Politik

Fuchs: Observation der WKStA

03.05.2022 • 12:49 Uhr
Der Leiter der Oberstaatsanwaltschaft Wien, Johann Fuchs, auf dem Weg in den Ausschuss
Der Leiter der Oberstaatsanwaltschaft Wien, Johann Fuchs, auf dem Weg in den Ausschuss APA/HELMUT FOHRINGER

Johann Fuchs weist Vorwürfe der Staatsanwaltschaft Innsbruck gegen sich zurück.

Ob, wie und warum der suspendierte Chef der Strafrechtssektion im Justizministerium Korruptionsermittlungen behindert hat, will sich die Opposition heute genauer anschauen. Antworten geben sollen Christian Pilnacek und sein Vertrauter Johann Fuchs, Leiter der Oberstaatsanwaltschaft (OStA) Wien. Zweiterer wird zuerst befragt

Die Opposition vermutet hinter den hohen Beamten des Justiz-Ressorts ein türkises “System Pilnacek”. Innerhalb der Justiz wird Aufklärung gefordert, die Staatsanwaltschaft Innsbruck führt Pilnacek und Fuchs als Beschuldigte: Gegen Fuchs wurde mittlerweile ein Strafantrag wegen Verletzung des Amtsgeheimnisses und Falschaussage vor dem Ibiza-Untersuchungsausschuss eingebracht.

Fuchs “nicht Teil eines Netzwerks”

Eine politische Färbung weist Fuchs deutlich zurück: “Tatsächlich gehöre ich keiner Partei an, ich bin nicht Mitglied eines wie immer gearteten Netzwerks, ich bin Staatsanwalt” – und als solcher den Gesetzen verpflichtet. Auch oft kritisierte überbordende Berichtspflichten der WKStA weist er zurück. Von den dabei bis zum Februar 2021 erstatteten 181 Berichten der WKStA seien nicht einmal zehn Prozent von ihm bzw. der Oberstaatsanwaltschaft Wien ausgelöst worden. Er habe nie versucht, Staatsanwälte zu observieren, das sei auch nie geschehen.

Chats zwischen Pilnacek und Fuchs, die “irgendwo im Nirwana” des Datenmanagements aufgetaucht seien, würden beweisen, dass er nie gegen die WKStA gehandelt habe und nie Informationen an Dritte geleakt habe. Außerdem würden sie “unsere Verzweiflung” zeigen, dass ständig Informationen aus Dienstbesprechungen an die Öffentlichkeit gelangen würden.

Zeitungen lesen gegen Justiz-Leaks

Die Staatsanwaltschaft sei nur so “eng wie ein Fischernetz” gewesen, was Leaks aus Interna betroffen hätte, kritisiert Fuchs. Der Leiter der OStA Wien bringt ein Beispiel, in dem Informationen aus einer Dienstbesprechung binnen zwei Stunden in einem Artikel des “Standard” erschienen seien – noch bevor die darin besprochene Weisung des damaligen Justizministers Clemens Jabloner geschrieben war, betonte Fuchs.

Er habe daher mit dem damaligen Soko-Tape-Chef Andreas Holzer ein “Monitoringsystem” oder “Risikomanagementsystem” angedacht, das zuerst Medien beobachtet und “Zeitungen gelesen” hätte und dann verglichen hätte, woher geheime Informationen kommen hätten können. In den meisten Fällen von “Leaks” habe es aber bereits Akteneinsicht von Beschuldigten gegeben, deren Anwälte Informationen an Medien weitergeben dürfen, so der Leiter der OStA Wien. Um herauszufinden, wann das nicht der Fall war und wer dann geleakt haben könne, sei eben das Monitoringsystem geplant gewesen. In einem weiteren Schritt hätte dann das Bundesamt für Korruptionsbekämpfung (BAK) ermitteln können.

Die Chats mit Pilnacek seien “Plaudereien unter vier Augen”. Dass Pilnacek geschrieben sich gegen Staatsanwälte der WKStA Observationen vorgestellt hatte, sei eine Lösung gewesen, “die nicht machbar war”, sie sei daher auch nicht angeordnet worden und nie geschehen. Das schriftliche Gespräch mit Pilnacek “war wie im Wirtshaus”, erklärt Fuchs.

Suche nach Chat-Löschungen aus Interesse

Warum Fuchs auf eine Nachricht Pilnaceks schrieb: “Verwendest du auch Signal?”, konnte er nicht beantworten. Würde er wissen, warum er was vor zweieinhalb Jahren geschrieben habe, könne er sich “wahrscheinlich bald den Nobelpreis abholen”, denn eine solche Fertigkeit “grenzt an übermenschliche Fähigkeiten”, hält der ranghohe Jurist fest. Bei Signal handelt es sich um einen verschlüsselten und daher sichereren Kurznachrichtendienst.

