Vorarlberg

Brauchen wir in Vorarlberg eine Skihelmpflicht?

21.11.2025 • 18:00 Uhr
Brauchen wir in Vorarlberg eine Skihelmpflicht?
Vorarlberg ist neben Tirol das einzige Bundesland ohne Skihelmpflicht. apa/canva

Seit 1. November gilt in Italien eine Skihelmpflicht für alle. Vorarlberg ist eines von zwei österreichischen Bundesländern ohne solche Regelung. Bergretter, Arzt, ÖAMTC und Landesrätin schätzen ein, ob das auch hierzulande Sinn machen würde.

Wer seinen Skiurlaub in diesem Winter in Italien verbringt, muss die Rechtslage im Auge behalten: Seit dem 1. November gilt bei Österreichs südlichem Nachbar eine Skihelmpflicht. Skifahrer, Snowboarder und Rodler müssen eine CE-zertifizierten Helm tragen, ansonsten droht eine Strafe zwischen 100 und 150 Euro oder der Entzug des Skipasses. Bislang galt die Pflicht nur für Minderjährige, nun müssen sich alle daran halten.

In Österreich ist die Rechtslage uneinheitlich: In sieben von neun Bundesländern gilt eine Skihelmpflicht bis zum 15. Lebensjahr, die Ausnahmen bilden Tirol und Vorarlberg. Hier gilt kein entsprechendes Gesetz. Die NEUE hat das zum Anlass genommen, verschiedene Perspektiven zu einer möglichen Skihelmpflicht einzufangen.

Primar plädiert für Helmpflicht

Klar für eine Skihelmpflicht – „und zwar durch alle Altersgruppen hindurch“ – spricht sich René El Attal aus. Der Primar leitet die Fachbereiche Unfallchirurgie, Orthopädie und Traumatologie am Landeskrankenhaus Feldkirch und bringt medizinische Expertise zu Kopfverletzungen mit. „Gerade bei den Jüngeren ist ein Helm besonders wichtig, da ihr Kopf im Verhältnis zum Körper größer und schwerer ist. Aber auch bei Erwachsenen ist er sinnvoll“, erklärt El Attal und verweist auf die Wissenschaft: „Studien belegen, dass 60 bis 80 Prozent der Traumafolgen durch einen Helm gemindert werden können. Der Aufprall wird durch die Fläche des Helms absorbiert und die Folgen eines Schädel-Hirn-Traumas können so reduziert werden.“

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Primar René El Attal spricht sich klar für eine Skihelmpflicht für alle Altersgruppen aus. khbg

Aus der eigenen Erfahrung kann der Primar berichten: „Die Personen, die ohne Helm stürzen, sind in den meisten Fällen schwerer verletzt. Auch die Rate jener, die auf der Intensivstation landen, ist bei den ohne Helm Gestürzten um ein Vielfaches höher. Man muss aber dazu sagen: Die überwiegende Mehrheit trägt inzwischen Helm und Rückenprotektoren beim Skifahren.“ Anders sehe es aber bei den Rodlern aus: „Dort ist der Anteil jener, die Helm tragen, ganz gering – was rational aber nicht nachvollziehbar ist. Denn ähnlich wie beim Skifahren erreicht man auch beim Rodeln ein hohes Tempo. Ab einer gewissen Geschwindigkeit ist das Risiko hoch, bei einem Aufprall ein Schädel-Hirn-Trauma zu erleiden.“ Der pointierte Schlusssatz des Primars: „Wer ein Hirn hat, schützt es.“

Appell an die Eigenverantwortung

Klaus Drexel, Sprecher der Bergrettung Vorarlberg, appelliert in der Frage nach einer Skihelmpflicht vor allem an die Eigenverantwortung: „Wer mitdenkt, schützt sich. Ein Helm beugt vor, da – neben Schulter und Beinen – besonders der Kopf oft bei Stürzen auf der Skipiste verletzt wird.“ Auch um Vorbildwirkung gehe es, ergänzt er.

