Kultur

Liederabend mit Psychogramm eines Ausgestoßenen

14.07.2025 • 13:51 Uhr
Schuberts Winterreise mit Julian Prégardien und Daniel Heide
Schuberts Winterreise mit Daniel Heide und Julian Prégardien (r.).Schubertiade

Schuberts Winterreise mit Julian Prégardien und Daniel Heide.

Am Vorabend zu seinem 41. Geburtstag machte Tenor Julian Prégardien sich und dem Schubertiade-Publikum im Markus-Sittikus-Saal in Hohenems ein besonderes Geschenk: An der Seite von Daniel Heide gestaltete er den Zyklus „Winterreise“ und wieder wurde man hineingezogen in dieses Psychogramm eines Ausgestoßenen. In allem Vertrauten – gehört doch die „Winterreise“ naturgemäß zu den am häufigsten aufgeführten Werken dieses Festivals – finden sich in der Interpretation der beiden Künstler auch neue Feinheiten in der Gestaltung, die sie lebendig machen und aufhorchen lassen.

“Frühlingstraum”

Das beginnt mit der differenzierten Dynamik im ersten Strophenlied, wenn Prégardiens Stimme von oben einschwebt, mit der zweiten Strophe an Substanz gewinnt, der liebeskranke Erzähler sich grimmig von den Menschen abwendet und seiner Liebsten einen hauchzarten Abschiedsgruß schickt: Der Boden ist bereitet, der Dialog der Künstler beginnt, sie machen sich auf die Reise durch Eis und Schnee, Sturm und Schluchten. Daniel Heide, der dieser Tage viel im Einsatz ist und am Sonntag nochmals den Ensembleabend der vier Männerstimmen unterstützte, wird wie der Sänger zum Erzähler, zu seiner inneren Stimme, zum Echo der Gedanken. Seine Klänge ächzen, tanzen, knurren, sie jubeln im „Frühlingstraum“, zeichnen den Flug der Krähe in weiten Bahnen, sie taumeln und verdichten sich immer mehr zu einem langen Abschied.

Schuberts Winterreise mit Julian Prégardien und Daniel Heide
Schubertiade

Eine Verbeugung

Julian Prégardien gestaltet einerseits subtil, manchmal ungemein intensiv mit metallischer Kraft oder mit feiner Kopfstimme. Vom „einfachen“ Volksliedton, fast tonloser Erschöpfung, scharfen Akzenten zum unbeirrten Schicksalston und stillen Beobachter spannt sich das Spektrum seiner Farben, doch bei aller bewusst gesetzten „Kunstfertigkeit“ klingt nichts „gemacht“, sondern vom Wort und der Erzählung her gedacht. Natürlich denkt man immer wieder an seinen Vater Christoph, der erst vor drei Wochen in Schwarzenberg begeistert hatte – Stimmklang, Wortdeutlichkeit, Körpersprache, Mimik sind ihm buchstäblich in die Wiege gelegt. Aber Julian geht seinen eigenen Weg, begeistert auf seine individuelle Weise. Die lange Stille nach dem „Leiermann“ ist ein Geschenk für die Künstler, ebenso wie der Jubel des Publikums. Auch die Zugabe – das feine Gespinst von Schuberts Rückert-Vertonung „Dass sie hier gewesen“ – ist eine Verbeugung vor Papa Christoph Prégardien ebenso wie vor Schubertiade-Geschäftsführer Gerd Nachbauer.

Katharina von Glasenapp