Vorarlberg

Wie das Land mehr sozialen Wohnbau finanzieren könnte

22.04.2023 • 19:46 Uhr
Öffentlicher Wohnbau war in Vorarlberg lange verpönt. <span class="copyright">Heidrun</span>
Öffentlicher Wohnbau war in Vorarlberg lange verpönt. Heidrun

Die Wohnbauförderung fließt zu einem Gutteil in den privaten Wohnbau. Ihre Höhe könnte das Land eigentlich selbst bestimmen. Doch das ist aktuell kein Thema.

Die Vorarlberger Opposition und die Grünen setzen sich für mehr sozialen Wohnbau ein, die ÖVP sieht den Bau von 1000 zusätzlichen Wohnungen pro Jahr in diesem Segment hingegen als unrealistisch an. Nachdem Vorarlberg zwischen dem 1. Quartal 2022 und dem 1. Quartal 2023 aber um über 4000 Menschen mit Hauptwohnsitz angewachsen ist und der nicht geförderte Wohnbau unter einer massiven Auftragsflaute leidet, droht das Land ohne zusätzlichen öffentlich finanzierten Wohnbau auf eine Wohnraumkrise zuzusteuern. Will man hier etwas ändern, wird man an einer Reform der Wohnbaubeihilfe nicht herumkommen.

Eine Frage der Zuständigkeit

Die Möglichkeiten des Landes, beim Wohnbau steuernd einzugreifen, stehen und fallen mit seinen rechtlichen Kompetenzen. In den vergangenen Monaten legte man den Fokus vor allem auf eine mögliche Leerstandsabgabe, die aber mit verfassungsrechtlichen Fragezeichen versehen ist (siehe Infobox). Außerdem versuchte man vergeblich, politischen Druck auf die unabhängige Finanzmarktaufsicht auszuüben, die eine höhere Eigenkapitalquote bei der Finanzierung von Eigenheimen vorgeschrieben hatte.

Die Kritik, die derzeitige Ausgestaltung der Wohnbauförderung werde von der Wirtschaft vor allem als Bauträgerförderung gesehen, ist bisher ungehört verhallt. Das Land hat aber seit 2018 noch eine, bisher ungenutzte Möglichkeit, beim Wohnbau, wenn schon nicht verteilungsmäßig, dann doch finanzierungsseitig, mehr zu tun.

Eine Reform ohne Wirkung

Die Aufgabenverteilung zwischen Bund und Ländern ist eine sehr komplexe und bisweilen schmerzhaft unsachliche Angelegenheit. Bund und Länder stehen oft beide ohne befriedigende Lösung da, weil keine ausreichenden Zuständigkeitsfelder mit Handlungsspielräumen vorliegen.

Und so prolongiert sich auch in Sachen Wohnbaureformen seit über einem Jahrhundert dasselbe Elend. Bei diesem Thema herrscht heute die, auch aus anderen Bereichen bekannte, zerfurchte Aufgabenteilung. Wenn Sie für die Feinheiten der österreichischen Verwaltungsorganisation aber nichts übrig haben, überspringen Sie besser die nächsten Absätze.

Beim sogenannten Volkswohnungswesen, wie die Kompetenz zum Wohnbau verfassungsrechtlich heißt, ist der Bund für die Gesetzgebung zuständig, die Länder aber für die Vollziehung. Eine Ausnahme bildet die Wohnbauförderung: Die wird von den Ländern weitgehend allein geregelt – man hat sie Ende der 80er-Jahre mit dem Bund gegen dessen erweiterte Zuständigkeit auf dem Gebiet der Abfallwirtschaft eingetauscht. Mit der Kompetenz bekamen die Länder zusätzliche Mittel. Ihnen war es vor allem wichtig, bei Wonbaudarlehen als Geber aufzutreten. Niederösterreich hat die Chance genutzt, um diese Gelder in großem Stil zu verspekulieren.

Die Mittel für die Darlehen stammten schon damals aus einer Abgabe, dem sogenannten Wohnbauförderungsbeitrag. Dieser war – bitte blättern Sie jetzt nicht frustriert um – ursprünglich eine sogenannte gemeinschaftliche Bundesabgabe. Der Bund hob sie über die Sozialversicherungen von den Arbeitnehmern und Arbeitgebern ein, behielt einen kleinen Teil und gab den größten Batzen an die Länder weiter.

Bei den Finanzausgleichsverhandlungen 2017 zwischen Bund und Ländern brauchte man schließlich eine positive Schlagzeile für die Öffentlichkeit – etwas, das nach Reform aussehen würde, ohne allzuviel zu verändern. Und daher gab man den Ländern den Wohnbau­förderungsbeitrag als eigene Landesabgabe – die aber weiterhin in einem Bundesgesetz vorgesehen ist. Der österreichische Föderalismus ist voll von solchen Lösungen.

