Politik

Wie gefährlich digitale Medien für Kinder sein können

13.01.2024 • 23:00 Uhr
Das Smartphone ist für viele Kinder nicht mehr aus dem Alltag wegzudenken. <span class="copyright">APA/DPA/hase</span>
Das Smartphone ist für viele Kinder nicht mehr aus dem Alltag wegzudenken. APA/DPA/hase

Immer früher sind Kinder und Jugendliche online. Digitale Medien sind für sie oft nicht mehr aus dem Alltag wegzudenken. Zwei Expertinnen klären über Risiken und Gefahren auf.

Anfang dieser Woche stellte die FPÖ Vorarlberg eine Anfrage an die schwarz-grüne Landesregierung. Darin fordert sie Maßnahmen, um „den negativen Auswirkungen von überhöhtem Medienkonsum und schlechten Inhalten entgegenzuwirken“. Der „Schutz der jungen Nutzer“ und die „gesundheitliche Entwicklung der jungen Generation“ soll gewährleistet werden.

Die NEUE am Sonntag hat sich Meinungen von Experten eingeholt, die näher auf die Gefahren von digitalen Medien eingehen. Wo liegen die Gefahren? Wie können Eltern ihre Kinder vor diesen schützen?

Konfliktthema Mediennutzung

Psychotherapeutin Alexandra Ghetta leitet die Kinder- und Jugendberatung das ifs Vorarlberg. In ihrer Arbeit merkt sie, welche Rolle digitale Medien im Leben junger Menschen spielen. Dabei unterscheiden sich die Themen je nach Alter ihrer Klienten, wie sie erzählt: „Bei jüngeren Kindern sind digitale Medien oft ein Konfliktthema. Die Eltern versuchen, die Medienzeiten der Kinder zu begrenzen und stoßen damit auf Ablehnung ihrer Kinder.

Alexandra Ghetta, Leiterin der Kinder- und Jugendberatung des ifs Vorarlberg. <span class="copyright">Dünser</span>
Alexandra Ghetta, Leiterin der Kinder- und Jugendberatung des ifs Vorarlberg. Dünser

Bremse für Entwicklung

Die Folgen von zu hoher Mediennutzung können allerdings drastisch sein, besonders in jungen Jahren. Die Psychotherapeutin führt aus: „Wenn kleine Kinder ihren Eltern ins Gesicht schauen, sehen sie eine Resonanz. Schauen sie stattdessen in ein Handy, fehlt diese Resonanz des Gegenübers.“ Das könne die Entwicklung der Kinder bremsen.

Psychische Probleme und Verhaltensauffälligkeiten, die im Kindesalter auftreten, will Ghetta aber nicht allein auf digitale Medien reduzieren. In einem schwierigen Umfeld kann eine übermäßige Mediennutzung allerdings als eine Art Zusatzerscheinung auftreten. „Kinder, die zu uns kommen, haben vielfach eine schwierige Familiensituation. Bei Umständen wie einer Scheidung haben die Eltern oft nur eingeschränkte Erziehungskompetenzen. Das kann sich auf die Medienzeiten der Kinder auswirken, weil Eltern in dieser Situation weniger Durchsetzungsvermögen haben“, erklärt die Psychotherapeutin.

Geringe Nutzung im frühen Alter

Fabienne Lunardi arbeitet bei der Supro, der Suchtpräventionsstelle der Stiftung Maria Ebene. Dort ist sie Ansprechpartnerin für die Themen Medienerziehung und Medienkompetenz. Die Supro bietet auch Beratung für Eltern an und kann diesen eine fachliche Einschätzung zum Medienkonsum ihrer Kinder zu geben. Auch sie nimmt wahr: „Kinder bekommen immer früher ihr erstes internetfähiges Endgerät.“

Daher lautet ihre Empfehlung: „Bis zum dritten Lebensjahr möglichst keine oder nur wenig Nutzung von digitalen Medien.“ Später sollten sie im Idealfall nur eine von vielen Beschäftigungsmöglichkeiten für Kinder sein.

