Die neue Erwachsenenpsychiatrie: Die NEUE im Gespräch mit dem Primar

Nach vier Jahren Bauzeit wurde heute im Neubau der Erwachsenenpsychiatrie bei einem Tag der offenen Türe Einsicht geboten. Acht Stockwerke, 8390 Quadratmeter Nutzfläche und Kosten von 69 Millionen. Die NEUE hat mit Primar Jan Di Pauli gesprochen.
Von Kurt Bereuter
neue-redaktion@neue.at
Welche Rolle spielt denn Architektur und der Raum als solcher für die Gesundung von Menschen mit psychiatrischen Erkrankungen?
Jan Di Pauli: Man hat nicht ohne Grund den Begriff der „Heilenden Architektur“ geprägt. Sie kann nachweislich die Aufenthaltsdauer der Patienten reduzieren, weil diese schneller gesund werden. Die Architektur orientiert sich aber auch an den unmittelbaren und aktuellen medizinischen, therapeutischen sowie pflegerischen Ansprüchen des Faches Psychiatrie. Nachdem die durchschnittliche stationäre Behandlungsdauer bei psychischen Erkrankungen zumeist deutlich länger ist als bei anderen Krankheitsformen, spielt die Qualität der Unterbringung eine besondere Rolle. Sie kann deeskalierend auf den Krankheitsverlauf wirken und ist ein wichtiger Faktor für den Behandlungserfolg.

Es gibt neuen Patientenzimmer, neue Therapieräume, neue Gesprächsräume und neue Außenräume.
Di Pauli: Die Erfahrung hat gelehrt, dass Zimmer mit maximaler Zweierbelegung optimal sind, weil damit eine gewisse Reizabschirmung gewahrt bleiben kann. Die neuen Zimmer sind viel moderner, haben eigene Nasszellen, sind viel heller und lichtdurchflutet. Die Therapieräume sind auf den Stationen und die Wege viel kürzer. Moderne pflegerische, therapeutische und medizinische Ansprüche wurden im Planungsprozess berücksichtigt. Das kommt vor allem schwerer erkrankten Menschen zugute, weil die Wege kurz, gut organisiert und dadurch auch viel einfacher für unserer Patienten sind. Allgemein steigern die neuen Räumlichkeiten und die Lichtführung des Hauses das Wohlbefinden. Die Innenarchitektur strahlt eine gewisse Ruhe aus. All das trägt dazu bei, dass der Heilungsprozess gefördert wird.

„Die neuen Zimmer sind viel moderner, haben eigene Nasszellen, sind heller und lichtdurchflutet“
Jan Di Pauli, Primar
Was kann dieser Neubau besser und was wird sich quantitativ und qualitativ verbessern?
Di Pauli: Ziel war von Beginn an, die bewährte berufsgruppenübergreifende Zusammenarbeit im Sinne der Patienten zu erleichtern. Uns war beispielsweise wichtig, dass der Pflegestützpunkt der jeweiligen Stationen zentral in der Mitte und offen angelegt ist. Er soll eine Art Rezeptionscharakter ausstrahlen, der die Willkommenskultur fördert. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Pflege sind dadurch jederzeit für ihre Patienten erreichbar und haben gleichzeitig einen Überblick über das Geschehen rundherum. In den obersten drei Stockwerken des neuen Gebäudes sind die Normalpflegestationen untergebracht, die über jeweils 16 Betten (Ein- und Zweibettzimmer mit Nasszellen) sowie je ein Akutzimmer verfügen, insgesamt also 120 stationäre Betten und zwölf tagesklinische Plätze. Zusätzlich sind Räumlichkeiten entstanden, die von den Stationen gemeinsam genutzt werden. Dazu zählen Einzel- und Gruppentherapieräume sowie Fitness- und Unterhaltungsräume. In den untersten Trakten des Neubaus sind ein Eingangsbereich, diverse Dienstzimmer sowie die Technikräume untergebracht. Die Räumlichkeiten sind interdisziplinär gut aufeinander abgestimmt und verbessern die bewährte berufsgruppenübergreifende Zusammenarbeit im Sinne der Patienten und bieten auch unseren Mitarbeitenden ein modernes und attraktives Arbeitsumfeld.

