Olivier war mit Stuttgart schon in Japan

Die NEUE besuchte den Vorarlberger Nachwuchsnationalspieler Christopher Olivier bei seinem Verein VfB Stuttgart. Im Interview spricht der 19-jährige Auer über seine Ziele.
Du hast dich beim VfB Stuttgart in der zweiten Mannschaft festgespielt in der 3. Liga. Das ist ein großer Schritt.
Christopher Olivier: Ja, zumal es mein erstes wirkliches Jahr im Herrenfußball ist. Ich habe zwar schon in der Vorsaison dritte Liga gespielt, aber da bin ich ab November verletzt ausgefallen, die Saison kann man fast nicht zählen. Deshalb bin ich im Augenblick sehr zufrieden, dass ich meinen Stammplatz in der zweiten VfB-Mannschaft in der 3. Liga habe. Ich fühle mich gut und bin bereit für die nächsten Schritte.
Die Verletzung, von der du sprichst, war ein Knöchelbruch. Ohne diese schwere Verletzung wärst du mitunter deutlich weiter?
Olivier: Davon gehe ich eigentlich aus. Aber es ist auch nicht so, dass mich der Knöchelbruch komplett aus der Bahn geworfen hat. Klar, ich habe die halbe Saison verpasst, aber ich bin noch im Frühjahr wieder ins Training eingestiegen und war zum Schluss sogar wieder im Kader.
Das klingt jetzt sehr abgeklärt, aber wie schwierig ist es in einer so wichtigen Karrierephase, wenn man mit 18 Jahren auf dem Sprung in den Profifußball ist, so einen langen Ausfall zu akzeptieren – du warst ja im Sommer 2024 schon bei Stuttgarts Japan-Tour dabei, was aufzeigt, dass du im Blickfeld bist?
Olivier: Natürlich ärgerst du dich im ersten Moment. In dem Alter musst du spielen und Leistung bringen, um den nächsten Schritt machen zu können. Aber ich habe den Ausfall eigentlich mehr oder weniger gut akzeptiert, ändern konnte ich es ja nicht mehr, also habe ich mich der Situation gestellt. Ich habe in der Reha-Phase hart gearbeitet, um schnellstmöglich wieder auf dem Platz zu sein. Das ist mir gelungen. Ich bin am letzten Spieltag eingewechselt worden und dann im Sommer topfit in die Vorbereitung auf die neue Saison gegangen.
Du hast auch in diesem Sommer wieder einen Teil der Vorbereitung bei den Bundesliga-Profis mitgemacht und warst bei einem Testspiel auch in der Startelf.
Olivier: Der Verein bietet mir jedes Jahr diese Plattform, das ist wichtig für mich. Im Moment ist die 3. Liga sicherlich noch das Beste für mich, doch klarerweise habe ich höhere Ambitionen.

Im Sommer soll Zweitligist Holstein Kiel an einer Leihe interessiert gewesen sein?
Olivier: Es waren mehrere Vereine an mir interessiert, die Möglichkeit eines Wechsels stand im Raum. Aber ich habe gute Gespräche mit dem VfB Stuttgart geführt.
Du hast unter anderen mit dem Trainer des Bundesliga-Teams Sebastian Hoeneß gesprochen.
Olivier: Richtig. Der Verein hat mir einen klaren Plan aufgezeigt, darum habe ich mich entschieden, in Stuttgart zu bleiben. Ich identifiziere mich mit dem VfB, von so einem Verein geht man nicht einfach weg, außerdem hatte ich während meiner Verletzung immer Rückendeckung, das ist nicht selbstverständlich. Ich bin seit drei Jahren beim VfB Stuttgart und will mich hier durchsetzen.
Du hast während deiner Laufbahn schon auf verschiedenen Positionen gespielt. In dieser Saison spielst du konstant rechts und meistens Rechtsverteidiger. Wie gefällt dir die Position?
Olivier: Ich spiele da, wo mich der Trainer aufstellt, ich habe auch das Selbstverständnis, dass ich eigentlich auf fast allen Positionen spielen kann. Ich fühle mich auf jeder Position wohl. Für mich ist wirklich die Hauptsache, dass ich spiele.