Kaum Änderungen

Nun bekommen die Länder also das Geld, das sie vorher ohnehin auch schon bekamen, mit einem anderen Mascherl. Der Wohnbauförderungsbeitrag wird übrigens nach wie vor über die Sozialversicherungsträger eingehoben. Geändert hat sich vor allem, dass die Länder nun weitgehend jenes Beitragsaufkommen erhalten, das wirklich auf ihrem Territorium anfällt. Davor gab es einen fixen Schlüssel, mit dem der Abgabenerlös verteilt wurde. Als wirtschaftsstarkes Bundesland profitiert Vorarlberg also eher von der neuen Regelung. Und es gibt einen zweiten Punkt, der sich geändert hat: Auch wenn der Wohnbauförderungsbeitrag weiterhin vom Bund aber nun eben als ausschließliche Landesabgabe vorgesehen wird, können die Länder dessen Höhe jetzt selbst und somit variabel bestimmen – sie tun es nur nicht. Der Beitrag macht überall nach wie vor ein Prozent der Bemessungsgrundlage der Gehälter bei den meisten Arbeitnehmern im jeweiligen Land aus, je die Hälfte zahlen Dienstnehmer und Dienstgeber.

Und hier liegt nun der Wohnbauhebel begraben, den noch keiner für sich entdecken wollte: Vorarlberg rechnet heuer mit Steuereinnahmen von 61,5 Millionen Euro aus diesem Beitrag. Mit einer Erhöhung der Wohnbauförderung auf 0,75 Prozent würden deutlich mehr Mittel anfallen. Wenn man die Sonderregelungen für Eisenbahner und öffntlich Bedienstete nicht mitrechnet, wären es 92,3 Millionen Euro – Geld, das man etwa für den gemeinnützigen Wohnbau einsetzen könnte.

Unbeliebte Steuern

was tun, was die Länder bisher gemieden haben wie der Teufel das Weihwasser: Steuern erhöhen. Die Länder decken nur etwas über fünf Prozent ihrer Haushaltseinnahmen durch eigene Abgaben, der Rest kommt über Ertragsanteile vom Bund oder durch ­Transferzahlungen von den Gemeinden.

Unter den genannten fünf Prozent macht der Wohnbauförderungsbeitrag den Löwenanteil aus. Tatsächlich stellt er die einzige Möglichkeit für substanzielle, einnahmenseitige Budgetsteigerungen der Länder dar. Da die Länder aber kaum Steuergeld einnehmen, wäre solch eine Erhöhung etwas ganz Neues und politisch Unangenehmes für sie. Und das auch noch in Zeiten von hohen Energiekosten und Inflation. Außerdem fällt der Beitrag unter die Lohnnebenkosten, deren Senkung man sich schon lange auf die Fahnen geschrieben hat. Und dann hat der Wohnbauförderungsbeitrag auch noch eine gewisse soziale Schieflage: Vorstände müssen ihn nicht bezahlen, Arbeiter aber schon. „Ob es eine faire Geschichte ist, die vielzitierte Billa-Kassierin dafür zahlen zu lassen, dass der Mittelstand ein schönes Eigenheim bekommt, darf mit Recht kritisch beäugt werden“, meint dazu Nationalrat Gerald Loacker (Neos) auf seinem Blog.

Die Schieflage ließe sich freilich auch dadurch beheben, dass die Gelder vermehrt für öffentlichen und nicht für privaten Wohnbau eingesetzt werden. Die ÖVP müsste sich dafür aber erst einmal vom Mantra des leistbaren Eigenheims lösen – in Zeiten unaufbringbar hoher Eigenmittel vielleicht eine rationale, aber ideologisch schwere Entscheidung für eine bürgerliche Partei.

Wie bei allen Kurswechseln ist letztlich der Leidensdruck entscheidend. Wenn sich das leistbare Eigentum politisch nicht mehr verkaufen lässt, wird das leistbare Mieten interessanter.

Löcherstopfen mit der Förderung

Man muss dem Land zugutehalten, dass es in der Vergangenheit wenigstens sachgebunden mit der Wohnbauförderung umgegangen ist. Die Länder finanzieren die Wohnbauförderung neben dem Wohnbaubeitrag auch aus dem Rückfluss von Wohnbaudarlehen. Allerdings hat das Zentrum für Verwaltungsforschung (KDZ) errechnet, dass die Ausgaben der Länder die Einnahmen über Jahre unterschritten. Konkret bedeutet das, dass einige Länder andere Ausgaben mit Wohnbaumitteln querfinanzieren, wobei Vorarlberg mit Salzburg lange an der Spitze der Pro-Kopf-Ausgaben für Wohnbauförderung stand.

Niederösterreich hat wie erwähnt seine Wohnbaudarlehen mit Abschlägen veräußert und ist mit dem Geld nicht sehr erfolgreich umgegangen. Der dafür verantwortliche Landesrat kauft mittlerweile goldene Flügel fürs Parlament.