“Vergeltungskündigung”: Ex-Leiter der Carina klagt Stiftung Maria Ebene

Klage gegen die Stiftung, Solidaritätsschreiben von Teammitgliedern und ein Vorstand, der alle Vorwürfe zurückweist: Konflikt um die Therapiestation Carina spitzt sich weiter zu.
Der ehemalige Leiter der Therapiestation Carina lässt seine Kündigung nicht auf sich sitzen. Er hat über seinen Rechtsanwalt Bertram Grass eine Klage gegen die Stiftung Maria Ebene eingebracht. Der Bregenzer Anwalt spricht auf NEUE-Anfrage von einer „Vergeltungskündigung“ und bezeichnet das Vorgehen der Stiftung als sozialwidrig. Sein Mandant habe nur wenige Tage vor der Entlassung am 25. September 2025 – wie bereits mehrfach zuvor – auf „gravierende Missstände in der Unternehmensführung und unverständliche Eingriffe in das erfolgreiche Therapiekonzept“ hingewiesen.
Die von der Stiftung genannten Gründe – Differenzen wegen einer privaten Beziehung innerhalb der Leitung – seien, so Grass, „bloß ein Vorwand“. Die Zusammenarbeit der beiden Führungskräfte, sprich dem ehemaligen Leiter und seiner Stellvertreterin, sei fachlich bis zuletzt geschätzt worden. Erst nach dem Abgang des früheren ärztlichen Leiters (Anm. d. Red.: Philipp Kloimstein) im Februar 2025 habe sich die Situation verändert. Dem Vernehmen nach war die Beziehung zwischen der Leitung und der Stellvertretung der Therapiestation bereits seit rund zwei Jahren bekannt und wurde intern offen kommuniziert.

Solidaritätsbekundung
Etwa eine Woche vor der Kündigung wandte sich ein Teil des Carina-Teams in einer Solidaritätsbekundung an den Vorstand der Stiftung. Das Schreiben, das der NEUE vorliegt, wurde von zwölf Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, also von etwas mehr als der Hälfte des Teams, unterzeichnet. Darin beschreiben sie die Zusammenarbeit mit der bisherigen Leitung als „konstruktiv, professionell und wertschätzend“. Nach herausfordernden Jahren – mit Leitungswechseln, Pandemie, zusätzlichen Therapieplätzen und der Schließung der Therapiestation Lukasfeld – habe sich das Team stabilisiert und ein „positives Arbeitsklima“ entwickelt. Ein weiterer Führungswechsel, so heißt es in dem Brief, hätte „fatale Auswirkungen auf die Behandlungsqualität und das Arbeitsumfeld“.
Ungelöste Themen?
Interne Unterlagen zeigen zudem, dass der nun geschasste Leiter wiederholt versucht haben soll, ungelöste Themen anzusprechen: Von einer falschen Gehaltseinstufung von Sozialarbeitern ist ebenso die Rede wie von Eingriffen in Therapiekonzepte ohne fachliche Rücksprache. Auch mangelnde Transparenz in Budgetfragen, eine unklare Kommunikationskultur sowie sicherheitsrelevante Fragen wie den Verlauf eines Fluchtwegs oder die Situation bei körperlichen Entzugsbehandlungen bemängelte der ehemalige Leiter der Therapiestation Carina gegenüber dem Stiftungsvorstand.

Verwaltungsdirektor weist Vorwürfe zurück
Verwaltungsdirektor Hansjörg Herbst widerspricht entschieden. Der Gesamtvorstand sei nachweislich erst Mitte Oktober 2024 über die Beziehung informiert worden, erklärt er. „Eine Lösung der Interessenkonflikte wurde ab diesem Zeitpunkt eingeleitet.“ Die Konstellation sei „weder in therapeutischer noch in organisatorischer Hinsicht weiter vertretbar“ gewesen. Da eine einvernehmliche Lösung nicht möglich war, habe der Vorstand die Trennung beschlossen.
Herbst verweist darauf, dass der Vorstand aus drei Personen besteht und Beschlüsse nur einstimmig gefasst werden. Sämtliche Vorwürfe – von falschen Gehaltseinstufungen über Eingriffe in Therapiekonzepte bis hin zu Kommunikationsproblemen – weist er als „unrichtig“ zurück. Der Fluchtweg sei zuletzt von der AUVA überprüft worden, ohne Beanstandung. Budget- und Entscheidungsprozesse würden regelmäßig und transparent geführt. Therapiekonzepte und deren Änderung würden einer Bewilligung durch das Kuratorium vorsehen, so Herbst.

