“Es langat”: Bürgermeister verpasst Stadtrat Maulkorb

In einer Feldkircher Stadtvertretungssitzung verbot Bürgermeister Matt (ÖVP) Stadtrat Clemens Rauch (Grüne) das Wort. Dieser ließ das nicht auf sich sitzen.
Dass es in jeglicher Stadtvertretungssitzung einmal heiß hergehen kann, ist nichts Neues auf der Vorarlberger Politik-Bühne. Ein ganz besonderes Stückerl lieferte dem Publikum am Dienstag allerdings der Feldkircher Bürgermeister Wolfgang Matt (ÖVP). Er nahm dem grünen Stadtrat Clemens Rauch schlicht das Wort.
Begonnen hatte alles mit einer der Stadtvertretungssitzung vorhergehenden Protestaktion der Klimaschützer von „Extinction Rebellion“. Die Aktivisten hatten sich vor dem Eingang der Arbeiterkammer, in welcher die Sitzung stattfand, an den Händen festgeklebt, um einmal mehr gegen die Tunnelspinne zu protestieren. Der Zutritt sei dadurch nicht behindert worden, man habe die Aktivisten einfach umrunden können.
Hitziges Wortgefecht
Zweiter Akt: Extinction Rebellion kamen nach ihrer Aktion zur Fragestunde, hakten kritisch in Sachen Stadttunnel nach. In der anschließenden Stadtvertretungssitzung kam es zu hitzigen Wortgefechten, unter anderem wurde Stadtrat Rauch vom ÖVP-Kollegen Wolfgang Flach angegriffen: Die Stadt habe ja unter anderem das Klima- und Umweltleitbild beschlossen, ein großer Schritt, „und da wundert mich, dass wir einen Stadtrat haben, der ganz offen mit diesen Gruppierungen sympathisiert“, so Flach. Mit den Gruppierungen waren Klimaschützer wie Extinction Rebellion oder Letzt Generation gemeint.

Vorwürfe, die Rauch nicht auf sich sitzen lassen wollte: In einer auf Flachs Statement folgenden Wortmeldung erklärte der Grüne, er finde es „schwierig, wenn Menschen mit ihren Fragen und Sorgen zu uns in die Stadtvertretung kommen“ und dann von oben am Mikrofon gemaßregelt würden. Und auch in Anbetracht der Dinge, welche die Stadt bereits für den Klimaschutz tue, dürfe man „trotzdem zu dem Schluss kommen, dass Feldkirch zu wenig macht.“
Aus seiner Unterstützung der Klima-Aktivisten machte Rauch keinen Hehl: „Man darf von seinem demokratischen Recht Gebrauch machen, nicht nur mit seiner Stimme und in Gremien, sondern auch mit Demonstrationen und Protesten auf ein Thema aufmerksam zu machen. Wir wollten ja keine Baustelle sprengen, es ging darum, die Bevölkerung auf die Sache aufmerksam zu machen.“ Manche Protestformen teile er, andere nicht, dies solle man ihm auch belassen.

Hintergrund der Diskussion ist die Teilnahme Rauchs an einem Protestmarsch gegen die Tunnelspinne im Juli, während dem ein Bündnis aus zehn Organisationen (u.a. Extinction Rebellion, Die Grünen, Naturschutzbund, SPÖ) gemeinsam demonstrierte. Clemens Rauch trat unter anderem als Ansprechpartner für die Presse auf, versendete Einladungen.
In der Stadtvertretung schoss Bürgermeister Matt nach beschriebener Wortmeldung scharf gegen den Grünen: „Danke für die Klarstellung, aber vergiss nicht, dass du dabei warst, als eine klare Sachbeschädigung bei der Baustelle vorgenommen wurde!“ Damit meinte er eine Aktion von Extinction Rebellion zum Zeitpunkt der Demo, bei der Aktivisten auf einen Baukran kletterten und über der Baustelle Plakate entrollten.
“Jetzt genügt’s.”
Rauch, dermaßen angezählt, verlangte eine weitere Wortmeldung, welche ihm vom Bürgermeister aber mehrfach verweigert wurde: „Na, es langat scho“ und „Jetzt genügt‘s.“ Erst nach mehrfachem und lautstarkem Protest der grünen Mandatare – und sogar Augenrollen in den ÖVP-Reihen – ließ Matt eine weitere Wortmeldung Rauchs schließlich zu.
Jener verteidigte sich mit deutlichen Worten gegen die Unterstellung und tat dies auf Anfrage auch gegenüber der NEUE: „Unsere gemeinsame Veranstaltung war die angemeldete und im Bündnis angestimmte Demo. Diese hatte mit der Aktion von Extinction Rebellion nichts zu tun und ich wusste auch nichts davon. An dieser Form des Protests würde ich nicht teilnehmen, und ich finde es nicht gut, als Veranstalter der Aktion hingestellt zu werden. Zudem wüsste ich nicht, was da überhaupt beschädigt worden sein sollte“, sagte er.
Auch Stadttunnel-Projektleiter Bernhard Braza vom Landesstraßenbauamt verneint, dass es bei der Aktion am 8. Juli eine Sachbeschädigung gegeben habe. Es seien jedoch zusätzlich Kosten entstanden, etwa durch die Entfernung von Transparenten sowie den Einsatz von Wachpersonal. Die Geltendmachung dieser Kosten stünden nun im Raum. Zudem führt Braza ins Treffen, dass eine Besteigung eines Baukrans infolge einer dann notwendigen neuerlichen Abnahme durch einen Sachverständigen zu erheblichen Verzögerung führen könnte. Beim nächsten Mal werde man den finanziellen Schaden „mit Sicherheit“ vom Kundgebungsveranstalter zurückfordern, so Braza.
Klarstellung oder Entschuldigung
Darauf angesprochen, ob er die öffentliche Anschuldigung Matts als Verleumdung oder gar Kreditschädigung sehe, reagierte Clemens Rauch vorerst zurückhaltend: „Ich werde erst einmal abwarten, ob eine öffentliche Klarstellung oder Entschuldigung kommt, und dann abwarten, wie ich darauf reagiere. Grundsätzlich bin ich eher eine Person, die versucht, so etwas zu kalmieren, da ja weiterhin eine Zusammenarbeit stattfinden muss. Insofern schaue ich einmal, welche Reaktionen kommen und ob die Sache aus der Welt geräumt wird, bevor ich etwas unternehme.“
Angesprochen auf den versuchten „Maulkorb“ des Bürgermeisters, meinte Rauch: „Das ist sehr ungewöhnlich und auch eine Entgleisung. Es zeigt auch etwas über die Geisteshaltung dahinter.“