Als Lawarée zum fünffachen Axel wurde
Es war ein Spiel, das von einem Spieler dominiert wurde. Axel Lawarée trifft fünf Mal für SW Bregenz gegen Austria Salzburg und sorgt in einer sportlich schwierigen Phase für eine wahre „Sternstunde“.
Dass an diesem Samstagnachmittag im Bregenzer Bodenseestadion Geschichte geschrieben werden würde, damit konnte niemand rechnen. Es nieselte am 16. November in der Landeshauptstadt, auch die Temperaturen machten keine allzu große Lust ins Stadion zu gehen. Die Tabellensituation – SW Bregenz war unmittelbar hinter Austria Salzburg Neunter der Bundesliga – ließ keinen fußballerischen Leckerbissen erwarten. Und doch werden sich 4200 Zuschauer, die trotz dieser Vorzeichen den Weg ins Stadion gefunden haben, an den Tag, an dem Axel Lawarée unsterblich wurde, erinnern. Während der Bregenzer Bundesligazeit von 1999 bis 2005 befeuerte maximal das Skandal-Tor von Austria-Wien-Angreifer Christian Mayrleb im August 2000 in ähnlicher Intensität die Emotionen in Bregenz – allerdings andere Emotionen. Denn während Mayrleb Hass, Unverständnis und Ärger bei den SW-Anhängern hervorrief, sorgte Lawarée für Jubel, Bewunderung und offene Münder.
Dem Belgier war etwas gelungen, dass im Fußball nach der Jahrtausendwende nicht mehr möglich schien. Die Nullerjahre sollten jene Dekade sein, in der im Weltfußball am wenigsten Treffer erzielt wurden. Und trotzdem traf Lawarée fünf Mal in einem Spiel – das hatten vor ihm nur Hans Krankl (zwei Mal) und Gernot Jurtin geschafft. Als er fünf Minuten vor Schluss von Trainer Regi van Acker ausgewechselt wurde, brandete Jubel auf, minutenlang wurde dem Kapitän zugejubelt.
Am Ende den Abstieg verhindert
„Es war aber nicht allein Axel Lawarée, sondern das ganze Team, das bewiesen hat, dass es nur wenige Gegner fürchten muss, wenn das Trainingsprogramm umgesetzt wird“, sagte Lawarées Landsmann, der erst eineinhalb Monate zuvor für Rainer Hörgl bei Schwarz-Weiß das Steuer übernommen hatte. Mit seiner Analyse hatte Regi van Acker allerdings unrecht, es war fast ausschließlich Lawarée (und ein bisschen sein Sturmkollege Laszlo Klausz), der dafür sorgte, dass Bregenz im vierten Bundesligajahr in Folge die Klasse halten konnte. Die Fünf-Tore-Demonstration gegen Salzburg war lediglich der Höhepunkt einer Serie an Topverstellungen des damals 29-Jährigen. Am Ende der Saison blieb Bregenz dank eines 2:0-Auswärtserfolges beim überlegenen Meister Austria Wien in der Liga. Die Violetten zeigten dabei keine Gegenwehr, ihre Fans starteten bereits auf dem Platz mit der Meisterfeier, die letzten 15 Minuten wurden mit Zuschauern direkt an den Auslinie zu Ende gespielt. Leidtragender dieser „Farce“ am letzten Spieltag war die SV Ried, die nach gutem Saisonstart im Frühjahr völlig eingebrochen war. Hauptverantwortlich für die Rettung der Schwarz-Weißen war eben das Sturmduo Lawarée/Klausz, das 30 der insgesamt 48 Saisontore der Bregenzer erzielte.
Tore bis zur Auswechslung
Doch springen wir zurück zum 16. November 2002, als Lawarée, der sich einen Monat später bei der Wahl zum Fußballer des Jahres nur Vladimir Janocko geschlagen geben musste, zur Legende wurde … Bereits in der Startphase scheiterte der Belgier zwei Mal am Gäste-Torhüter Szabolcs Safar, eine vielversprechende Möglichkeit wurde ihm per umstrittenem Abseitspfiff zunichtegemacht – aus dem „Fünffach-Axel“ hätte auch eine „Acht-el Lawarée“ werden können. Vor der Pause hatte es vorerst nur ein Mal im Gehäuse der Salzburger geklingelt (15.).
Und auch nach der Pause war lange nicht abzusehen, dass dies ein außergewöhnlicher Nachmittag in Bregenz werden würde. Denn zunächst hatte der vom Mittelstürmer zum Libero umfunktionierte Heiko Laessig nach einer Standardsituation per Kopf den Ausgleich für die Salzburger erzielt (51.).
Nach einer Stunde verwandelte sich das Duell der Festspielstädte zu den belgischen Torfestspielen von Axel Lawarée. Der Stürmer traf in der 61., 74., 78. und 84. Minute – wenn er 60 Sekunden später nicht ausgewechselt worden wäre, hätte er weiter getroffen bis das Flutlicht im Bodenseestadion ausgeschaltet worden wäre. „Das Gefühl ist wunderschön. Tore kann man nicht programmieren, dazu braucht man auch Glück“, sagte der sympathische Belgier, der auch heute noch ein gern gesehener Gast in der Festspielstadt ist, nach dem Schlusspfiff. An diesem verregneten Novemberabend kombinierten sich im Casino-Stadion das nötige Glück mit dem Können Lawarées zu einem Mix, der zu einem Eintrag in die Geschichtsbücher des österreichischen Fußballs führten. Und für Sie, die Leser der NEUE am Sonntag, ist der Fünferpack von Axel Lawarée die „Sternstunde des Vorarlberger Fußballs“.