Politik

Hat die SPÖ Vorarlberg ein Sexismus-Problem?

28.06.2025 • 16:00 Uhr
Hat die SPÖ Vorarlberg ein Sexismus-Problem?
Die NEUE lässt bewusst die Frauen in der SPÖ zum Thema zu Wort kommen. hartinger, ritter

Sexismus und Mobbing: Die SPÖ mit Parteichef Mario Leiter sieht sich schweren Vorwürfen gegenüber. Die NEUE überlässt den Frauen in der Partei das Wort – und die berichten Bemerkenswertes.

Um der im Titel gestellten Frage auf den Grund zu gehen, hat die NEUE am Sonntag einen Rundruf unter den Frauen in der Partei gestartet. Das Ziel: Bei diesem Thema sollen die weibliche Seite zu Wort kommen.
Den Stein des Anstoßes ist ein Posting der ehemaligen Landesfrauenvorsitzenden der SPÖ, Stefanie Matei, sowie ein geleaktes internes Schreiben der ehemaligen Geschäftsführerin der SPÖ-Landesfrauenorganisation, Daria Hueller, über das der „Standard“ berichtete (mehr dazu in der Factbox).

Vorgeschichte der vorwürfe

Sexismus und die Vorarlberger SPÖ – diese Geschichte hat ihren öffentlichen Beginn vor rund drei Wochen genommen. Die Stefanie Matei, einen Monat zuvor von ihrem Amt als Landesfrauenvorsitzende zurückgetreten, sorgte mit einem Social Media-Posting für Aufsehen. Sie sei gegangen, „weil ich an Grenzen gestoßen bin“ und führte ihren Rücktritt darauf zurück, dass sie „an Grenzen gestoßen“ sei. Wenn die Partei an eine Überforderung ihrerseits glaube, dann zeige das vor allem, „wie tief Sexismus in der politischen Kultur noch immer verankert ist.“ Damals berichtete die APA.

Jeannette Greiter, stellvertretende Landesgeschäftsführerin der SPÖ Vorarlberg, führte gegenüber der APA den Parteiaustritt Mateis und ihre Wortmeldungen auf einen stornierten Flug im Zusammenhang mit einer SPÖ-Bundespräsidiumssitzung zurück. Die Vorwürfe seien „unerklärlich“ und „nicht nachvollziehbar”, teilten die Vorarlberger Sozialdemokraten auf APA-Anfrage mit.

Vor rund anderthalb Wochen folgte der nächste Knall: Der „Standard“ berichtete über ein internes Mail, in welchem die ehemalige Landesfrauengeschäftsführerin Daria Hueller „toxische Zustände“ sowie „Mobbing“ durch den Landesparteivorsitzenden Mario Leiter beklagte. Den Umgang Leiters mit ihr habe sie als „sexistisch, respektlos und ausgrenzend“ empfunden.

Landesparteivorsitzender Mario Leiter wies Huellers Vorwürfe „in aller Klarheit“ zurück, als der „Standard“ ihn damit konfrontierte. Er pflege einen „offenen und kollegialen Führungsstil“, diesen lebe er „seit 25 Jahren in leitender Funktion als Polizeibeamter“ vor. Die Landespartei wolle die Vorwürfe „intern besprechen und bewerten“.


Die Meldungen von Mateiund Hueller sorgten für bundesweite Berichterstattung: So widmeten sich etwa der „Kurier“, „Salzburger Nachrichten“, „Heute“ und die „Presse“ über die Sexismus-Vorwürfe.

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Auf die Nachfrage nach einem möglichen Sexismusproblem in der SPÖ antwortet Stefanie Matei zunächst mit einer Definition des Begriffs: „Sexismus bezeichnet laut Definition die Diskriminierung oder Voreingenommenheit aufgrund des Geschlechts, die sich meist in der ungleichen Behandlung von Frauen im Vergleich zu Männern in sozialen, beruflichen oder kulturellen Kontexten äußert.“
Dann führt sie weiter aus: „Ob es ein strukturelles Sexismusproblem in der SPÖ oder generell in der Politik gibt, darüber können wohl Expertinnen und Experten besser urteilen.“ Sie könne nur sagen: „Für mich persönlich gab es einen zu großen Widerspruch zwischen den Werten, für die ich politisch eingetreten bin, und dem tatsächlichen Umgang miteinander. Ich bin deshalb aus der SPÖ ausgetreten. Mario Leiter hat der ‚Kronen Zeitung‘ gesagt, dass ich wegen beruflichen und familiären Gründen wahrscheinlich ausgetreten sei. Das stimmt so nicht mit der Realität überein. Die Entscheidung war eine bewusste Konsequenz aus vielen enttäuschenden Erfahrungen, inhaltlich wie menschlich.“

