Vorarlberg

Wirtschaftskammer als Reizthema: Was denken Vorarlberger Unternehmer über den Pflichtbeitrag?

28.11.2025 • 17:10 Uhr
Wirtschaftskammer als Reizthema: Was denken Vorarlberger Unternehmer über den Pflichtbeitrag?
Die NEUE hat mit vielen Unternehmerinnen und Unternehmern gesprochen. Vier waren dazu bereit, sich zum Thema zu positionieren. canva/apa

Diskussionen um Pflichtmitgliedschaft in Wirtschaftskammer reißen nach Gehaltserhöhung und Mahrer-Rücktritt nicht ab. Ein Stimmungsbild unter Vorarlberger Unternehmern.

Selten stand die Wirtschaftskammer so im Kreuzfeuer wie momentan. Aufgrund der geplanten Lohnerhöhung von 4,2 Prozent für die Mitarbeitenden und noch höheren Entschädigungen für Funktionäre der Interessenvertretung brach ein Sturm der Entrüstung los. Zwar schwächte man die Gehaltsanpassung nachträglich auf 2,1 Prozent ab, Wirtschaftskammer-Präsident Harald Mahrer musste dennoch seinen Hut nehmen und zurücktreten.

Wirtschaftskammer als Reizthema: Was denken Vorarlberger Unternehmer über den Pflichtbeitrag?
Musste als Kammerpräsident zurücktreten: Harald Mahrer apa/steinmaurer

Auch danach ging es heiß her: Im Nationalrat wurden die Turbulenzen um die Wirtschaftskammer heißt debattiert. Während insbesondere die FPÖ, aber auch die Neos und die Grünen die ganze oder zumindest teilweise Abschaffung der Kammerumlage forderten, verteidigten ÖVP und SPÖ den Pflichtbeitrag. Einig war man sich parteiübergreifend: Die Kammer muss reformiert werden. Interimspräsidentin Martha Schulz kündigte am Freitag an, einen „Weg für den Reformprozess der Wirtschaftskammer“ zu eröffnen.

Die NEUE startete einen Rundruf unter Vorarlberger Unternehmern und befragte sie zu ihrer Sicht auf die Pflichtmitgliedschaft, die Diskussion um die Lohnerhöhung und ihre eigenen Erfahrungen mit ihrer Interessenvertretung.

“Exorbitante Rücklagen”

Gastronom Marcel Lerch, der mehrere Restaurants und Bars in Dornbirn und Lustenau betreibt, ist „froh darüber, dass die Diskussion über die Kammerumlage entstanden ist.“ Er befindet: „Es wäre auf jeden Fall von Vorteil, wenn man die Pflichtmitgliedschaft abschafft oder zumindest die Höhe der Beiträge reduziert.“ Zwar mache die Kammer grundsätzlich gute Arbeit, ob der „exorbitanten Rücklagen“ könne man die Unternehmer hier jedoch entlasten, erklärt Lerch.

Wirtschaftskammer als Reizthema: Was denken Vorarlberger Unternehmer über den Pflichtbeitrag?
Gastronom Marcel Lerch ist froh um die Diskussion um die Pflichtmitgliedschaft. hartinger

Anhand der schwierigen Wirtschaftslage kommentiert Lerch: „Häufig wird es so dargestellt, dass wir Gastronomen die Treiber der Inflation seien. Aber man muss viel weiter vorne in der Kette anfangen. Energie und Lebensmittel werden teurer und wir sind gezwungen, die gestiegenen Preise zumindest teilweise an die Gäste weiterzugeben. Wir wären um jede Entlastung froh.“ Hier sei die Wirtschaftskammer als Interessensvertretung der Unternehmer gefragt, Druck auf die Verantwortlichen in der Politik auszuüben. „Aber wenn die Funktionäre ihre eigenen Gehälter um 4,2 Prozent erhöhen wollen, ist das ein Skandal.“ Lerch wünscht sich, dass die Kammer stattdessen eine Vorbildwirkung an den Tag legt.