Vorstandsvorsitzende Schmid verweist auf Aussendung
Vorstandsvorsitzende Greti Schmid ließ einen an sie gerichteten, umfangreichen Fragenkatalog im Wesentlichen unbeantwortet und verwies stattdessen auf die bereits am Samstag ausgesandte Stellungnahme. Darin heißt es, die Entscheidung sei aus fachlichen und organisatorischen Gründen erfolgt. „Die Paarbeziehung in der Leitung war nach Auffassung des Vorstandes und einschlägiger Fachleute nicht weiter vertretbar.“ Mit der raschen internen Neubesetzung durch einen erfahrenen Psychotherapeuten sei die Kontinuität im Sinne der Patient:innen gewährleistet. „Die Therapiestation Carina verfügt über ein ausgezeichnetes Team.“
Oliver Bachmann neuer Leiter
Die Leitung der Therapiestation Carina wurde wie berichtet an Oliver Bachmann, Psychotherapeut und langjähriger Mitarbeiter der Stiftung, übertragen. Er führt die Einrichtung gemeinsam mit dem stellvertretenden Oberarzt Hubert Schneider, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapeut. Die Stelle der stellvertretenden Therapieleitung ist laut Stiftung bereits ausgeschrieben. Die bisherige Stelleninhaberin wurde bislang nicht gekündigt.

Unruhige Zeiten
Die Auseinandersetzung reiht sich in eine Serie von Konflikten innerhalb der Stiftung ein. In den vergangenen Jahren kam es wiederholt zu Spannungen und Führungswechseln – zunächst nach der Kündigung von Primar Michael Willis, später auch nach dem Abgang seines Nachfolgers Philipp Kloimstein. Beide Fälle führten zu rechtlichen Auseinandersetzungen. Nun steht mit der Klage gegen die aktuelle Trennung erneut ein Verfahren im Raum.

Amann fordert Neuanfang
Der Sozialarbeiter Bernhard Amann, Obmann der Drogenberatungsstelle Ex & Hopp, hatte den Fall öffentlich gemacht. Er fordert einen Neuanfang. „Bei der Organisation muss endlich ein Schlussstrich gezogen werden“, sagt Amann. Er verlangt die Rücknahme der Kündigung, eine neue Trägerstruktur und die Einsetzung eines neuen Verwaltungsdirektors. Nur so könne das Krankenhaus „in eine positive Zukunft geführt“ werden. Andernfalls bestehe die Gefahr, „dass das Scheitern prolongiert und eine Schließung nicht mehr ausgeschlossen werden kann“. Seine Kritik, so betont er, werde „von vielen Menschen in der Sozialarbeit, in der ambulanten Therapie und im Krankenhauspersonal geteilt“.
Amann appelliert an die Landesregierung, endlich tätig zu werden.Eine entsprechende NEUE-Anfrage an Gesundheitslandesrätin Martina Rüscher blieb bis heute unbeantwortet.
Weitere Personalabgänge
Amann verweist zudem auf eine Reihe weiterer Personalabgänge innerhalb der Stiftung, darunter mehrere Mitarbeiter aus dem Pflegeteam, die Pflegeleitung des Krankenhauses, die Leitung der IT, den Pflegedirektor, eine Assistenz der Geschäftsführung, eine Psychiaterin sowie Mitarbeitende aus der Verwaltung. Welche Gründe im Einzelnen zu diesen Abgängen führten, ist nicht bekannt.