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Stefanie Matei ortet einen “großen Widerspruch” zwischen Werten und Umgang. hartinger

Auf Nachfrage, auf welche konkreten Erfahrungen sie anspielt, antwortet Matei: „Aus Respekt gegenüber Einzelpersonen und auch im Sinne meiner eigenen Abgrenzung möchte ich auf konkrete Details weiterhin nicht eingehen.“

Schreiben gelang über Leak an die Presse

Auch die ehemalige Landesfrauengeschäftsführerin und Organisationsreferentin Daria Hueller möchte der SPÖ kein pauschales, strukturelles Sexismusproblem unterstellen. „Es geht um das Verhalten einzelner Protagonisten – und, wie bereits in meinem ursprünglichen Schreiben angedeutet, um das fragwürdige Demokratieverständnis des Parteivorsitzenden und dem Mobbing des Landesgeschäftsführers und meiner Person. Die Art und Weise, wie mit Beschwerden umgegangen wurde, ist aus meiner Sicht mit den Grundwerten der Partei schwer vereinbar.“

Hat die SPÖ Vorarlberg ein Sexismus-Problem?
Daria Hueller war Landesfrauengeschäftsführerin und Organisationsreferentin in der Partei.spö

Das interne Schreiben, welches Daria Hueller an die Bundespartei gerichtet hatte, sei durch einen Leak vorab an die Presse gelangt. „Daher entschied ich mich zeitgleich bewusst für den Schritt an die Öffentlichkeit. Bis heute habe ich keine Rückmeldung von der Partei erhalten – trotz öffentlicher Beteuerungen, die Vorwürfe intern aufarbeiten zu wollen. Die Strategie, derartige Vorwürfe auszusitzen, ist einer sozialdemokratischen Partei im Jahr 2025 nicht würdig. Ebenso entbehrt die Behauptung der Bundespartei, die Vorwürfe seien ‚aus dem Nichts‘ gekommen, jeder Grundlage: Die Frauenvorsitzende Stefanie Matei hat die Vorfälle mehrfach angesprochen.“ Huellers Fazit: „Diese Entwicklungen und der Umgang der Partei mit Frauen die Kritik äußern zeigen deutlich: Auch 2025 ist der Weg zur tatsächlichen Gleichstellung in der Politik – und innerhalb der Partei – leider noch sehr weit.“

Landesfrauenvorsitzende kündigt Aufarbeitung an

Beatrix Madlener-Tonetti, die in diesem Fall die SPÖ-Kommunikation nach außen übernimmt, erklärt der NEUE am Sonntag: „Das Thema liegt auf dem Tisch und wird vom Landesparteivorsitzenden Mario Leiter und von der Landesfrauenorganisation ernst genommen. Alle Seiten sind sich einig, dass man die Vorwürfe professionell aufarbeiten muss.“ Die SPÖ-Landesfrauen verurteilen Sexismus und Mobbing klar, macht Madlener-Tonetti deutlich.

Hat die SPÖ Vorarlberg ein Sexismus-Problem?
Beatrix Madlener-Tonetti führt interimsweise die SPÖ-Landesfrauen. spö

Angesprochen auf ihre persönlichen Erfahrungen sagt die Landesfrauenvorsitzende: „Die Vorkommnisse sind zu einem Zeitpunkt passiert, zu dem ich noch nicht in dieser Position war. Persönlich habe ich keinen Sexismus erlebt, aber das tut nichts zur Sache. Natürlich gibt es Frauen in der Partei, die anderes erlebt haben. Wichtig ist, genau hinzusehen und Mechanismen zu schaffen, die sowas verhindern.“ Zur internen Aufarbeitung in der SPÖ kündigt Madlener-Tonetti an, eine unabhängige Vertrauensstelle in der Partei zu schaffen und auf Sensibilisierung und Präventionsangebote zu setzen. Das müsse in geschütztem Rahmen und in Ruhe möglich sein. Daneben gibt es von der Landesfrauenvorsitzenden aber auch einen Fingerzeig: „Alltagssexismus kommt in vielen Parteien und Firmen vor, da sollten sich alle Gedanken darüber machen und Maßnahmen setzen.“

Die NEUE am Sonntag fragte auch bei der Landtagsabgeordneten Manuela Auer, Ex-Frauenvorsitzende Gabriele Sprickler-Falschlunger und der stellvertretende Landesgeschäftsführerin Jeannette Greiter an, um ihre persönliche Einschätzung zum Thema Sexismus in der Vorarlberger SPÖ zu erhalten. Sie verwiesen unisono an Beatrix Madlener-Tonetti. Auch Sonja Kopf, Vorsitzende der Sozialistischen Jugend, von der sich die SPÖ distanziert hat, wollte auf Anfrage zu diesem Thema nicht zitiert werden.