Kultur

Rauchend über dem Unrat der Geschichte

20.11.2025 • 18:11 Uhr
Rauchend über dem Unrat der Geschichte
Das Sinnbild eines Überlebenden trägt Jeans.Hartinger

500 Jahre nach dem Bauernkrieg zeigt das Vorarlberg Museum die Schau „1525 – Siegessäule für eine Niederlage“.

Ein rauchender Mann thront auf einer Säule aus alten Adventskränzen, Milchfass, Strohbündel und anderen Objekten, wie man sie beim Ausräumen eines Maisäß finden könnte. Das Werk mit der gelassen blickenden Figur gehört zu Marko Lehankas „Bauernsäulen“, die der deutsche Künstler als freie Reaktion auf ein viel älteres Motiv schuf.

Aufbau der Ausstellung 1525 – Siegessäule für eine Niederlage, Atrium vorarlberg museum, 2025
Hinter dem fragilen Äußeren steckt ein harter Kern. vorarlberg museum

Jetzt trifft die Version „Remix 19“ (2019) im Atrium des Vorarlberg Museums auf ein Replikat ihres historischen Vorbilds: Albrecht Dürers Entwurf eines Bauernkriegs-Monuments von 1525. Der Renaissancekünstler veröffentlichte die Säule als Holzstich in seinem Lehrbuch für praktische Geometrie, der „Underweysung der Messung“.

Rauchend über dem Unrat der Geschichte
Die „Bauernsäule Remix 19“ (2019) erinnert vordergründig an einen Funken. Hartinger

Sieger und Besiegte

Auch bei Dürer finden sich aufeinander getürmte Alltagsgegenstände des bäuerlichen Lebens, Ofen, Kanne, Getreidegarbe, Werkzeuge. Doch auf der Spitze seines Entwurfs ruht eine bedrückte Figur mit Hut, deren Rücken von einem Schwert durchbohrt wird. Die Darstellung hat in ihren 500 Jahren keinerlei Ambivalenz verloren, ist es doch unklar, ob hier den Siegern oder Besiegten gedacht wird.

Rauchend über dem Unrat der Geschichte
Albrecht Dürers „Gedächtnismal auf einen Sieg über aufrührerische Bauern“ (1525). Hartinger

Die Schau wird am Freitag, dem 21. November, um 17 Uhr eröffnet und kann bis zum 22. Februar besichtigt werden. Sie ist eine Kooperation des Vorarlberg Museums mit dem Kunsthaus Bregenz und soll 500 Jahre nach dem Bauernkrieg an den gescheiterten Freiheitskampf der unterdrückten Klasse erinnern.

Freiheitskampf

Im Gegensatz zum nahen Deutschland, konkret das Allgäu und Schwaben, gab es in den Grenzen des heutigen Vorarlbergs keine offene Rebellion. Dennoch war die Region Teil jener Spannungsfelder, die 1525 große Teile Mitteleuropas erfassten. Direktor Michael Kasper (Vorarlberg Museum) erinnerte daran, dass auch hier Beschwerden gegen Grundherren laut wurden, etwa im Bregenzerwald gegenüber dem Kloster Mehrerau. Ebenso kam es zu Auseinandersetzungen um reformatorisch gesinnter Pfarrer, die in zahlreichen südlichen Gemeinden ausbrachen.

Überhaupt wirkte die Reformation als Katalysator für soziale Spannungen und machte zahlreiche Missstände erstmals offen benennbar. Viele Forderungen der bäuerlichen Bevölkerung waren in ganz Mitteleuropa ähnlich: geringere Abgaben, gerechtere Nutzung von Gemeingütern, freie Wahl der Seelsorger und die Aufhebung feudaler Pflichten. Insbesondere die „Zwölf Artikel“ aus Memmingen stechen dabei hervor, denn sie gelten für viele Historiker als eine der ersten Verschriftlichungen von Menschenrechten.

Mit der blutigen Niederschlagung des Aufstands flohen zahlreiche Kämpfer nach und durch Vorarlberg. Der bekannteste Fall ist jener des Allgäuer Anführers Jörg Schmid, genannt der „Knopf von Leubas“. Seine 16 Köpfe zählende Gruppe wurde auf der Reise in die Schweiz in Bludenz erkannt, festgehalten, gefoltert und schließlich im Jänner 1526 in Bregenz hingerichtet.

Kitsch und Kunst

Während Dürer einen unterlegenen Bauern entwarf, wirkt Lehankas Figur wie ein Überlebender, der auf den Trümmern der Geschichte sitzt und ihren Pathos in Gelassenheit auflöst. KUB-Direktor Thomas Trummer schildert die „Bauernsäule Remix 19“ als Kette von Anspielungen und Verschiebungen. Mit Blick auf den nahe gelegenen Weihnachtsmarkt fügt er an: „Wenn sie sich umdrehen, sehen sie dieselben Materialien, Kitsch, Kerzen, bäuerliche Kultur. Draußen ist es Kommerz, hier ist es Kunst.“

Rauchend über dem Unrat der Geschichte
Die Direktoren Michael Kasper (Vorarlberg Museum) und Thomas Trummer (Kunsthaus Bregenz). Hartinger

Die Ironie von Trummers Bemerkung verweist auf den Kern der Arbeit. Die Bauernsäule ist keine bloße skulpturale Spielerei, sondern ein Kommentar auf Erinnerungskultur. Wo Dürer die Gewalt des Bauernkriegs in ein streng proportioniertes System überführt, setzt Lehanka auf ein instabiles Gefüge aus Resten und Relikten. Seine Säule ist ein offensichtlich wackliges Gebilde, ein Monument ohne Machtgestus, das aufzeigt, wie brüchig historische Erzählungen und gesellschaftliche Ordnungen sind.