Zwei Tage bevor sein Handy beschlagnahmt wurde, suchte Fuchs intensiv nach Möglichkeiten, elektronische Daten – unter anderem Signal-Chats – zu löschen. Das sei aber nicht das erste Mal gewesen, dass er nach Löschmöglichkeiten gesucht habe. Das Thema sei damals aufgrund der Schmid-Chats aktuell gewesen, als “IT-affiner Mensch” habe er sich entsprechend informiert. Die auf seinem Gerät gefundenen Daten würden aber zeigen, dass er keine Daten gelöscht habe, “die ich zum Zeitpunkt des Löschens als relevant betrachtet habe”. Dieser Vorwurf sei sicher einer “der mich in meiner Ehre verletzt”, so Fuchs.

Falsche Vorwürfe

Fuchs betonte in seinem Eingangsstatement, dass keine weiteren Ermittlungen mehr gegen ihn laufen würden. Vorwürfe, er habe Aktenteile an Unabhängige weitergegeben, gebe es nicht. Die Vorwürfe der Falschaussage und des Geheimnisverrats im Strafantrag der Staatsanwaltschaft Innsbruck seien falsch. Vorwürfe, er habe Akten löschen wollen, seien aus der Luft gegriffen und rufschädigend – die StA Innsbruck habe entsprechende Ermittlungen aus einem Mangel an Anfangsverdacht eingestellt.

Die Fach- und Dienstaufsicht über die WKStA habe er “freiwillig” abgegeben, erklärte der Leiter der OStA Wien. Erschwerungen bei der Fach- und Dienstaufsicht würden eine sinnvolle Ausübung derselben erschweren. Dass Weisungen schriftlich erfolgen müssten, würde erst recht zu Leaks führen, sprach er sich für gesetzliche Änderungen aus. Wer aber einen weisungsfreien Generalstaatsanwalt fordere, würde aber “das Kind mit dem Bade ausschütten”.

Eingesetzte Staatsanwältin keine Spionin

Wer die frühere Staatsanwältin Linda Poppenwimmer als Maulwurf oder Spionin bezeichnet habe, könne das nicht aus inhaltlichen Gründen gesagt haben, sagt Fuchs sinngemäß. Ihre Zuteilung zur WKStA habe er nicht selbst durchgeführt, sondern sein Stellvertreter, sagt Fuchs. Da sie keinem großen Verfahren zugeteilt war, sei sie offen gewesen für “komplexere Aufgaben” – und wurde von Fuchs dem Eurofighter-Team zugeteilt, weil bei einer Dienstbesprechung klar geworden wäre, dass hier kein Plan der WKStA bestanden habe.

WKStA-Leiterin Vrabl-Sanda habe seinen Plan zunächst wohlwollend zur Kenntnis genommen und erst später Kritik geübt. Ihre eigenen Pläne habe er aber nie erhalten, “das nächste, was ich dazu erfahren habe, war die Anzeige gegen mich als Folge der Dienstbesprechung”.

Beschuldigte Auskunftspersonen

Die Ermittlungen gegen Pilnacek sind indes noch nicht abgeschlossen. Gegen den einst mächtigen Sektionschef wird wegen des Verdachts der Falschaussage, des Verdachts des Amtsgeheimnisverrats sowie des Amtsmissbrauchs ermittelt. Die Abgeordneten im U-Ausschuss sind aber zuversichtlich, Fragen gefunden zu haben, bei denen sie sich nicht entschlagen können.

Manche der Fragenden werden aber auch auf das Temperament des suspendierten Sektionschefs setzen. Pilnacek ist als wortgewandt bekannt, am Tag seiner Ladung als Auskunftsperson im “Ibiza”-U-Ausschuss trat er am Abend noch in der ZIB2 auf.

Prominente Gäste und “Observationsfantasien”

Pilnacek und Fuchs seien im Osten des Landes “sicher innerhalb der Staatsanwaltschaft die mächtigsten zwei Personen”, sagt SPÖ-Fraktionsführer Kai Jan Krainer. Die beiden seien immer dort besonders aufmerksam gewesen, wo die ÖVP Interessen gehabt hätte, so der SPÖ-Abgeordnete mit Verweis darauf, dass Pilnacek etwa Ex-ÖVP-Finanzminister Josef Pröll und Ex-Raiffeisen-Generaldirektor Walter Rothensteiner empfing, als diese Beschuldigte waren.

