Kultur

Dornbirner Filmemacherin feiert Festivalerfolg mit feinsinnigem Porträt

11.08.2025 • 18:45 Uhr
Hanna Mathis
Die 29-jährige Hanna Mathis ist seit fünf Jahren als Regisseurin in der Werbebranche selbstständig tätig. Moye

Hanna Mathis überzeugt mit einem sensiblen Kurzfilm über das Spätverliebtsein die Jury der Alpinale.

Die aus Dornbirn stammende Regisseurin Hanna Mathis (29) wurde am Samstag für ihren Kurzfilm „Das alte Mädchen“ mit dem Preis der Alpinale in der Kategorie v-shorts geehrt.

Hanna Mathis Alpinale
Mathis bei der Preisübergabe in Bludenz. smith

Die Liebe im Zug gefunden

Der keine sechs Minuten lange Film ist eine Ode an die Liebe, konkret die späte Liebe der Wiener Pensionistin Mira Lötsch (70) zu ihrem Ehemann Erwin. Paradox rasant wie ruhig setzten bereits die ersten Szenen einen tief emotionalen Ton. So sieht man die Verliebten, wie sie zart beieinander dem Wolkenhimmel folgen. Ein Trinkglas mit Lippenstift-Spuren öffnet wie ein Bild der tausend Worte die zweite Szene, bei der das Paar lachend im Wintergarten sitzt und Frau Lötsch schildert: „Ich habe das erste Mal mit 69 geheiratet. Also mein Herz macht immer noch Sprünge, obwohl wir so verschieden sind, aber wahrscheinlich deswegen.“ Laut der Preisträgerin lernte sich das Paar vor sechs Jahren bei einer Zugfahrt kennen. „Mira war im Bordbistro am Kreuzworträtsel lösen, da hat er sie auf ihre neuen Zähne angesprochen. Sie ist eine Romantikerin, hatte davor aber nur Pech mit Männern. Das hielt sie nicht ab, ein glückliches Leben zu führen. Wirklich geklappt hat die Liebe erst mit Erwin.“

Das alte Mädchen
„Das alte Mädchen“ ist ein Film über die späte Liebe der Mira Lötsch. mathis

Beim Poetryslam entdeckt

Mathis entdeckte ihre Hauptdarstellerin bei einem Poetryslam. „Sie war sichtlich die Älteste auf der Bühne und hat ein sehr ansprechendes Gedicht vorgestellt“, erinnert sich die 29-Jährige zurück. Handy-Nummern wurden ausgetauscht, der Kontakt vertieft und schließlich das Leben der Pensionisten im Wiener Bezirk Floridsdorf in zwei Tagen Drehzeit bildlich festgehalten. Begleitet wurde die Regisseurin dabei von ihrem Partner und Kameramann Julian Matzat.

Das alte Mädchen
mathis

So entstanden scheinbar schlichte Aufnahmen des Alltags. Von der Haus- und Gartenarbeit über alte Fotografien und Schwimmszenen verdichten sie sich mit den poetischen Worten der Wienerin zu einem Denkmal für den Optimismus. Möglich macht das der bewusst planerische Zugang der Filmemacherin. Wie vertraut sie mit diesem ist, vermittelt ihr beruflicher Werdegang.

Das alte Mädchen
mathis

Kunst und Werbung

Der Wunsch, einmal als Regisseurin tätig zu sein, weckte sich in Mathis bereits währender der Schulzeit an der St. Gilgen International School. 2015 folgte der Umzug in die Bundeshauptstadt, wo sie Journalismus an der Fachhochschule der Wirtschaftskammer Wien studierte. Dreimal scheiterten die versuchte Aufnahme an der Wiener Filmakademie. Ihr heutiges Handwerk erlernte die Filmemacherin stattdessen in Praktika, dann in der Werbebranche. In dieser ist Mathis seit fünf Jahren selbständig aktiv. Zu ihren Kunden zählen Unternehmen wie Billa, Volksbank oder der ÖBB.

Neben kommerziellen Aufträgen widmet sich Mathis dem Film als Kunstgattung. Bereits 2016 reichte sie bei der Alpinale ihren ersten Kurzfilm ein, 2023 wirkte sie sogar als Teil der Jury für internationale Einreichungen mit.

Jetzt wagt sich die 29-Jährige zunehmen an längere Formate heran. Ihre erste Fernsehdokumentation für Arte, „Night Trains“, ist gerade in der Postproduktion. Die 50-minütige Folge eines Vierteilers begleitet eine Nachtzugreise von Budapest nach Zürich, mit Station auch in Vorarlberg. Gleichzeitig bereitet sie sich auf zwei weitere Produktionen, eine Dokumentation und ein Spielfilm vor.

Hanna Mathis
Hanna Mathis: „Es ist kein einfacher Beruf, aber ein schöner“.Moye

Trotz aller Ambitionen bleibt Mathis geerdet. Die Kürzungen bei der Bundesfilmförderung beobachtet die Regisseurin aufmerksam, auch wenn sie selbst aktuell nicht unmittelbar betroffen ist. „Viele Kolleginnen und Kollegen im Spielfilmbereich müssen lange warten, ob ihre Projekte realisiert werden können“, sagt sie. Flexibilität, Durchhaltevermögen und ein zweites Standbein seien deshalb wichtiger denn je. „Es ist kein einfacher Beruf, aber ein schöner.“
Für die nächsten Wochen hat Mathis vor allem eines geplant: eine Auszeit. Nach intensiven Monaten gönnt sie sich Urlaub in Vorarlberg. Danach will sie weiterarbeiten, ohne Eile, aber mit klarem Blick auf das Wesentliche. „Manchmal reicht es, zuzuhören. Dann finden die Geschichten einen ganz von selbst.“