Das Publikum in atemloser Stille

Bushakevitz und Krimmel gestalten Schuberts Zyklen als Seelendramen voll intensiver Kontraste.
Drei Liederabende innerhalb weniger Tage mit den beiden großen Zyklen „Die schöne Müllerin“, und „Winterreise“, dazu der erweiterte „Schwanengesang“ am Samstag: Bariton Konstantin Krimmel und sein Klavierpartner Ammiel Bushakevitz lassen in dieser Schubertiadewoche die Zeit stillstehen, entführen das Publikum in andere Welten und werden mit Ovationen bedankt. Vor fünf Jahren, im Corona-Jahr 2020, ist der deutsch-rumänische Sänger mit dem dichten Haarschopf erstmals in Hohenems aufgetreten, seither sorgt er nicht nur bei diesem Festival regelmäßig für Aufsehen.

Vertrauen
Es ist ein großer Vertrauensbeweis von Schubertiade-Geschäftsführer Gerd Nachbauer, ihm in dieser Dichte die Zyklen zu übertragen und es ist eine große Freude zu erleben, wie bodenständig der Sänger geblieben ist und wie herzlich er auch nach einem anstrengenden Zyklus noch mit seinen Fans plaudert: Denn auch das gehört heute dazu! In Ammiel Bushakevitz, dem erfahrenen Liedpianisten, der so viele Facetten in Schuberts Klaviersatz aufspürt, hat er dazu einen Kammermusikpartner, der in der „Müllerin“ die „Stimme des Baches“ gestaltet und in der „Winterreise“ den stetigen Schritt des Wanderers unterstützt: Er kommentiert, belebt, hängt an den Lippen des Sängers, spricht und atmet mit. Die beiden Künstler bilden ein tolles Team, ein „schon wieder Winterreise / Müllerin“ gibt es weder für sie noch für das Publikum. Dass es den Künstlern gelingt, in solch zentralen und oft gehörten Werken Akzente zu setzen, die man so noch nicht zu hören geglaubt hat, verstärkt die Faszination noch. Und sollte sich nun jemand zwischen den beiden Baritonkollegen Konstantin Krimmel und Andrè Schuen entscheiden wollen – beide bereichern gemeinsam mit ihren jeweiligen Klavierpartnern die Welt des Liedgesangs auf wunderbare Weise!
Ein reicher Weg
„Die schöne Müllerin“ (am vergangenen Sonntagabend auf dem Programm) beginnen Krimmel und Bushakevitz forsch, pulsierend, optimistisch, volksliednah – doch das wandelt sich bereits mit dem dritten Lied, wenn das Klavier (der Bach) mit bedrohlichen Akkorden zu warnen scheint. Aber der Müller hört nicht, wird zerrissen zwischen Verliebtheit, Überschwang und Enttäuschung, Hoffnung, Eifersucht und Verzweiflung. Man kennt die Geschichte, kennt auch ihren Ausgang, doch das „Wie“, der Weg dorthin ist reich an Bildern und Details. Hell, jugendlich sind die Vokale, die Krimmel hier einsetzt, aggressiv tönt er in „Am Feierabend“, man bangt mit ihm in „Der Neugierige“, in „Ungeduld“ scheint sich schon der spätere Wahn abzuzeichnen. Viele Wandlungen machen Sänger und Pianist, Müller und Bach durch, auch wenn die Entscheidung der „schönen Müllerin“ vielleicht schon in „Tränenregen“ gefallen ist und sie den attraktiven Jäger bevorzugt. Den Volksliedcharakter mancher Strophenlieder unterstreichen die beiden Künstler mit feinen, behutsam gesetzten Verzierungen. Bis der Bach dem liebeskranken Müller sein Wiegenlied singt, wechseln sich Farben und Emotionen vielfach ab und runden sich doch zu berührender Einheit.

Atemloses Publikum
Die „Winterreise“, am Abend des Wetterumschwungs dargeboten, erfüllen Krimmel und Bushakevitz mit allen Nuancen der Kälte, der eisigen Stimmungen im Innen und Außen: Musikalisch zeigt sich das im schweren Schritt des Eröffnungslieds, einem wilden Aufbäumen bei „was soll ich länger weilen“ und einem fast geflüsterten zärtlichen Abschiedsgruß. Starke Kontraste in der Dynamik begleiten die Wanderschaft dieses Ausgestoßenen, unbeirrt, manchmal drängend und getrieben, manchmal taumelnd (stark im „Irrlicht“), von trügerischer Hoffnung und bitterer Verzweiflung geprägt ist diese Reise. Immer stiller wird es im Saal, atemlos folgt das Publikum diesen beiden, wenn „Der Wegweiser“ im äußersten Pianissimo verlischt, in „Das Wirtshaus“ ein Choral aufleuchtet und sich im „Leiermann“ der Puls des von ferne beobachtenden Wanderers endgültig verlangsamt. Der langen Stille folgen Ovationen für zwei Künstler, die einen weiten Weg hinter sich gebracht haben. Am Samstagabend folgt der „Schwanengesang“.
Katharina von Glasenapp