Für die grüne Fraktionsführerin Nina Tomaselli beweist die Causa Pilnacek, dass die Justiz funktioniert, da der Sektionschef nach seiner Suspendierung nicht mehr “schalten und walten” kann. Für sie stehen vor allem Pilnaceks “Observationsfantasien” gegenüber der WKStA sowie eigene Leaks durch den Sektionschef im Fokus. Tomaselli interessiert sich besonders für die Causa “Schlößle”, in der die WKStA 2015 nach zwölf Monaten Ermittlungen statt Anklage zu erheben auf Weisung das Verfahren einstellen musste.

Für Neos-Fraktionsführerin Stephanie Krisper steht außer Frage, dass es das “System Pilnacek” gebe – das habe immerhin selbst der Präsident des Oberlandesgerichts (OGH) Innstbruck benannt. Nun gelte es, sich die “Fakten nüchtern anzuschauen” und zu erkennen, “wo Handlungsbedarf besteht”. Krisper fordert noch heuer eine umfassende Justizreform inklusive einer “Bundesstaatsanwaltschaft, die so weit wie möglich von der Politik entfernt steht.”

Wie Krainer und Tomaselli ruft auch Krisper dazu auf, das laufende Antikorruptionsvolksbegehren zu unterschreiben.

FPÖ-Fraktionschef Christian Hafenecker will dort ansetzen, wo der U-Ausschuss vor zwei Wochen aufgehört hat: Bei der Rolle von Linda Poppenwimmer, die als Staatsanwältin in der WKStA in regem Austausch mit Fuchs stand – ohne davon Aktenvermerke anzulegen. Der FPÖ-Abgeordnete interessiert sich aber auch dafür, wieso Fuchs wenige Tage bevor sein Handy beschlagnahmt wurde, online nach digitalen Löschmöglichkeiten suchte.

Hafenecker kündigt an, dass es heute bis zum Abend spannend bleibt: Bezüglich “Interventionswesen” in der Justiz, für das Pilnacek “immer offen gestanden” sei, habe er in den Akten neue Informationen gefunden. Konkret sei bei dem “Silvester-Chat” zwischen Pilnacek und dem steirischen Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer auch der Sohn des Landeshauptmanns involviert gewesen. Dass Pilnaceks seine Frau als “Wohltat für die Gerichtsbarkeit in der Grünen Mark” und somit ausgezeichneter Kandidatin für die Präsidentin des Oberlandesgerichts Graz bezeichnet hatte, löste bei Schützenhöfer aber keine Intervention aus.

ÖVP sieht Einflussnahme von Zadić

Im Jahresbericht 2021 der Volkspartei wurden Pilnacek und Fuchs in einem Gastbeitrag als “das einzige Bollwerk gegen die linksradikale Kampftruppe der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft” bezeichnet. So dramatisch formuliert es der türkise Fraktionsführende Andreas Hanger heute nicht, er betont aber den “jahrelangen Konflikt der WKStA mit der Fach- und Dienstaufsicht”, die Pilnacek und vor allem Fuchs jahrelang innehatten. Hanger ist wichtig, festzuhalten, dass “jeder Staatsanwalt bisher dezidiert ausgeschlossen hat, dass es eine politische Einflussnahme gab”. Die Wahrheitspflicht im U-Ausschuss und die Anzeigepflicht der Staatsanwälte würden das untermauern.

Politische Einflussnahme ortet der türkise Abgeordnete aber beim Koalitionspartner: Die Suspendierung von Fuchs sei per Weisung der grünen Justizministerin Alma Zadić geschehen und 14 Tage später vom OGH aufgehoben worden. Am Strafantrag gegen den Leiter der OStA Wien sei vom Weisungsrat Kritik geübt worden, der überarbeitete Antrag aber dem Weisungsrat nicht mehr vorgelegt worden.

Es sei “bemerkenswert, dass das Justizministerium festgehalten hat, dass man in einem Punkt der Empfehlung des Weisungsrats nicht gefolgt ist”, so Hanger, der ankündigt “weitere Recherchen” anzustellen, wie oft der grüne Koalitionspartner nicht den Empfehlungen des Weisungsrats gefolgt ist.

Am Mittwoch wird die “Justizwoche” im U-Ausschuss fortgesetzt. Neben der jetzigen OGH-Vizepräsidentin Eva Marek sind jener Wiener Staatsanwalt, der derzeit der Innsbrucker Anklagebehörde dienstzugeteilt ist und die Ermittlungen gegen Fuchs und Pilnacek betreut, sowie ein Abteilungsleiter aus der Sektion “Einzelstrafsachen” im Justizministerium zu Gast.