Dann frage ich anders: Hast du schon ein Gefühl für die Rechtsverteidigerposition entwickelt?
Olivier: Die ersten paar Wochen war es natürlich eine Umstellung für mich, aber dafür ist die Vorbereitung ja da. Außerdem habe ich, wenn ich bei den Profis war, immer Rechtsverteidiger gespielt, daher hatte ich schon ein paar Erfahrungswerte. Es stimmt schon, es braucht eine gewisse Zeit, bis man auf einer Position Automatismen entwickelt. Jede Position hat andere Charakteristiken. Prinzipiell sehe ich mich als Box-to-Box-Spieler, also als Spieler zwischen den beiden Strafräumen. Ob ich das im Zentrum oder rechts umsetze, macht zwar schon einen Unterschied, aber ich bin flexibel genug, mich auf eine Position einstellen zu können.

Gibt es einen Spieler, an dem du dich orientierst – vielleicht aktuell an einem Rechtsverteidiger?
Olivier: Da gibt es einen, ja, aber keinen Rechtsverteidiger, sondern mit Nuno Mendes einen Linksverteidiger. Mir gefällt seine Spielweise. Er ist defensiv und offensiv stark, er bringt eine enorme Wucht mit. So möchte ich meine Rechtsverteidigerposition interpretieren.
Du hast im Oktober in der österreichischen U21-Nationalmannschaft debütiert, nachdem du zuvor für die U16, U17, U18 und U19 gespielt hast. Der Sprung zur U21-Nationalmannschaft ist schon auch ein großer Karriereschritt?
Olivier: Es ist immer eine große Ehre, für das eigene Land zu spielen und Österreich zu repräsentieren. Ich habe, glaube ich, einen guten Eindruck hinterlassen und wünsche mir natürlich, zu weiteren Lehrgängen eingeladen zu werden. In hoffentlich naher Zukunft will ich im A-Team mein Debüt geben.
Frei nach dem Motto: Man muss nach den Sternen greifen, nach dem Höchsten streben.
Olivier: Eben, es wäre völlig falsch zu sagen, ich bin zufrieden, bei Stuttgart in der zweiten Mannschaft oder beim Nationalteam in der U21 zu spielen. Das sind wichtige Karrierestationen. Aber ich will mehr.
Wie weit bist du denn aus deiner Sicht noch entfernt von der Stuttgarter Bundesliga-Mannschaft?
Olivier: Ich würde mir zutrauen, sofort bei den Profis zu spielen. Im Fußball kann alles schnell gehen, in dem Bereich, in dem ich mich jetzt bewege, machen teilweise nur noch Nuancen den Unterschied. Es kommt so ein bisschen auf das Momentum an. Wenn man das hat und die Chance kriegt, muss man sie nutzen.
Gerade durch Verletzungen in der ersten Mannschaft tun sich für junge Spieler Chancen auf.
Olivier: Das ist so, aber ich hoffe nicht darauf, dass sich wer verletzt. Mein Ziel ist es, so gut zu spielen, dass ich mir meine Chance aus eigener Kraft erarbeite. Wenn es in absehbarer Zeit hier beim VfB nicht langt, bin ich auch offen dafür, mich über einen anderen Verein für die Stuttgarter Bundesligamannschaft zu empfehlen. Ich will höherklassig spielen, und ich werde alles dafür tun, was nötig ist.

Wie gefällt dir generell das Leben in Stuttgart?
Olivier: Sehr gut. Ich bin mit der Schule fertig und im Sommer aus dem Internat ausgezogen, ich wohne jetzt in einer eigenen Wohnung. Die Dinge entwickeln sich hier schon so, wie ich mir das erhofft hatte. Außerdem bekomme ich fast wöchentlich Besuch von meiner Familie. Papa, Mama, meine Schwestern, Opa, Oma, Onkel kommen regelmäßig zu mir nach Stuttgart.
Wie unterscheidet sich der Schwabe vom Bregenzerwälder?
