Kinderbetreuung: Kammern, IV und Gewerkschaft pochen auf Verbesserungen

Erste Dialogrunde zum Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz (KBBG): Industrie, Gewerkschaft und Kammern sehen Fortschritte, aber auch dringenden Handlungsbedarf.
Mit dem Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz (KBBG) 2023 hat Vorarlberg Kindergärten, Kleinkind- und Schülerbetreuung unter ein gemeinsames Dach gestellt. Am Dienstag lud Bildungslandesrätin Barbara Schöbi-Fink (ÖVP) erstmals zur gesetzlich vorgesehenen Dialogrunde mit Pädagoginnen und Pädagogen sowie Vertreterinnen und Vertretern von Gemeinden, Wirtschaft, Gewerkschaft, Kinder- und Jugendanwaltschaft und privaten Trägern. Ziel sei es, „Herausforderungen und Chancen gemeinsam zu beleuchten und tragfähige Lösungen zu entwickeln“, so Schöbi-Fink.
Ein zentraler Punkt des Dialogs war der Versorgungsauftrag. Ab dem Betreuungsjahr 2025/26 muss jedem zweijährigen Kind auf Wunsch ein Halbtagesplatz zur Verfügung stehen. Bereits seit 2023/24 gilt, dass jedes dreijährige Kind Anspruch auf einen Ganztagsplatz hat, seit 2024/25 soll jedes Volksschulkind einen Nachmittagsplatz nutzen können – ausgenommen sind die Schulferien. Diese Vorgaben stellen die Gemeinden vor große organisatorische Aufgaben, zumal sie das Angebot teilweise gemeinsam oder in Kooperation mit privaten Trägern bereitstellen müssen. Vertreter von Wirtschaftskammer, Arbeiterkammer und Industriellenvereinigung drängten dennoch auf eine noch breitere Versorgung, um Familien stärker zu entlasten und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie abzusichern. „Gerade bei der Frage des Versorgungsauftrags gibt es unterschiedliche Zugänge, die wir ernst nehmen und in die weiteren Beratungen einfließen lassen“, versicherte die Landesrätin.

Bei den strukturellen Rahmenbedingungen verwies die Landesrätin auf Fortschritte. Die Zahl der Kinder pro Betreuungsperson im Kindergarten ist seit 2015 von 6 auf 4,2 gesunken, auch die Gruppengröße verringerte sich leicht von 17,7 auf 17,1. Parallel dazu hat sich die Zahl der Beschäftigten in elementarpädagogischen Einrichtungen von 2646 (2015/16) auf 4553 (2023/24) nahezu verdoppelt, die Zahl der Gruppen stieg im selben Zeitraum von 833 auf 1109. Auch bei den Öffnungszeiten konnte Vorarlberg zulegen: Laut Aussendung liegt der Anteil der Einrichtungen, deren Zeiten den Vereinbarkeitsindikatoren für Familie und Beruf entsprechen, mittlerweile über dem Österreichschnitt.
Personal bleibt Hauptthema
Das pädagogische Personal bleibt dennoch das große Thema. Zwar brachte die jüngste Gehaltsreform ein um rund 160 Euro höheres Einstiegsgehalt und mehr Aufstiegsmöglichkeiten, von Assistenzkräften bis zu Leitungspositionen, doch die Gewinnung ausreichend qualifizierter Fachkräfte gilt als größte Herausforderung für die kommenden Jahre
Deutlich erhöht hat das Land die Mittel für die Elementarpädagogik. Das Budget ist seit 2013 von 44,1 Millionen Euro auf 125,3 Millionen Euro im Jahr 2024 angewachsen. Hinzu kommen jährlich mindestens 22 Millionen Euro aus dem Zukunftsfonds, die vollständig den Gemeinden zufließen. Schöbi-Fink betonte, dass eine langfristige finanzielle Absicherung notwendig sei, um Qualität und Vielfalt der Angebote dauerhaft zu gewährleisten.

