Leuchtende Klänge in dunkler Jahreszeit

Das Symphonieorchester Vorarlberg und Steven Osborne begeistern mit Britten, Mozart und Dvořák.
Englische Volkslieder durch die Brille von Benjamin Britten, das letzte Klavierkonzert von Mozart, dessen Schlussrondo im Lied „Sehnsucht nach dem Frühling“ wiederkehrt, und Antonín Dvořáks siebte Symphonie bildeten das Programm, mit dem das SOV und Chefdirigent Leo McFall am ersten Adventswochenende in Feldkirch und Bregenz begeisterten.

Ein Werk der Versöhnung
Benjamin Britten hat als Komponist, Dirigent, Pianist (oft an der Seite seines Lebenspartners, des Tenors Peter Pears) und Festivalleiter gewirkt, viele seiner Kompositionen wirken hell und durchsichtig, anderes wie seine Oper „Peter Grimes“ ist dunkel und tragisch, sein „War Requiem“ ist ein eindringliches Werk der Versöhnung. Viel zu wenig ist hierzulande bekannt, umso schöner, dass Leo McFall die Konzerte mit der so farbig instrumentierten „Suite on english folk tunes“ eröffnete, die vor 50 Jahren ihre Uraufführung hatte.
Die Melodien aus einer Sammlung des 17. Jahrhunderts sprudelnd fröhlich im ersten Lied, werden im zweiten Satz von der zart begleiteten Harfe angestimmt, die Heiterkeit des dritten Lieds hat einen tragischen Unterton, im vierten scheinen die virtuos geführten Streicher einen Dudelsack nachzuahmen, das letzte Stück erzählt mit dem Englischhorn von Trauer und Abschied. Instrumentalsoli und Orchestergruppen präsentierten sich schon hier höchst motiviert.

Wintergrau wegträumen
Wolfgang Amadeus Mozart hatte bis Mitte der 1780er Jahre mit einer ganzen Reihe von Klavierkonzerten geglänzt, die er in eigenen „Akademien“ zur Aufführung brachte. Kaum zu glauben, dass sein letztes Konzert in B-Dur KV 595 im Januar 1791, also zu Beginn seines letzten Lebensjahrs, im kleinen privaten Kreis uraufgeführt wurde und dass es als „Nachzügler“ gilt. Als Solisten hatte Leo McFall den 54-jährigen schottischen Pianisten Steven Osborne eingeladen, der mit rundem und leuchtendem Klang gestaltet und der die Impulse der Orchesterstimmen in einem feinen und organischen Dialog weiterführt. Klar, schlicht und unprätentiös ist sein Spiel, auch das Larghetto berührt in schöner Artikulation und runden Umspielungen, behutsam getragen vom Orchester. Bis die Bäume wieder grün sind, dauert es in unseren Breiten noch ein wenig, aber mit der Melodie von „Komm lieber Mai“ („Sehnsucht nach dem Frühling“), die Mozart kurz nach Abschluss des Klavierkonzerts notierte, kann man sich schon mal aus dem Wintergrau wegträumen: Steven Osborne, der mit ihm eng verbundene Leo McFall und das SOV zaubern das Thema und die Verästelungen und Auszierungen ebenso fantasie- wie liebevoll, in den mehrfach ansetzenden Kadenzen mischt Osborne immer mehr Akzente und raumgreifende Figuren hinzu.

Wenn Osbornes Zugabe wie das zarte Wispern einer Spieldose klingt, so liegt das an Anatoli Ljadows gleichnamiger Miniatur („The musicbox“), die der Pianist mit kindlicher Spielfreude und einem verlöschenden Schluss zelebriert – ein bisschen klingt es auch nach Weihnachtslied und Schlittenglöckchen.

Umjubelter Abschluss
In großer Besetzung tritt das SOV dann nach der Pause zu Dvořáks siebter Symphonie an, die der Komponist für England komponierte und deren Uraufführung er 1885 dort selbst dirigierte: die London Philharmonic Society hatte ihn zum Ehrenmitglied ernannt, fünf Jahre später wurde in Birmingham auch sein Requiem uraufgeführt, bevor er für einige Jahre nach Amerika ging. Dunkel, fast grimmig aufbegehrend, nah am Charakter der Symphonien seines Förderers Brahms klingt der erste Satz, den Leo McFall dann mit den prächtig aufspielenden Bläsern und der warmen Streichergruppe zu straffen Steigerungen führt. Schön ausbalanciert gestaltet der Dirigent den langsamen Satz als naturnahen Bläserchor über in großen Bögen aufblühenden Streichern. Die siebte Symphonie ist zwar weniger volksmusikantisch geprägt als andere Werke, aber ein charaktervoller „Furiant“ mit zackigen Punktierungen muss schon sein! Im Finale zeigt der böhmische Komponist mit der unverkennbaren Melodienfülle, dass er auch mit verdichteter kontrapunktischer Arbeit überzeugen kann: für Leo McFall heißt es, Themen wie gemeißelt herauszuarbeiten und zu einer mächtig aufgetürmten Coda zu führen – ein toller und umjubelter Abschluss, bei dem der sympathische Brite einmal mehr seine Verbundenheit mit dem SOV zeigte.
Katharina von Glasenapp