Vorarlberg-Kodex bringt die Pflicht zur Integration

Asylwerber sollen mit dem „Vorarlberg Kodex“ zu Deutschkursen, Werteschulungen und gemeinnütziger Arbeit verpflichtet werden.
Mit dem 1. Juni startet eine Neuerung in Sachen Integration in Vorarlberg. Landeshauptmann Markus Wallner, Landesrat Christian Gantner (beide ÖVP) und Bernd Klisch (Leiter der Caritas-Flüchtlingshilfe) präsentierten am Freitag den „Vorarlberg Kodex“. Dabei handelt es sich um eine Vereinbarung, die Asylsuchende unterzeichnen sollen, um sich zu drei Punkten zu verpflichten: Deutsch zu lernen, die Werte Vorarlbergs einzuhalten und gemeinnützige Hilfstätigkeiten auszuführen. Das ergänzt die Integrationsvereinbarung.

„Wer sich integrieren will, hat Deutsch zu lernen. Die Sprache ist ein Schlüssel zur Integration“, verdeutlichte Markus Wallner seine Ansicht zum ersten Punkt des Kodex. Um das zu erreichen, sollen die Deutschkurse aufgestockt werden. Dafür wurden mehr Mittel aus dem Sozialfonds zur Verfügung gestellt und die angebotenen Stunden fast verdoppelt. „Über den Jahreswechsel konnten wir einige neue Deutschtrainer anstellen“, ließ Bernd Klisch verlauten, dass man nun besser mit dem Andrang umgehen kann als noch vor einiger Zeit, als die Wartezeit für einen Deutschkurs zeitweise bei bis zu acht Monaten lag.
Werteschulungen
Weiters sieht der Kodex auch Wertekurse vor. So sollen die Asylsuchenden die Werte der Verfassung kennenlernen und sie einhalten. Diese werden ab Juni 2024 vom Innenministerium angeboten, ein Konzept dafür liegt laut Gantner bereits vor und muss noch vom Ministerrat beschlossen werden. Dann sollen die Kurse flächendeckend in den Bundesbetreuungseinrichtungen – dazu zählen Erstaufnahmestellen und Verteilerquartiere für Asylsuchende – angeboten werden. „Wir werden nur noch Personen in Vorarlberg übernehmen, die solche Wertekurse absolviert haben“, kündigt Gantner an.

Der dritte Punkt betrifft die Verpflichtung zu gemeinnütziger Arbeit, als Beispiele nannte Gantner Tätigkeiten als Schülerlotsen oder die Bekämpfung von nicht heimischen Pflanzen. Die Asylsuchenden sollen sich bis zu 110 Euro monatlich dazuverdienen können. Hier kommt die Caritas als Drehscheibe zur Vermittlung der Tätigkeiten ins Spiel. Insgesamt strebt man ein Modell wie bei der Caritas-Nachbarschaftshilfe an, bei der die Asylsuchenden gemeinnützigen Tätigkeiten im Privatbereich sowie bei Gemeinden und Vereinen nachgehen konnten.
Bedarf und Konsequenzen
„Man kann in Vorarlberg nicht gegen uns leben. Man kann in Vorarlberg auch nicht neben uns leben. Es gibt nur eine Möglichkeit: mit uns zu leben“, führte der Landeshauptmann seine Position aus. Er verwies auf die Integrationsvereinbarung, die 2016 ebenfalls in Vorarlberg ausgearbeitet und mittlerweile österreichweit angewendet wird. Diese sieht ebenfalls Deutsch- und Werteschulungen vor, allerdings für Personen, die bereits Asyl erhalten haben. „Bei Asylwerbenden kann man noch einen deutlichen Zahn zulegen”, erklärte Wallner den Grund für die Einführung des „Vorarlberg Kodex“.

