Ein rauschiges Zeltfest im Morast der Nation

Felix Römer bespielt in der neuen unpop Produktion „schlammland gewalt“ die bierlaunigen Abgründe Österreichs.
Das schonungslose Sezieren der „österreichischen Seele“ zählt zu den paradox zeitlosen Klassikern des nationalen Kulturbetriebs. So auch bei „schlammland gewalt“ von Ferdinand Schmalz, dem Gewinner des Ingeborg-Bachmann-Preis 2017. Jetzt kommt das Stück nach Bregenz, wo es in der Inszenierung von unpop, dem Ensemble für unpopuläre Freizeitgestaltung, am Freitag, dem 31. Oktober, im Theater Kosmos Premiere feiert.

Das Ich im Bierkrug ertränken
Zentraler Handlungsort des Stücks ist eine vermatschte Festwiese, samt Bierzelt, Brathühnern, Blaskapelle und vom dumpfen Alkoholexzessen befeuerter Sex und Gewalt. Jedenfalls verspricht das die Ankündigung.

Doch wo in Wirklichkeit Volksmassen im Bierkrug ihr Ich ertränken, wird ein einziger Schauspieler auf der Bühne stehen. Felix Römer (Jahrgang 1960) ist laut Caroline Stark von unpop der ausschlaggebende Wunschkandidat, ohne den die Inszenierung nicht stattfinden würde. „Er ist ein unglaublich intensiver Schauspieler, der aus Ernsthaftigkeit Humor schöpft“, schwärmt die Bühnenbildnerin.

Dem pensionierten Darsteller steht der Musiker Paul Winter zur Seite. Er begleitet das Heimatstück am Keyboard und passend an der Ziehharmonika, kommentiert die Handlung zusätzlich aus dem Off. Laut Stark verfremdet Winter die volkstümlichen Klänge zu einem Filmmusik-artigen Spannungsbogen, dem etwas Gespenstisches innewohne.

Während es bis zur Premiere unklar bleibt, wie sie die Textwand-Vorlage von Schmalz in eine Handlung fassen, steht bereits fest, dass sich ein brauner Erdschwall über die Bühne ergießen wird, metaphorisch wie physisch. Konkret handelt es sich um fünf Kubikmeter Erde, die symbolisch für die Gräber der im Schlamm Ertrunkenen steht.
Als Bühnenbild entwarft die Szenografin ein albtraumhaftes Bierzelt. „Als ob es für Wednesday Addams gemacht wäre, purzeln die Bierbänke wie Eingeweide aus ihm heraus“, lässt sie düster durchblicken.
Wer die Festbank erfunden hat
Bierbänke finden einen zentralen Platz im Foyer, wo die „Zeltfest“ Skulpturen des Künstlers Lukas Weithas ausgestellt werden. Sie basieren auf gespendeten Tischen und Bänken der Firma Ruku1952 (Zingerle Group). Ihr früherer Chef, Rudolf Kurz, entwarf das beliebte Volksfest-Mobiliar in den 1950ern. Fräsend entriss Weithas ihren Rändern eine scharfe Form zwischen Landhaus-Dekor und Metal-Ästhetik. Sie wirken vertraut, aber gefährlich und sind auf einer eigens geschweißten Trägerkonstruktion gestapelt, die auf den ersten Blick nützlich, auf den zweiten riskant anmutet.

Am 7. November verschwinden die Objekte kurz auf ein Fest der Firma Ruku1952. Bei der Dernière dienen sie selbst als Garnitur, Bier und Brezel inbegriffen.