Aufarbeitung: Alberschwende ringt um Umgang mit Hermann Gmeiner

Die Diskussion um die Einordnung Hermann Gmeiners erreicht in Alberschwende ihren Höhepunkt. Eine öffentliche Veranstaltung soll nun Raum für Fragen und erste Entscheidungen bieten.
Mitten im Zentrum von Alberschwende steht die Büste von Hermann Gmeiner, dem laut Webseite der Heimatgemeinde berühmtesten Bewohner des Ortes überhaupt. Mehrere Infotafeln rund um die Büste beschreiben, was für ein Mensch Hermann Gmeiner war und welche Arbeit er geleistet hat. Durch die Gründung des SOS-Kinderdorfs konnte er das Leben vieler Kinder verändern. Nicht ohne Grund wurden weit über seine Heimatgemeinde hinaus zahlreiche Straßen, Parks und dergleichen nach ihm benannt. In Alberschwende trägt sogar der Gemeindesaal den Namen des 1986 verstorbenen Mannes. Gleichzeitig erinnert eine Metallplakette an der Außenwand seines Geburtshauses an seine Wurzeln in der Gemeinde. Hermann Gmeiners Wirken ist nahezu omnipräsent in Alberschwende und wird nun aufgrund jüngst bekannt gewordener Missbrauchsvorfälle kritisch hinterfragt.

Öffentliche Diskussion
Vor dem Gemeindeamt fällt ein Aufsteller ins Auge. Der daran befestigte Flyer informiert über eine bevorstehende Veranstaltung zur Aufarbeitung der acht bestätigten Missbrauchsfälle rund um Hermann Gmeiner. Am 17. Dezember soll in der Aula der ortsansässigen Mittelschule um 19 Uhr eine öffentliche Diskussion stattfinden. Auf dem Flyer ist zu lesen: „Die öffentliche Diskussion rund um die Person Hermann Gmeiner – Gründer der SOS-Kinderdörfer und gebürtiger Alberschwender – hat in der Gemeinde große Betroffenheit ausgelöst. Viele Menschen fühlen sich mit seiner Geschichte und seinem Wirken persönlich verbunden.“ Weiter ist die Rede von einer Aufarbeitungsgruppe, bestehend aus Gemeindevertretern, die unter Einbezug der Bevölkerung entscheiden soll, wie künftig mit der Büste Hermann Gmeiners, dem Namen des Gemeindesaals und der Kennzeichnung seines Geburtshauses verfahren werden soll. Gemeinsam mit den Bewohnern von Alberschwende soll am Mittwoch ein Erstgespräch zum Thema geführt werden.

Patientenanwalt vor Ort
Auch Patientenanwalt Alexander Wolf wird als Mediator an der öffentlichen Diskussion teilnehmen. Er wurde nach eigenen Angaben von der Gemeinde dazu eingeladen. „Ziel dieser öffentlichen Diskussion ist es, Stimmungsbilder der Bevölkerung zu diesem Thema einzufangen. Deshalb lässt sich im Moment auch noch nicht sagen, zu welchen Ergebnissen man kommen wird“, sagt er im Gespräch mit der NEUE. Für Wolf zielt die Veranstaltung darauf ab, dass etwa über den Verbleib der Büste von Hermann Gmeiner künftig stärker die Bevölkerung selbst entscheiden soll – und nicht allein die Politik.

Ähnlich sieht es Kinder- und Jugendanwalt Christian Netzer, welcher ebenfalls von der Gemeinde zur Diskussion eingeladen wurde. Netzer sagt dazu gegenüber der NEUE: “Ich habe mich bewusst nicht von der Gemeinde vor der Veranstaltung briefen lassen, da ich das Gespräch möglichst neutral wahrnehmen möchte.” Der Anwalt erklärt, dass er das Thema lediglich aus Sicht des aktuellen Jugend- und Kinderschutzes beleuchten kann. Wie die Bevölkerung das Thema historisch aufarbeitet, muss diese selbst entscheiden.

SOS-Kinderdorf mit dabei
Zusätzlich wird auch ein Vertreter des SOS-Kinderdorfs an der öffentlichen Diskussion teilnehmen. Auf Anfrage der NEUE, was sich die Organisation von der Veranstaltung erhofft, sagt diese: „Wir erwarten einen klaren, sachlichen Abend ohne Beschönigung. In Alberschwende geht es nicht um ein abstraktes Thema, sondern um den Gründer von SOS-Kinderdorf aus dieser Gemeinde – und um Menschen, die hier leben und betroffen sind. Wir wollen die bekannten Fakten zu den Vorwürfen offen darlegen, Fragen beantworten und zuhören. Wenn dieser Abend dazu beiträgt, dass Betroffene ernst genommen werden und die Gemeinde eine fundierte Basis für weitere Entscheidungen bekommt, erfüllt er seinen Zweck.“
Pro und Kontra
Auf die Frage, ob sich das SOS-Kinderdorf für oder gegen den Abbau der Büste einsetzen wird, antwortet die Organisation: “Ob Saalname oder Büste geändert werden, ist Entscheidung der Gemeinde Alberschwende und ihrer gewählten Gremien. SOS-Kinderdorf wird hier nichts diktieren. Klar ist aber: Es geht nicht um Gerüchte, sondern um acht dokumentierte Opferschutzfälle im Zusammenhang mit Hermann Gmeiner aus den 1950er bis 1980er Jahren an mehreren Standorten in Österreich, die im Opferschutzverfahren anerkannt und entschädigt wurden. Vor diesem Hintergrund ist es nachvollziehbar, dass Alberschwende über Formen der Ehrung neu diskutiert.”
Bürgermeister nicht zu erreichen
Bürgermeister Klaus Sohm aus Alberschwende, offenbar Hauptinitiator der Veranstaltung, war am Dienstag für ein Statement nicht erreichbar – weder telefonisch noch per E-Mail oder persönlich im Gemeindeamt. Selbst als Redakteurinnen der NEUE von seinem Sekretariat direkt vor seine Tür geschickt wurden, zog Sohm es vor, hastig in einen anderen Raum auszuweichen anstatt sich die Fragen zur Veranstaltung anzuhören. Zudem konnte keine direkte Telefonnummer des Bürgermeisters bereitgestellt werden – ein Umstand, mit dem die Redaktion am Dienstag erstmals konfrontiert war.