Er kündigte an, den Kodex innerhalb eines Zeitraums von rund einem halben Jahr ohne rechtliche Verpflichtung einzuführen und sich die Situation anzusehen. Wenn man bemerken sollte, dass es zu einer „nachhaltigen Verweigerung“ des Kodex kommt, wolle man eine „zweite Stufe einleiten“ und gesetzliche Sanktionen einführen, so der Landeshauptmann. Eine entsprechende Gesetzesänderung liege bereits vor und könne, falls erforderlich, jederzeit umgesetzt werden. Im schlimmsten Fall soll den Verweigerern so eine Kürzung des Taschengeldes drohen.
Bernd Klisch erklärte, die Mehrheit der Asylwerbenden sei grundsätzlich integrations- und arbeitswillig. „Die meistgestellten Fragen bei der Ankunft sind: ‚Wo Deutschkurs?’ und ‚Wann Arbeit?‘“ umschrieb er die Lage.
Uneinigkeit mit Koalitionspartner
Der Regierungspartner der ÖVP, die Grünen, begrüßt die Ausweitung der Sprachkurse und fordert vom Bund die Wiedereinführung der 2016 abgeschafften Caritas-Nachbarschaftshilfe. Im Punkt der Sanktionen herrscht allerdings Uneinigkeit. Klubobfrau Eva Hammerer erklärte: „Ich bin sehr froh, dass wir uns bei der Frage der Sanktionsmöglichkeiten durchgesetzt haben und es zu keiner Taschengeldkürzung kommen wird. Wir haben immer gesagt, dass eine Kürzung der 1 Euro 30 pro Tag mit uns nicht infrage kommt.“

Wallner räumte bei der Pressekonferenz auf Nachfrage ein, dass es bei der Einführung der Sanktionen Unstimmigkeiten mit dem Koalitionspartner gegeben habe. In den anderen Punkten sei man sich aber grundsätzlich einig.
Opposition ist kritisch
Kritik zum „Vorarlberg Kodex“ kommt von der SPÖ und den Neos. SPÖ-Chef Mario Leiter sprach von einem „PR-Gag“ im Wahlkampf und kritisiert: “Ein Kodex ohne Gesetzesgrundlage ist eine Richtschnur ohne bindenden Charakter.” Ohne Rechtsgrundlage würden Beamte das in der Praxis nicht umsetzen können. „Der Vorschlag der ÖVP ist enttäuschend und wird an der Situation nichts ändern“, resümiert Leiter.

KLAUS HARTINGER
Johannes Gasser, Klubobmann der Neos, teilt mit: „Integration braucht es ab dem ersten Tag. Bisher hat es die ÖVP nicht geschafft, die dafür nötigen Deutschkurse zur Verfügung zu stellen.“ Er fordert zudem, dass man Asylwerbende auch normale Jobs annehmen lassen soll, anstatt ihnen gemeinnützige Arbeit „aufzuzwingen“. Zur ÖVP sagt Gasser: „Ich stelle mir immer wieder die Frage, ob es ihnen wirklich um erfolgreiche Integration oder um Schlagzeilen geht.“

KLAUS HARTINGER
Zu Wort meldete sich auch der Wiener FPÖ-Chef Dominik Nepp. Der Vorstoß der Vorarlberger ÖVP wäre in Wien ein weiteres zahnloses Instrument, meinte er. „Wir brauchen eine Null-Zuwanderung und die Einstellung der Geldleistungen, damit wir das Zuwanderer-Problem mit all seinen Facetten in den Griff bekommen“, sagt er.
Nachbarschaftshilfe
Worum es sich dabei handelt:
Die Nachbarschaftshilfe der Caritas bot Asylwerbern die Möglichkeit, während des Wartens auf einen Bescheid kleine nachbarschaftliche Dienste zu erledigen. 2016 wurde das Modell vom Sozialministerium eingestellt. Die Begründung: Es stehe im Konflikt mit rechtlichen Rahmenbedingungen und fördere Lohn- und Sozialdumping.