WKV: Verpflichtendes und kostenfreies zweites Kindergartenjahr
Im Zuge eines Rundrufs der NEUE nahmen mehrere Interessenvertretungen Stellung. Die Wirtschaftskammer Vorarlberg (WKV) sprach sich klar für eine Weiterentwicklung des Gesetzes aus. Präsident Karlheinz Kopf bezeichnete eine moderne Bildungs- und Betreuungspolitik als „entscheidenden Standortfaktor für Vorarlberg“. Familien bräuchten verlässliche, flexible, leistbare und qualitätsvolle Angebote, ergänzte Vize-Direktorin Gudrun Petz-Bechter, und verwies auf die notwendige Verbindung von Bildungsqualität und Vereinbarkeit mit dem Berufsleben.

Konkret fordert die WKV unter anderem ein verpflichtendes und kostenfreies zweites Kindergartenjahr, eine Ausweitung des Versorgungsauftrags für Sechs- bis 14-Jährige mit Ganztags- und Ferienangeboten, den Ausbau der Betreuung für Ein- bis Zweijährige sowie die Wahlfreiheit für Eltern, Betreuungsplätze auch am Arbeitsort nutzen zu können. Zudem brauche es leistbare, sozial gestaffelte Beiträge und die Berücksichtigung spezieller Bedürfnisse, etwa für Eltern mit Wochenenddiensten im Tourismus oder im Gesundheitswesen.

Industriellenvereinigung: mehr ganztägige Angebote
Für Simon Kampl, Geschäftsführer der Industriellenvereinigung Vorarlberg, war es ein „wichtiges Signal“, dass alle Partner wieder gemeinsam an einem Tisch saßen. Eine ganztägige, qualitätsvolle Betreuung sei nicht nur für Familien, sondern auch für die Fachkräftesicherung entscheidend. Fortschritte wie längere Öffnungszeiten und die Qualifizierungsoffensive seien zwar spürbar, würden aber „noch nicht ausreichen, um dem steigenden Bedarf gerecht zu werden“, so Kampl im NEUE-Gespräch. Die Industrie wünscht sich vor allem mehr ganztägige Angebote für unter Dreijährige und über Sechsjährige sowie flexiblere Lösungen bei Einstiegen während des Jahres und über Gemeindegrenzen hinweg.

Gewerkschaft: Verbesserungsbedarf bei Versorgungsauftrag
Thomas Kelterer, Vorsitzender der younion Vorarlberg, sprach von einem „sachlichen und fairen“ Austausch. Aus Sicht der Gewerkschaften bestehe aber weiterhin Verbesserungsbedarf, insbesondere beim Versorgungsauftrag, bei Gruppengrößen, Personalstrukturen und bei der Inklusion. Auch die Bildungsinitiative müsse „neu gedacht werden, um mehr Fachkräfte zu gewinnen“. Kritisch merkte er an, dass die Zeit für eine vertiefte Diskussion zu knapp gewesen sei.
Arbeiterkammer: “Vorschläge ernst nehmen”
Auch die Arbeiterkammer Vorarlberg pochte auf eine ernsthafte Weiterentwicklung des KBBG. Bildungsreferent Linus Riedmann erklärte, das Land müsse die vielfältigen Vorschläge aus der Dialogrunde „ernst nehmen und das Gesetz tatsächlich fundiert überarbeiten“. Leider sei beim Termin ein echter Austausch über die drängendsten Themen nicht möglich gewesen. Riedmann betonte, die AK hoffe, dass die Gesprächsrunde „der Anfang des Dialogs war und nicht das Ende“ und unterstrich die Bereitschaft, sich konstruktiv einzubringen.

Kinder- und Jugendanwalt
Christian Netzer sagte auf NEUE-Anfrage, dass die bisherigen Fortschritte Familien spürbar entlastet hätten, insbesondere durch den Versorgungsauftrag. Zugleich mahnte er, dass ganztägige Betreuung hohe Anforderungen an Personal und Kinder stelle und die Qualifizierung daher gesichert bleiben müsse. Positiv hob er die im Gesetz vorgesehenen Mediationsgespräche hervor, die bisher „gute Lösungen zum Wohle der Kinder“ ermöglicht hätten.