Politik

Ein Parteidiener als Kronzeuge wider Willen

17.02.2022 • 21:00 Uhr
Michael Kloibmüller
Michael Kloibmüller. (c) APA/GEORG HOCHMUTH

Michael Kloibmüller gilt als Zentralfigur des ÖVP-Postenschachers. Was steckt dahinter?

Alles begann mit Wolfgang Sobotkas Leidenschaft fürs Gärtnern. Wegen dieser Passion führt der Politiker häufig Gäste durch die Landesgartenschau in Tulln. Bei so einem Ausflug im Juli 2017 passierte es: Die Gruppe mietete sechs Kanus, zwei davon kenterten auf der Alten Donau, drei Männer fielen ins Wasser.

Einer war Sobotkas Ex-Kabinettschef Michael Kloibmüller. Um Fotos seiner Kinder zu retten, übergab er sein durchnässtes Handy an den IT-Experten Anton H. vom Verfassungsschutz-Amt BVT. Zwei Tage später bekam Kloibmüller ein Mail: Die Daten seien leider unrettbar verloren, das Handy werde vernichtet.

Doch in Wahrheit hatte H. die Daten offenbar illegal abgesaugt und verbreitet. Im Februar 2021 tauchten sie bei einer Hausdurchsuchung auf, und seither gelten die „Kloibmüller-Chats“ als politisch heiße Ware, ebenbürtig jenen berüchtigten Chatnachrichten von Thomas Schmid im Außenministerium.

“Parteibuchdiktatur”

Frei nach Peter Pilz belegen die Schmid-Chats böse Machenschaften der „türkisen“ ÖVP, während die Kloibmüller-Chats vom jahrzehntelangen Postenschacher der „schwarzen“ ÖVP künden sollen. „Kloibmüller war der heimliche Innenminister, er hat die rot-schwarze Proporzwirtschaft ausgebaut zu einer FCG-ÖAAB-Parteibuchdiktatur“, sagt Pilz.

Ob die Chats das wirklich hergeben, wird der ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss ab März zeigen. Kloibmüller steht auf der Liste der ersten 25 Zeugen. Zu erzählen hat der 1970 in Gmunden geborene Gendarm zweifellos viel. Denn nach Polizeidienst in Vöcklabruck und Hörsching und einem berufsbegleitenden Jus-Studium holte ihn Ernst Strasser, einst Innenminister von Schwarz-Blau, im Februar 2000 in sein Kabinett.

Schon damals zog der eingefleischte Personalvertreter bei Postenbesetzungen die Fäden. Einschlägige Mails reichen zurück bis ins Jahr 2001: „Der von (Erwin) Pröll angesprochene Kandidat ist nicht unserer!!!!“, kabelte Kloibmüller mit vier Rufzeichen an einen Kollegen. Man müsse dem Landeshauptmann „von weiterem Engagement abraten“.

Minister gingen, Kloibmüller blieb

Die Minister kamen und gingen, Staats- und Parteidiener Kloibmüller blieb. Liese Prokop, Günther Platter, Maria Fekter, Johanna Mikl-Leitner, Wolfgang Sobotka: Wen auch immer die ÖVP fürs Innenressort aufbot, Kloibmüller war da. Zuerst als Kabinettsmitarbeiter, dann als Personal- und später Kabinettschef, zuletzt als Chef der Präsidialsektion.

Erst 2017 wurde die vermeintlich gottgewollte Ordnung gestört: Mit Herbert Kickl zog ein FPÖ-Minister in der Wiener Herrengasse ein. Kloibmüller mochte dem Unerhörten nicht tatenlos zusehen. Er wechselte im März 2018 in eine „Privatfirma in Niederösterreich“, wie verlautbart wurde. Was man in St. Pölten unter Privatwirtschaft versteht, wissen wir heute: Kloibmüller führt drei Wohnbaugesellschaften, die alle im Dunstkreis von Landes-Hypobank und Landwirtschaftskammer siedeln und letztlich dem Land gehören. Dafür ließ er sich als Beamter für zehn Jahre karenzieren – das ist die gesetzliche Maximalfrist.

13 verdächtige Einflussnahmen

Nun könnte dem Strippenzieher abermals ein Rollenwechsel bevorstehen, wenn er unfreiwillig Kronzeuge der Anklage wird. Zumindest 13 „verdächtige“ Interventionen haben Journalisten aus dem Daten-Wust herausgesiebt. Das ist nicht viel, aber teils deftig: „Merk dir die arschlocher u wir knöpfen sie uns einzeln vor“, schrieb er an den Salzburger Verfassungsschützer Georg Angerer, als dieser seine Funktion als ÖVP-Stadtrat in Hallein niederlegen musste, weil SPÖ und FPÖ das für unvereinbar mit seinem Polizei-Job hielten.

Doch zu viel sollten sich die Ankläger nicht erwarten. Denn Kloibmüller intervenierte auch mehrfach für SPÖ- und FPÖ-Polizisten, wie die Chats zeigen. Und er hat sich eine robuste Verteidigung zurechtgelegt: Laut Gesetz sind Jobs im Bundesdienst „im Einvernehmen mit der Personalvertretung“ zu besetzen. Da aber die Personalvertretung „fraktionell organisiert“ sei, stehe die parteipolitische Vergabe sozusagen im Gesetz. Das sei übrigens besser als jedes andere System – denn die Personalvertreter seien immerhin gewählt. Es handle sich daher um „demokratische Kontrolle“.