“Kammer entpolitisieren”

Irmgard Marte, Inhaberin des „SchokoMus“ in Feldkirch, findet die Pflichtmitgliedschaft in der Wirtschaftskammer „grundsätzlich gerechtfertigt“: „Die Grundidee einer Interessensvertretung finde ich gut, sei es die Wirtschaftskammer oder die Arbeiterkammer.“ Es sei jedoch nötig, die Wirtschaftskammer zu entpolitisieren: „Viele Funktionäre haben einen parteipolitischen Hintergrund und die Politik benutzt die Kammer gerne als Werkzeug. Das finde ich nicht gut. Würde man sie entpolitisieren, käme sie in gewissen Fällen wohl zu anderen Entscheidungen.“

EPU Serie, Irmgard Marte macht Schokoladen und Pralinen selbst.
Patissière Irmgard Marte findet die Pflichtmitgliedschaft grundsätzlich in Ordnung.rhomberg

Ihren eigenen Beitrag findet Marte angemessen: „Ich erhalte von der Kammer fachliche und rechtliche Auskunft, wenn ich sie benötige. Außerdem veranstaltet sie gute Aktionen: Lehrlingsmesse, Lehrlingswettbewerbe, etc.“ Eine Erhöhung lehnt sie jedoch ab: „Die Kammer hat genügend Rücklagen, auf die sie zugreifen kann. Die Verteilung ist das Problem, kleinen Sparten geht das Geld aus, während es woanders angehäuft wird.“ Kritisch hinterfragt Marte die große Anzahl an Funktionären: „Es gibt mehr Spitzenposten als nötig. Zudem sollte berufliche Erfahrung bei der Besetzung eine gewichtigere Rolle spielen.“

“Mehr Transparenz, wofür Beiträge eingesetzt werden”

Thomas Gabriel, Unternehmer mit mehreren Firmen, verdeutlicht: „Ich bin für echte Reformen und Erneuerung, und der beste Zeitpunkt dafür ist heute.“ Eine gemeinsame Interessenvertretung könne sinnvoll sein, aber: „Sie sie muss entpolitisiert, deutlich serviceorientierter und klar auf Zukunftsthemen wie Digitalisierung, Innovation und internationale Wettbewerbsfähigkeit ausgerichtet sein. Pflichtbeiträge lassen sich nur rechtfertigen, wenn der Nutzen für die Mitglieder spürbar ist.“ Lob gibt es von Gabriel für Bereiche wie Außenwirtschaft und Rechtsservice der Wirtschaftskammer, „da ist die Qualität hoch.“ Mehr Zukunftsausrichtung fordert er bei digitalen Services, Unterstützung bei Innovation, KI, New Work und bei Herausforderungen von Kleinbetrieben, EPUs und Startups, „kombiniert mit mehr Transparenz darüber, wofür Beiträge verwendet werden.“

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Multi-Unternehmer Thomas Gabriel wünscht sich in gewissen Bereichen mehr Zukunftsausrichtung von der Wirtschaftskammer. hartinger

Die Lohnerhöhung für die Mitarbeitenden verortet er als „falsches Signal in einer Phase, in der viele Unternehmen um jede Kostensteigerung ringen.“ Gerade jetzt müsse die Kammer zeigen, dass sie schlanker, agiler und serviceorientierter wird und ihre Ressourcen konsequent in Zukunftsthemen und Standortstärkung steckt, fordert Gabriel.

“Ich muss drei Mal Pflichtmitglied sein”

Greentech-Unternehmer Jodok Batlogg wird im Bezug auf die Wirtschaftskammer deutlich: „Leider hat die Vergangenheit gezeigt: Die ethische und moralische Verantwortung, die mit einer Pflichtmitgliedschaft einhergeht, wird regelmässig nicht wahrgenommen – und stattdessen Fürstentümer und Selbstbedienungsläden geschaffen.“

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Tree.ly-Gründer Jodok Batlogg befindet, die Kammer nehme ihre Verantwortung, die mit den Pflichtbeiträgen einhergeht, regelmäßig nicht wahr. privat

Er hinterfragt: „Würde, wenn überhaupt, nicht eine einfache Zwangmitgliedschaft genügen? Mit meinem Unternehmen muss ich drei Mal, nämlich im Handel, in der Werbung und in der Unternehmensberatung, Pflichtmitglied sein.“