Brauchen wir in Vorarlberg eine Skihelmpflicht?
Bergretter Klaus Drexel: “Wer mitdenkt, schützt sich.” hartinger

Auf die Einführung einer gesetzlichen Helmpflicht will Drexel sich nicht festlegen: „Da gibt es viel Für und Wider.“ Aus der Praxis weiß der Bergretter jedenfalls: „In der Regel tragen die Menschen beim Skifahren oder Snowboarden einen Helm. Wer keinen trägt, fällt eher auf.“

Bewusstseinsbildung statt hohen Strafen

„In Vorarlberg ist die Helmtragequote bereits sehr hoch, weshalb der ÖAMTC derzeit keinen Anlass sieht, eine eigene, strafbewehrte Skihelmpflicht zu fordern. Sollte das Land Vorarlberg eine Helmpflicht prüfen, würde der Club ein Modell befürworten, das – ähnlich wie bei Kinderhelmen – vor allem auf Bewusstseinsbildung setzt und nicht auf hohe Strafen“, erklärt ÖAMTC-Clubjuristin Ebru Bicer-Düzdelen. Unabhängig von einer Helmpflicht rät der Verkehrsclub allen Skifahrern, Snowboardern und Rodlern dringend dazu, immer einen geprüften Wintersporthelm zu tragen, denn: „Ein Helm schützt nachweislich in jedem Alter vor schweren Kopfverletzungen – und zwar auch dann, wenn ihn das Gesetz nicht ausdrücklich vorschreibt. Empfohlen werden CE-zertifizierte Ski- und Snowboardhelme (EN 1077) mit guter Passform, die nach einem heftigen Sturz ausgetauscht werden sollten. Der Helm ersetzt keine vorsichtige Fahrweise, ist aber ein zentraler Baustein für mehr Sicherheit auf der Piste.“

Ebru Bicer-Düzdelen
ÖAMTC-Clubjuristin Ebru Bicer-Düzdelen würde eine Helmpflicht unterstützen, wenn sie “auf Bewusstseinsbildung statt hohe Strafen” setzt. öamtc/darko todorovic

Der Verkehrsclub verweist auch auf mögliche rechtliche Folgen bei Unfällen ohne Helm: „Das Versäumnis kann im Unglücksfall versicherungstechnische Nachteile haben, etwa Kürzung von Leistungen oder Mitschuld. Eltern können bei Unfällen ihrer ungeschützten Kinder zudem zivilrechtlich zur Verantwortung gezogen werden.“

Gute Ausgangsposition

Gesundheits- und Sportlandesrätin Martina Rüscher (ÖVP) erklärt: „Wir stehen der Diskussion bezüglich Helmpflicht grundsätzlich offen gegenüber, wir haben dazu aber in Vorarlberg bereits eine sehr gute Ausgangsposition.“ Dazu verweist sie auf die Statistik: „In Vorarlberg ist das Tragen eines Helmes beim Skifahren und Snowboarden längst gelebter Standard. Die Helmtragequote liegt bei den Skifahrenden bei rund 98 Prozent, bei den Snowboardern bei etwa 97 Prozent – ein sehr hoher Wert, der zeigt, dass die Bewusstseinsbildung der vergangenen Jahre fruchtet. Auf diese Aufklärungsarbeit und die Eigenverantwortung der Sportler setzen wir auch weiterhin.“ Aufholbedarf gibt es hingegen beim Rodeln, wo die Helmtragequote laut Rüscher österreichweit nur bei etwa 40 Prozent liegt: „Hier besteht noch Potenzial, um das Bewusstsein für Sicherheit weiter zu stärken. Auch in diesem Bereich setzen wir auf Aufklärung.“

Brauchen wir in Vorarlberg eine Skihelmpflicht?
Gesundheits- und Sportlandesrätin Martina Rüscher setzt auf Aufklärungsarbeit und Eigenverantwortung. hartinger

Auch Rüscher verweist auf rechtliche Aspekte: „Wer ohne Helm fährt und sich dabei eine Kopfverletzung zuzieht, riskiert, dass die Unfallversicherung nicht zwingend einsteigen muss – selbst wenn ein anderer den Unfall verursacht hat. Der Oberste Gerichtshof hat dies mit der Begründung entschieden, dass aufgrund der hohen Helmtragequote es für die Skisportler zumutbar ist, einen Skihelm zu tragen“, so die Landesrätin. Zur Unfallvermeidung tragen neben Helm weitere Aspekte bei, wie Rüscher ausführt: „Dazu gehört, sich körperlich gut auf die Wintersaison vorzubereiten, die Ausrüstung rechtzeitig zu überprüfen und bei den ersten Abfahrten das Tempo bewusst niedrig zu halten.“

Mit der Helmpflicht steht Italien im Alpenraum übrigens recht alleine da: In Deutschland und der Schweiz und Liechtenstein besteht laut ÖAMTC keine Helmpflicht, auch nicht für Kinder.