Auch Alexandra Ghetta spricht die Freizeitgestaltung an: „Man muss immer individuell anschauen, wie die Freizeitbeschäftigung der Kinder aussieht.“ Eine Stunde am Tag am Handy zu sein, ist für ein größeres Kind kein Problem, sofern es sich auch mit anderen Dingen auseinandersetzt. Das bestätigt auch die Psychotherapeutin.

Fabienne Lunardi, Ansprechpartnerin der Supro für Medienerziehung und <br>Medienkompetenz. <span class="copyright">Supro</span>
Fabienne Lunardi, Ansprechpartnerin der Supro für Medienerziehung und
Medienkompetenz. Supro

Nicht altersgerechte Inhalte

Später treten im Umgang mit digitalen Medien neue Herausforderungen auf. Fabienne Lunardi erklärt: „Wenn junge Kinder zum Beispiel bereits in der Volksschule ein eigenes internetfähiges Endgerät besitzen, steigt die Chance, dass sie mit nicht altersentsprechenden Inhalten konfrontiert werden. Dazu zählen: Pornografie, Gewalt, Fakenews, Cybermobbing, Grooming.“

Darin sieht auch Alexandra Ghetta ein Risiko: „Durch nicht altersadäquate Inhalte, etwa Pornografie und Gewalt, können sich Ängste entwickeln. Kinder mit eine ängstlichen Grundstruktur, die stark auf Bilder reagieren oder sehr sensibel sind, können das nicht verarbeiten. Nicht altersgemäße Inhalte können Spuren hinterlassen, die sie bis in den Schlaf verfolgen.“ Bei Pornografie käme außerdem noch hinzu, dass solche Inhalte die Sexualentwicklung der Kinder beeinflussen können.

Allerdings weist die Psychotherapeutin des ifs darauf hin, dass man nicht verallgemeinern sollte. „Jedes Kind und jede Seele verarbeitet gewaltvolle oder pornografische Inhalte anders. Ein stabiles Kind kann sie mitunter besser verarbeiten, weil es sie nicht zu nah an sich heranlässt oder das Gesehene mit den Eltern bespricht.“

Mediendauer begrenzen

Als Lösung für die aufgeführten Problemfelder erläutert Fabienne Lunardi: „Kinder sollten von Anfang an klare Regeln und Vorgaben für die Nutzung digitaler Medien haben. Eltern und Erziehungsberechtigte spielen eine entscheidende Rolle dabei, solche Richtlinien festzulegen. Dies könnte beispielsweise die Begrenzung der Bildschirmzeit oder medienfreie Orte und Zeiten umfassen.“

Um dem Problem der nicht altersgerechten Inhalte entgegenzuwirken, rät Alexandra Ghetta den Eltern, ihren Kindern nur digitale Geräte mit Altersbeschränkungen geben. Nicht immer gestaltet sich das leicht, wie auch Expertin des ifs weiß: „Viele Erziehungsberechtigte nehmen gar nicht wahr, welche Inhalte ihre Kinder im Internet konsumieren.“ Dazu kommt, dass viele Eltern nicht mit der modernen Technik aufgewachsen und daher überfordert sind.

Nicht nur negative Seiten

Das Bild der digitalen Medien, das in diesem Artikel gezeichnet wird, ist ein negatives. Trotzdem ist bei weitem nicht alles schlecht. „Wenn Kinder und Jugendliche verstanden haben, dass es einen großen Unterschied zwischen reinem Medienkonsum und bewusster Mediennutzung gibt, können sie sich das zu Nutze machen. Digitale Medien bieten Kindern und Jugendlichen zahlreiche Chancen, darunter den Zugang zu Informationen, kreativen Ausdrucksmöglichkeiten oder globale Vernetzung“, erklärt Fabienne Lunardi.

In einem zweiten Teil beleuchtet die NEUE die Chancen, die Smartphone, Tablet und Co für Kinder und Jugendliche bieten, und geht auf die Rolle der Schulen in Zusammenhang mit digitalen Medien und der Aufklärung darüber ein.