Das Angebot beinhaltet neben den Betten für stationäre Patienten auch neue Möglichkeiten einer Tagesklinik, von ambulanten Angeboten und einen neuen Akut-Empfangsraum?
Di Pauli: Es gibt eine ebenerdig zugängliche Notfallstation, sowie die Forensik für Menschen, die aufgrund ihrer Sucht- bzw. psychiatrischen Erkrankung eine Straftat begangen haben. Diese Ebene verfügt über einen ansprechenden Außenbereich. Ein weiteres Stockwerk beheimatet die psychiatrische Tagesklinik samt Therapiebereich mit modernen Räumen und Ausstattung. Die spielt im Gesamtkonzept eine wichtige Rolle, da eine funktionierende ambulante Behandlung nicht nur den Genesungsprozess der Patienten positiv beeinflusst, sondern auch den stationären Bereich entlastet. Durch diese Räumlichkeiten können wir ambulante Therapien und tagesklinische Leistungen anbieten, die wir vorher in dieser Form nicht so gut bereitstellen konnten. Der Akut-Empfangsraum ist jetzt von außen leichter und sicherer zugänglich.
Eröffnet dieses Gebäude auch neue Möglichkeiten für die Verschränkung mit den niedergelassenen Psychiatern, also im Sinne von Zugang und Nachsorge bei Patienten?
Di Pauli: Vielleicht in Zukunft, wenn das neue Ambulanzgebäude fertig ist und wir die ambulante Versorgung damit verbessern können.

Es gibt weiterhin die Unterbringung von Langzeitpatienten und wie groß ist die Anzahl derer?
Di Pauli: Langzeitpatienten gibt es nur in der Forensik und dort auch nur für Patienten mit einer maximalen Unterbringungsdauer von höchstens zwei bis drei Jahren. Ganz wenige Patienten auf der Normalstation sind bis zu einem Jahr hier, wenn wir für sie nicht schnell einen geeigneten Platz extern finden.
Wird sich an der durchschnittlichen Aufenthaltsdauer etwas ändern, bisher gab es doch auch den Vorwurf, dass Patienten wegen Personalmangel zu früh entlassen wurden.
Di Pauli: Diesen Vorwurf sehe ich nicht als berechtigt an, weil die Behandlung ambulant weitergeht, wobei sich dieses Konzept nicht mit einer kürzeren Aufenthaltsdauer bewährt hat, die ist relativ stabil geblieben, mit durchschnittlich 15 Tagen.
Bisher waren ja Betten gesperrt, weil das Pflegepersonal fehlte. Wie ist die Situation jetzt?
Di Pauli: Die Situation hat sich deutlich verbessert, die Dramatik ist heraußen, obwohl es noch offene Stellen gibt, die wir hoffentlich bald auch noch besetzen können. Das gilt im Übrigen auch noch für Fachärzte, die wir suchen, aber es entspannt sich. Ein modernes Haus soll auch als Arbeitgeber attraktiver werden. Hier möchte ich gerne unsere Pflegedirektorin, Elke Kovatsch, zitieren: „Das neue Gebäude schafft Rahmenbedingungen, die unsere tägliche Arbeit wesentlich erleichtern und die Versorgung unserer Patienten auf ein neues Niveau heben. Die großzügigen, hellen Räume, die klare Orientierung und die breiten Gänge sorgen nicht nur für ein angenehmes Umfeld – sie bringen echte Vorteile im Pflegealltag. Unsere Mitarbeiter haben jederzeit einen guten Überblick über die Patientenbereiche, können schneller reagieren und bleiben näher am Geschehen. Das bedeutet mehr Sicherheit und mehr Zeit für das, was am wichtigsten ist: die direkte Betreuung der Menschen, die zu uns kommen. Die vielen Glaselemente fördern Transparenz, Offenheit und ermöglichen ein Miteinander, das sich positiv auf den Genesungsprozess auswirkt.“

Wir haben zurzeit eine Phase des Umbruchs bei den Krankenhäusern im Land. Ist das LKH Rankweil außen vor?
Di Pauli: Nicht ganz, weil die Akutneurologie nach Feldkirch wandert, was richtig ist. Wir sollen in Rankweil eine Abteilung für Kinder- und Jugendpsychosomatik dazu bekommen, also wenn Kinder und Jugendliche körperliche Beschwerden wegen psychischer Ursachen aufweisen.
Wie bei den anderen Krankenhäusern gab es auch in Rankweil das Thema der leichten Erreichbarkeit und zudem einen Experten, der meinte, eine zentrale Psychiatrie ist nicht mehr zeitgemäß, die gehöre in die anderen Krankenhäuser entstigmatisierend und wohnortnah integriert.
Di Pauli: Na ja, alles hat ein Für und Wider. Aber der Standort, umgeben von Natur, hat schon eine große Bedeutung. So wissen wir, dass grüne Städte auch geringere Suizidraten aufweisen. Also der Standort hier hat seine Berechtigung und das moderne und architektonisch gelungene Gebäude soll weiter einer Stigmatisierung entgegenwirken und ein Signal sein, dass uns unsere Patienten in einem schönen, modernen Haus wichtig sind.
Wann ist denn nun der Einzug ins neue Gebäude geplant und welche weiteren Projekte für das LKH Rankweil stehen noch an?
Di Pauli: Der neue Trakt wird ab März in Betrieb gehen. Und dann geht es weiter. In der folgenden Bauetappe entsteht das zentrale Eingangsgebäude für das Krankenhaus sowie der Neubau der Kinder- und Jugendpsychiatrie im Krankenhausbereich.