„Wir züchten uns gerade Couch-Potatoes“

Einschränkungen im Sport: Arno Arthofer im Interview.
Herr Arthofer, seit Montag sind Lockerungen in Kraft. Der Sport schaut durch die Finger. Wie geht es einem Landessportdirektor damit?
Arno Arthofer: Das macht mich sehr traurig. Wir haben gerade in den Vereinen sehr viele Funktionäre und Trainer, die verantwortungsvoll mit diesem Thema umgehen. Die wissen alle, dass Gesundheit oberste Priorität hat. Es geht auch nicht darum, von einem Tag auf den anderen einen „Normalzustand“ zu bekommen. Es geht darum, langsam und stufenweise diesen anhaltenden Stillstand zu lösen. Der Sport ist ein Gesundheitsmotor der Sonderklasse. Jetzt, wo der Schulbereich begonnen hat, ist es mir nicht nachvollziehbar, dass Sport am Nachmittag nicht auch in Kleingruppen möglich sein sollte. In der Schule testen sich die Schüler ja auch selber.
Sehen Sie in den Entscheidungen noch eine Logik?
Arthofer: Ich bin kein Virologe und habe keine Glaskugel. Irgendwann muss man in Anbetracht der Schäden, die vor allem Kinder im psychischen Bereich davontragen, aber hellhörig werden. In welcher Masse der fehlende Sozialkontakt und die nicht ausgeübte Freude an der Bewegung Probleme nach sich ziehen, ist einfach brutal.
Als Außenstehender hat man den Eindruck, dass das Konzept einfach „outdoor teilweise ja, indoor grundsätzlich nein“ lautet. Wie lange kann man das noch aufrechterhalten?
Arthofer: Kritik an der Bundesregierung steht mir ja nicht zu. Für mich ist es aber völlig unverständlich, dass man nicht über unsere Vereine die Outdoor-Aktivitäten langsam öffnet. Wir verlieren die Kinder in die virtuelle Welt der Spiele. Sie da wieder herauszubekommen und zu Bewegung zu motivieren, wird eine Mammutaufgabe.
Die Kinder sind besonders leidtragend. Es wird Folgeschäden geben, die noch gar nicht absehbar sind. Womit ist da auf lange Sicht zu rechnen?
Arthofer: Wir züchten uns gerade „Couch-Potatoes“, die dann im Gesundheitswesen wieder Kosten mit sich bringen werden. Die Krankheiten, die daraus entstehen, müssen wieder abgearbeitet werden. Für Vereine ist es besonders schwierig, weil ein Mitgliederschwund schon jetzt erkennbar ist. Menschen zahlen keine Beiträge, wenn es dafür keine Leistung gibt. Der soziale Faktor und die Entwicklung und die Werte, die junge Menschen durch den Sport vermittelt bekommen wie Toleranz, Respekt, Fairness, fehlen. Wenn uns das in einer Gesellschaft abgeht, sehe ich große Probleme auf uns zukommen.
Was denken Sie sich, wenn Hoteliers zum Sport nach Südafrika fliegen oder in die Trickkiste gegriffen wird, um Touristen in die Skigebiete zu bringen, während Kinder allein im Zimmer sitzen oder Senioren nicht in die Tennishalle dürfen?
Arthofer: Es ärgert mich maßlos. Weil ich glaube, dass man mit klaren Vorgaben für Vereine auch ein Angebot für die Masse bieten kann. Unter Einhaltung aller Regeln ist ein aktiver Sport- und Bewegungsbereich ganz klar möglich.
Die Fußballer wären gerade in der Vorbereitung auf das Frühjahr. Gibt es für sie Hoffnung, dass es noch funktionieren könnte?
Arthofer: Ganz schwierig. Jeder, der einen Sport im Meisterschaftsbetrieb ausgeübt hat, weiß, dass man eine Vorbereitung braucht, bis es wieder losgeht. Wir haben jetzt Februar und sehen, dass sich in den nächsten Wochen nichts bewerkstelligen lässt.
Gibt es Signale vom Bund, in welche Richtung es gehen wird? Der Februar dürfte ja bereits verloren sein.
Arthofer: Wir wissen leider auch nicht mehr. Es gibt aber einen regen Austausch mit den Bundesländern und dem Sportministerium darüber, wie man alle vorhandenen Initiativen und auch die finanziellen Mittel bündeln kann. Damit wir, wenn es wieder weitergeht, auch die nötigen Angebote erstellen können. Im Sport sind wir es gewohnt, Spielregeln und Disziplin zu haben. Momentan gibt es aber fast nur Fragezeichen. Man kann natürlich nicht damit rechnen, dass in zwei, drei Wochen wieder 20 Leute in einer Fußballkabine sitzen. Dass man in Kleingruppen im Freien aber nicht gemeinsam Übungen machen kann, das kann mir keiner erklären. Noch dazu mit den vielen Testmöglichkeiten, die es mittlerweile gibt.