Ein Wochenende voller Liedkunst

Die Schubertiade stellt den Liedgesang ins Zentrum. Andrè Schuen und Paul Lewis zeigten, wie berührend die Wege des Ausdrucks sind.
Für eine gute Woche werden Schwarzenberg und der Angelika-Kauffmann-Saal mit der Schubertiade wieder zum Zentrum des Liedgesangs und der Kammermusik: Das Publikum ist ebenso international wie die Künstlerinnen und Künstler, Bariton Konstantin Krimmel, der alle drei großen Zyklen gestaltet und mit seinem großen Bus campiert, bedankt sich bei dem „wunderbaren Publikum“, das ebenso konzentriert wie begeisterungsfähig ist.

Symbiotisches Zusammenspiel
Am Samstag eröffneten der Südtiroler Bariton Andrè Schuen und sein Klavierpartner Daniel Heide mit einem intensiven Liederabend, der 12 Lieder von Richard Strauss mit den Wesendonck-Liedern von Richard Wagner und einem kleinen Zyklus von Alexander von Zemlinsky verband. Das symbiotische Zusammenspiel der beiden Künstler ist berückend, wenn Daniel Heide aus den (spät)-romantischen Partituren ein ganzes Orchester mit Harfenklängen, Vogelgezwitscher, Glockengeläut und raumgreifenden Passagen aus dem Flügel zaubert und Andrè Schuen dazu die enorme Wandelbarkeit seiner Stimme ausbreiten kann.
Betörendes Pianissimo
Gerade hat er in Aix-en-Provence unter Sir Simon Rattle als Don Giovanni, einer seiner Traumrollen, geglänzt und auch sonst nehmen die Opernpartien vielleicht einen breiteren Raum ein. Die Stimme ist noch größer geworden, rund, samtig, voluminös, aber noch betörender als die Fülle ist das feine Pianissimo in der Kopfstimme, das er besonders in der ersten Gruppe der Strauss-Lieder einsetzt. Die Wesendonck-Lieder hört man meistens von Mezzosopranistinnen, aber auch Schuen gestaltet sie überzeugend in weiten Bögen und samtiger Wärme, getragen von der üppigen Chromatik aus den Händen von Daniel Heide. Eine Entdeckung sind die Lieder des Alexander von Zemlinsky, der mit seinen vier Turmwächter-Liedern nach Robert Franz Arnold und Detlev von Liliencron nah an der Thematik mancher Mahler-Lieder ist und einen eigenen Ausdruck gefunden hat.

„Entflieh mit mir und sei mein Weib“
Mit der zweiten Gruppe der Strauss-Lieder machen Schuen und Heide auch Bekanntes zum spannenden Erlebnis differenzierter Liedgestaltung und verabschieden sich mit „Zueignung“ und Schumanns Heine-Vertonung „Entflieh mit mir und sei mein Weib“. Daniel Heide ist in dieser Woche noch Partner von Tenor Patrick Grahl und Sopranistin Katharina Konradi, Andrè Schuen ist für das kommende Jahr mit vier Konzerten in Hohenems und Schwarzenberg angekündigt.
Niemals starr oder pauschal
In seiner Matinee am Sonntag zeigte der britische Pianist Paul Lewis mit einem klug ausgewählten Programm seine stilistische Vielseitigkeit und Klarheit: dabei trafen die fast atemlose Dramatik von Beethovens c-Moll-Sonate op. 10/1 auf die helle C-Dur-Sonate KV 330 von Mozart und die melancholischen Intermezzi op. 117 von Brahms auf die weiten Gefilde der letzten großen Schubert-Sonate D 960, jeweils in umgekehrter Chronologie und in spannenden Gegenüberstellungen. In vielem erinnert der so fein artikulierende Engländer an seinen verstorbenen und hochverehrten Lehrer Alfred Brendel.
Die stürmischen Außensätze der Beethovensonate umschließen ein strömendes Adagio, dessen „mozartisches“ Doppelschlagmotiv eine ganze Reihe rhetorisch fein gesetzter Verzierungen in Gang setzt. Der entsprechende Satz in der Mozartsonate ist wunderbar in sich belebt, niemals starr oder pauschal. Auch in den Spätwerken von Brahms spürt Lewis die Liebe zu Schubert auf, das Hell-Dunkel und die lyrische Weite, in denen sich die Wanderungen durch die harmonische Landschaft zeigen. Lewis nimmt das Publikum mit auf diese Reise und die Melodien begleiten es durch den spätsommerlichen Sonnentag.
Katharina von Glasenapp