000 Euro höhere Kosten würden anfallen, wenn Markus Gutschi sein Grundstück mit aktueller Widmung verkaufen und stattdessen ein gleich großes Grundstück in zentrumsnaher Lage kaufen würde.
- 500 Meter weit ist das Grundstück von Markus Gutschi von der Autobahn entfernt. Laut Bundesstraßengesetz gelten bauliche Einschränkungen für 40 Meter beiderseitig der Autobahn.