Olivier: Der Bregenzerwälder ist schon ein eigener Menschenschlag, aber der Schwabe ist von seiner Art her gar nicht so verschieden zum Wälder. Ich glaube, auch darum fühle ich mich so wohl hier. Die Menschen sind bodenständig, fleißig, ehrgeizig. Die Heimat kann nichts und niemand ersetzen, ich fühle mich aber schon sehr verbunden zu Stuttgart.
Banal, aber wichtig: Wie schmeckt dir die regionale Stuttgarter Küche?
Olivier: Es gibt keinen großen Unterschied zur Vorarlberger Küche. Ich bin auch nicht heikel, ich esse, was auf dem Teller ist. Außerdem koche ich ja in meiner Wohnung meistens selbst, da bin ich dann ja selber verantwortlich dafür, was auf dem Tisch kommt. (lacht) Aber auch das Essen im Klubrestaurant, oder wenn ich auswärts in einem Lokal esse, schmeckt mir gut.
Was macht denn den VfB Stuttgart als Verein aus?
Olivier: Der VfB macht eine richtig gute Jugendarbeit. Du wirst hier Schritt für Schritt aufgebaut, nicht nur sportlich, sondern du wirst auch als junger Mensch auf das Leben vorbereitet. Man legt beim VfB großen Wert auf die Schule, dass man sich ein zweites Standbein aufbaut. Das imponiert mir schon sehr. Die besten Nachwuchsspieler können auch immer wieder bei den Profis mittrainieren. Es war schon ein großes Erlebnis für mich, im Vorjahr mit den Profis bei der Japan-Tour dabei gewesen zu sein. Das sind genau die Plattformen, die du als Junger brauchst, um dich zu zeigen und weiterentwickeln zu können.
Wie hast du den DFB-Pokalsieg des VfB Stuttgart im Mai 2025 miterlebt?
Olivier: Das war ein riesiges Spektakel. Vor meinem Wechsel zu Stuttgart war ich Lichtjahre davon entfernt, so eine Atmosphäre mitzuerleben, jetzt bin ich bei einem Verein, der so große Titel gewinnen kann, und klopfe an die erste Mannschaft an. Das ist schon sehr motivierend.
Inwieweit nimmst du dir ein Beispiel an Nick Woltemade?
Olivier: Bei ihm sieht man es am besten, wie schnell es gehen kann. Er hat bei Bremen eigentlich fast keine Rolle gespielt, war auch beim VfB am Anfang nicht in der Startelf und noch nicht mal für die Champions League nominiert. Dann hat er seine Chance bekommen, getroffen, und innerhalb von zwei, drei Wochen war er plötzlich Stammspieler. Jetzt ist er deutscher Nationalstürmer. Wenn du deine Chance bekommst, musst du bereit sein.
Bleibt noch die Frage, ob du dich mit deiner Schwester Victoria, sie ist Skiweltcupläuferin, über den Sport austauschst, oder sind eure Sportarten so verschieden, dass ihr euch keine Tipps geben könnt?
Olivier: Die Sportarten sind eigentlich so verschieden, wie sie nur sein können. Victoria ist Einzelsportlerin, ich Mannschaftssportler. Aber wir sind beide im Profisport und unterhalten uns natürlich über die Mechanismen und Dynamiken im Profisport. Wir helfen uns schon gegenseitig, suchen auch mal Rat beim anderen. Ich glaube, wir beide sind unsere besten Ratgeber, weil wir offen und ehrlich miteinander sein können und beide wissen, wovon wir sprechen.
Christopher Olivier
Geboren am: 31.1.2006
Wohnhaft in: Au bzw. Stuttgart
Familie: Eltern Heinrich und Simone, Schwestern Victoria (Skiweltcupläuferin), Grace
Stammverein: FC Au; VFV-Akademie: 2021–2023
Position: Zentrales Mittelfeld, Rechtsverteidiger
Rückennummer: 24; Starker Fuß: rechts
Leistungsdaten 2025/26: 3. Liga Deutschland: 12 Spiele, 2 Vorlagen. Nationalteam: U16: 1 Spiel, 1 Tor; U17: 1 Spiel; U18: 4 Spiele, 2 Tore; U19: 6 Spiele; U21: 1 Spiel, debütiert am 10. Oktober 2025