“Wir denken zu viel und fühlen zu wenig”

Maarten Hemmen ist Coach, Autor und Breathwork-Ausbildner. Beim Pina-Kongress spricht er über mentale Gesundheit, Selbstwirksamkeit und den Weg aus der Depression. Ein Gespräch über Achtsamkeit und innere Stärke.
Er war Profisportler, Musiker, Weltreisender – und stand mehr als einmal am Abgrund. Heute begleitet Maarten Hemmen Menschen dabei, über Atmung, Kälte und Bewegung wieder in Kontakt mit sich selbst zu kommen. Beim Pina-Kongress in Dornbirn spricht er über psychische Krisen, die Kraft der Selbstermächtigung und darüber, wie wichtig es ist, sich mit der eigenen Diagnose auseinanderzusetzen, auch wenn das Mut erfordert.
5. pina-kongress in dornbirn
Wann: 24. bis 26. September
Wo: Kulturhaus Dornbirn
Thema: „Widerstand schafft Verbindung“
Mit Jubiläumsfeier: Dinner & Konzert am Donnerstagabend
Anmeldung: pina.at/kongress
Psychische Erkrankungen betreffen mittlerweile jede dritte Person im deutschsprachigen Raum. Hemmen zeigt, warum es neben therapeutischer Begleitung auch Offenheit, Verständnis und innere Stärke braucht, um einen heilsamen Umgang mit seelischen Herausforderungen zu finden.

Ihr Weg wirkt fast filmreif. Wie hat alles begonnen?
Hemmen: Ich habe viele Leben gelebt – als Taekwondo- und Kickbox-Athlet, als reisender Musiker und Produzent. Auf der Suche nach Erfüllung und Sinn war ich ständig in Bewegung. Doch innerlich sah es ganz anders aus. Während dieser Zeit wuchs in mir eine tiefe Depression, die ich lange zu verdrängen versuchte. Irgendwann wurde sie so überwältigend, dass sie in einem Suizidversuch gipfelte. Das war mein Wendepunkt, mein innerer Zusammenbruch und der Beginn eines neuen Weges. In den letzten zehn Jahren habe ich viele verschiedenste somatische Heilmethoden kennengelernt. Jede Begegnung, jede Praxis hat mich näher zu mir selbst gebracht. Die wichtigste Erkenntnis auf diesem Weg? Wir denken zu viel – und fühlen zu wenig. Heute versuche ich, über Atemarbeit, Kälteexposition, Bewegung und Kampfkunst das Bewusstsein für diese Themen wieder zu wecken.
hilfe für betroffene
Bei psychischen Ausnahmezuständen und Suizidgedanken finden Sie Hilfe unter dem Telefonseelsorge-Notruf 142. Diese Nummer ist rund um die Uhr erreichbar.
Kinder- und Jugendpsychiatrie:
Oberland: 05522/403
Unterland: 05525/63829, 05572/21274
Wann beginnt eine Depression und wie kann man ihr begegnen?
Hemmen: Unser Körper-Geist-System ist unglaublich sensibel und sendet uns ständig Signale. Kleine Hinweise, feine Störungen, Unruhe – all das sind Botschaften, die wir ernst nehmen sollten. Doch oft ignorieren wir diese Zeichen, weil wir funktionieren müssen oder Angst vor dem Hinschauen haben. Wenn wir dauerhaft nicht hinhören, wird das Ungleichgewicht größer, bis es uns überwältigt. Deshalb ist es so wichtig, nicht erst zu reagieren, wenn es zu spät ist. Schon in den kleinen Momenten dürfen wir innehalten, uns spüren und uns selbst ernst nehmen. Selbstwahrnehmung ist der erste und wichtigste Schritt. Erst, wenn wir fühlen, können wir auch verändern.
„Selbstwahrnehmung ist der erste und wichtigste Schritt. Erst wenn wir fühlen, können wir auch verändern.“
Maarten Hemmen, Coach
Was kann Atemarbeit bewirken?
Hemmen: Wir atmen etwa 22.000 Mal am Tag – und doch schenken wir diesem Vorgang kaum Aufmerksamkeit. Dabei beeinflusst jede einzelne dieser Atembewegungen unsere Physiologie, unsere Emotionen und unsere Gedanken. Wer beginnt, bewusst zu atmen, entdeckt ein kraftvolles Werkzeug zur Selbstregulation. Die Atmung kann beruhigen, aktivieren und klären. Sie gibt uns die Möglichkeit, Einfluss auf unser inneres Erleben zu nehmen. Atemarbeit ist eine der ältesten Heilmethoden der Welt. Und zugleich ist sie hochaktuell, weil sie in einer reizüberfluteten Welt einen direkten Zugang zum eigenen Zentrum schafft.

Warum Eisbaden, was bringt’s?
Hemmen: Ich liebe warme Duschen – wirklich! Aber nur im Komfort zu bleiben, macht uns nicht widerstandsfähiger. Eisbaden ist eine bewusste Entscheidung, sich dem Unangenehmen zu stellen. Die Kälte konfrontiert uns mit unseren Grenzen und lässt uns gleichzeitig erleben, dass wir mehr aushalten können, als wir glauben. Es stärkt die Resilienz, fördert die Achtsamkeit und intensiviert das Körpergefühl. Doch wichtig ist: Kälte ist nur eine von vielen Methoden, sich selbst herauszufordern. Jeder muss seinen eigenen Weg finden.
zur person
Maarten Hemmen ist ein renommierter Coach, Breathwork-Ausbilder, Autor, Sportler und Musiker. Mit seiner Arbeit fokussiert er sich auf mentale Gesundheit, persönliche Entwicklung und Selbstwirksamkeit. Seine Erfahrungen mit Depressionen und mentalen Herausforderungen fließen in seine Methoden und Vorträge ein, in denen er die Bedeutung von Selbstfürsorge, Resilienz und Achtsamkeit hervorhebt.