Steiermark

“Es braucht keine strengeren Regeln für Bürgermeister”

26.07.2023 • 14:10 Uhr
Erwin Dirnberger
Erwin Dirnberger Juergen Fuchs

Erwin Dirnberger übernimmt mit der Vorarlbergerin Andrea Kaufmann interimistisch die Gemeindebund-Aufgaben.

Österreichs Gemeindebund-Präsident Alfred Riedl (ÖVP) hat nach den gegen ihn erhobenen Vorwürfen seinen Vorsitz am Dienstag “ruhend” gestellt. Damit will er den Gemeindebund entlasten, um weiterarbeiten zu können. Er übergab die Funktion an seine Stellvertreter Erwin Dirnberger und Dornbirns Ortschefin Andrea Kaufmann (beide ÖVP).

Für Dirnberger, eigentlich Bürgermeister im steirischen Söding-St. Johann, war dieser Schritt “überraschend”: “Aber als Stellvertreter hat man eine gewisse Verpflichtung und die werde ich auch wahrnehmen”, sagt er im Gespräch mit der Kleinen Zeitung.

Grundstücksverkäufe wurden zum Verhängnis

Grund für die Aufregung: Medienberichten zufolge hat Riedl in seiner Heimatgemeinde Grafenwörth (Bezirk Tulln), wo er als Bürgermeister tätig ist, durch Grundstücksverkäufe mehr als eine Million Euro verdient. Einige der verkauften Flächen wurden bereits für den Bau von Reihenhäusern genutzt. Des Weiteren soll geplant sein, im Rahmen des Projekts “Sonnenweiher” über 200 Häuser rund um einen Foliensee zu errichten. Diese Bauvorhaben wurden durch Umwidmungen und eine Verschiebung von Gemeindegrenzen, die vom Gemeinderat beschlossen wurden, ermöglicht. Riedl weist die Vorwürfe zurück.

Der Organisation ist dadurch jedenfalls erheblich in Kritik geraten: “Dabei haben diese Vorwürfe ursächlich nichts mit dem Gemeindebund zu tun”, unterstreicht Dirnberger. Vielmehr sei es einerseits die Angelegenheit der betroffenen Gemeinde, andererseits jene von Riedl selbst. Medial sei das Thema aufgeschaukelt worden, urteilt der Steirer, denn für die Bauvorhaben dürften auch Grundstücke von anderen Besitzern verkauft worden sein, zudem waren sie seit Jahren in Besitz von Riedl, sagt Dirnberger. Er sei daher überzeugt, dass sich die Sachlage bis zur nächsten regulären Gemeindebund-Sitzung im Frühjahr aufklären werde. Bis dahin werde er gemeinsam mit Kaufmann in der Funktion der Vizepräsidenten Gespräche auf allen Ebenen führen.

Ohne Gemeinderat keine Umwidmungen

Dass die Causa auch den Gemeindebund belastet, bestätigt Dirnberger. Auf die im Zusammenhang mit den nun vorliegenden Vorwürfen vielfach geäußerte Kritik, dass Ortschefs quasi Insiderwissen über Bauvorhaben haben, kontert der Steirer: “Es braucht dahingehend keine strengeren Regeln für Bürgermeister”. Schließlich müssten sämtliche Bauvorhaben und Umwidmungen mit Mehrheiten im Gemeinderat beschlossen werden, davor werde in enger Abstimmung mit der Raumordnung und des jeweiligen Bundeslandes geplant. Außderem: “Bei großen Umwidmungen braucht es die Zustimmung des Landes”, so Dirnberger.

Auf ihn und Kaufmann kommt im Herbst jedenfalls ein großer Brocken namens Finanzausgleich zu. Beide verhandeln die Zahlungen des Bundes an die Kommunen. Der steirische Bürgermeister strebt dabei eine Systemänderung an: “Es geht um Elementarausbildung, es geht um die Pflege – daher müssen wir weg von einer Berechnung der Summe nach Einwohnerzahlen der Gemeinde”. Letzteres sei auch der Grund, warum es weiter zu Versiegelung kommt: “Gibt es die Nachfrage, wird aus diesem Grund natürlich gebaut.” Es brauche daher neue Parameter für den Finanzausgleich, aber auch für die Kommunalsteuer – sie sei der Grund, warum viele Gemeinden um die Ansiedelung von Betrieben buhlen.

“Mehr finanzielle Mittel für die Gemeinden”

“All das wird nicht von heute auf morgen gehen”, weiß Dirnberger. Unterm Strich brauche es aber mehr finanzielle Mittel für die Gemeinden. Und eine Anpassung der Auszahlung – in den südlichen und östlichen Bundesländern seien die Summen geringer als im Westen und in Wien, so der Gemeindebund-Vize. Der Finanzausgleich, den es bereits seit der Nachkriegszeit gibt, sei “ganz toll” dennoch müsse man neue Ansätze diskutieren, so Dirnberger weiter, der in diesem Zusammenhang auch eine Lehrstands- oder Zweitwohnsitzabgabe in den Raum wirft.

Die Gemeinde-Organisation selbst hatte zuletzt auch intern turbulente Tage. Mehrere Landesvertreter sprachen von einer “schlechten Stimmung”. Sozialdemokratische Vertreter hatten vor bei der Gemeindebund-Sitzung am Dienstag gar den Rücktritt Riedls gefordert. Danach begrüßte zumindest Olga Voglauer, Generalsekretärin der Grünen, Riedls vorläufige Pause und forderte weiterhin Aufklärung. Greenpeace indes ist unzufrieden und verlangt überhaupt eine Neuaufstellung der Gemeindebund-Führung.